Hertha BSC:Ein Prozess, der Prozesse nach sich ziehen dürfte

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Am Anfang der Trennungen stand Sportgeschäftsführer Fredi Bobic (links), der von Hertha-Präsident Kay Bernstein erst abgesetzt und dann fristlos entlassen wurde. (Foto: Soeren Stache/dpa)

Zwei Monate nach der Absetzung von Geschäftsführer Bobic hat sich Hertha BSC von fünf weiteren Funktionären getrennt. Es handele sich um eine notwendige Sanierung, wird beteuert - doch der Vorgang wird den Klub noch vor Gericht beschäftigen.

Von Javier Cáceres, Berlin

Länderspielpausen sind für viele Profivereine willkommene Oasen der Ruhe, Momente und Tage von fast schon religiös anmutender, besinnlicher Einkehr. Und wer weiß schon, wie langweilig es wäre, gäbe es in solchen Zeiten nicht den FC Bayern, der gerade eine spektakuläre Trainerpersonalie verkündet hat. Oder auch die Berliner Hertha, die auch in dieser Woche ebenfalls von sich reden machte. Denn dort gingen die vom örtlichen Boulevard als "Personalbeben" bezeichneten Veränderungen bei der Belegschaft munter weiter.

Zwei Monate nach der Absetzung von Sportgeschäftsführer Fredi Bobic, die wenige Tage nach ihrer Verkündung durch Präsident Kay Bernstein in eine fristlose Entlassung umgewidmet wurde, bestätigte Hertha BSC zu Beginn der Woche weitere Trennungen. Kaderplaner Dirk Dufner musste ebenso gehen wie Chef-Scout Babacar Wane und Kader-Manager Johannes Waigand. Sie gesellten sich zu zwei Mitarbeitern, die ebenfalls im Sommer 2021 mit Bobic nach Berlin gekommen waren - und wie Bobic schon Ende Januar vor die Tür gesetzt wurden.

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Es handelte sich um den Technischