Entscheidung gegen den 1. FC Köln:"Ein absurdes Urteil - drakonischer geht es kaum"

Lesezeit: 3 min

Stellte sich am Geißbochkheim den drängenden Fragen: Kölns Sport-Geschäftsführer Christian Keller (Foto: Marius Becker/dpa)

Aus dem Transfer eines Juniorenspielers wird ein Rechtsfall, der den FC in seinen Grundfesten erschüttert. Nur noch der Cas könnte ein Transferverbot bis Sommer 2024 abwenden. Sportchef Keller spricht von einer Fifa-"Farce".

Von Philipp Selldorf, Köln

Dies sei nun wirklich "die falsche Schlussmetapher", sprach Christian Keller, bevor er seine Ausführungen beendete und vor dem Wolkenbruch ins nahe Geißbockheim flüchtete. Zurück blieben die im Regen stehenden Reporter und viele Fragen zu einem Rechtsfall, der den 1. FC Köln in seiner sportlichen Existenz respektive in seiner Konkurrenzfähigkeit als Erstligist ernsthaft gefährden kann.

Als der Himmel noch gnädig war, hatte der Sport-Geschäftsführer Keller zum drastischen Spruch einer Gerichtskammer der Fifa Stellung genommen, der dem FC am Vortag zugegangen war und in seinen Konsequenzen geeignet ist, die Mauern des ehrwürdigen Vereinsheims zu erschüttern. In dem erst jetzt zugestellten Beschluss vom 1. Februar verhängte der Weltverband gegen den Bundesligaklub wegen "Anstiftung zum Vertragsbruch" beim Transfer eines slowenischen Juniorenspielers Anfang 2022 ein Registrierungsverbot für neue Spieler, das für die Dauer von zwei Transferperioden gilt.

SZ PlusKölns Vizepräsident über DFL-Investorenpläne
:"Einmal ins Rattenrennen eingestiegen, sind Exzesse programmiert"

Die DFL plant, 15 Prozent ihrer künftigen Medienerlöse an einen Investor zu verkaufen. Eckhard Sauren, Vizepräsident des 1. FC Köln, warnt vor "Geld-Doping". Langfristig würden die Kosten für die Klubs deutlich steigen.

Interview von Philipp Selldorf

Die Entscheidung entspricht, wenn sie rechtskräftig werden sollte, einem Transfer-Stopp bis Sommer 2024 - zahlreiche Rechtsunsicherheiten im Gefolge. So wissen die Kölner aktuell auch nicht, ob sie verliehene Spieler wieder registrieren und in ihre Mannschaft aufnehmen dürfen.

Zwar wird der 1. FC Köln schnellstmöglich Berufung beim Internationalen Sportgerichtshof Cas einlegen, um zunächst eine Aussetzung des Urteils und dann eine Aufhebung oder wenigstens Milderung zu erreichen. Doch der von der Fifa verhängte Bann hat unabhängig vom weiteren Prozessverlauf schon jetzt eklatante Wirkung: Der Kaderplanung für die kommende Saison fehlt jede verlässliche Grundlage, die Kölner können Spielern, die sie anwerben wollen, derzeit keine Zusagen zu ihrer Spielberechtigung machen. Der für die neue Saison bereits verpflichtete 28-jährige Verteidiger Leart Paqarada (FC St. Pauli) hat zwar ab 1. Juli einen gültigen Arbeitsvertrag, dürfte aber an Bundesliga- und anderen Pflichtspielen nicht teilnehmen. Dies sei eine Strafe, die "drakonischer kaum geht", wie Keller sagte, "die Fifa hat aus unserer Sicht ein komplett absurdes Urteil ohne jede Grundlage getroffen."

Die Kölner sehen sich im Recht, versichert Sportchef Keller, der FC habe sich keiner Versäumnisse schuldig gemacht

Die "Kammer zur Beilegung von Streitigkeiten" folgte einer Klage des slowenischen Klubs Olimpia Ljubljana, der den Kölnern Machenschaften beim Wechsel eines Nachwuchsspielers vorwirft. Im Januar 2022 hatten die Kölner den seinerzeit 16 Jahre alten Slowenen Jaka Cuber Potocnik unter Vertrag genommen, der seine Vereinbarung mit Ljubljana tags zuvor durch Kündigung einseitig aufgelöst hatte. Die Berufung beim Cas und ein eventuell gegenteiliger oder zumindest aufschiebender Entscheid kommt für den betroffenen 17-Jährigen in jedem Fall zu spät: Er ist durch den Fifa-Beschluss ab sofort gesperrt (für vier Monate) und für die Teilnahme an den Halbfinalspielen um den DFB-Pokal und die U-19-Meisterschaft mit dem 1. FC Köln nicht teilnahmeberechtigt. Er zählt zur Stammbesetzung der U19.

Der Verein sei durch das Urteil "massiv überrascht" worden, erklärte Christian Keller. Das Verfahren, das Olimpija nach einem ergebnislosen Einigungsversuch im August 2022 angestrengt hatte, sei "eine Farce, nicht nur inhaltlich, sondern auch durch das Zustandekommen": Die Slowenen hätten eine Klage eingereicht, der FC eine Erwiderung, "nur zwei Schriftsätze, doch in der Sache gab es keine mündliche Anhörung. Drei Richter des Fifa-Tribunals ziehen sich in ein Kämmerlein zurück - und treffen dann so ein Urteil." Mit hiesigen Rechtsgrundsätzen ist so ein Verfahren im Stil eines Geheimprozesses nicht vereinbar, mit den Regularien der Fifa, festgehalten im Text zur "Wahrung der Vertragsstabilität zwischen Berufsspielern und Vereinen", dagegen schon.

Der Transfer des damals 16-jährigen Jaka Cuber Potocnik (links) bringt den 1. FC Köln plötzlich in Not. (Foto: Herbert Bucco/dpa)

Die Kölner sehen sich, wie Keller standhaft versicherte, im Recht. Jaka Potocnik habe mit Ljubljana einen Vertrag geschlossen, der spezielle Zusagen enthielt (etwa die Teilnahme am Training des Profiteams), diese seien jedoch nicht eingehalten worden. In ihrer Klageerwiderung seien "jede Menge Zeugen benannt, unter anderem der ehemalige Präsident von Ljubljana, der die Zusagen an den Spieler und eine Ausstiegsklausel bezeugen kann - die uns im Übrigen auch schriftlich vorliegt", berichtete Keller.

Rechtlich hatten die Kölner das Problem, dass sie selbst ihre Unschuld nachzuweisen hatten

Versäumnisse seitens des FC wies der Geschäftsführer zurück. Eine gütliche Einigung mit Ljubljana sei an den Forderungen der Gegenseite gescheitert, sagte Keller und reagierte damit auf Aussagen, die Olimpija-Vizepräsident Christian Dollinger im Kölner Stadt-Anzeiger gemacht hatte. Dollinger, ein Rechtsanwalt aus München, sagte, nach Ablehnung eines "nicht unverschämten Angebots" zur Beilegung des Konflikts hätten sich die Kölner nicht mehr gemeldet: "Es herrschte einfach Funkstille."

Keller erklärte, der FC habe den Betrag geboten, der in der Ausstiegsklausel des 16-Jährigen festgeschrieben war, "zuzüglich der internationalen Ausbildungsentschädigung - damit wäre Ljubljana massiv besser gefahren". Doch Ljubljana habe abgelehnt. Die Fifa billigt in ihrem Urteil dem slowenischen Klub dürftige 52 000 Euro zu.

Rechtlich hatten die Kölner das Problem, dass nicht sie des unrechtmäßigen Verhaltens überführt werden mussten, sondern sie selbst ihre Unschuld nachzuweisen hatten. Keller: "In dem Urteil steht nicht drin, dass der 1. FC Köln den Spieler zum Vertragsbruch angestiftet hat. Da steht drin, dass wir nicht beweisen können, dass wir ihn nicht angestiftet haben - ein massiver Unterschied." Auch die Beweislastumkehr ist mit hiesigen Rechtsprinzipien nicht vereinbar - in den Fifa-Paragraphen aber gilt sie.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Hertha BSC
:Ein Prozess, der Prozesse nach sich ziehen dürfte

Zwei Monate nach der Absetzung von Geschäftsführer Bobic hat sich Hertha BSC von fünf weiteren Funktionären getrennt. Es handele sich um eine notwendige Sanierung, wird beteuert - doch der Vorgang wird den Klub noch vor Gericht beschäftigen.

Von Javier Cáceres

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: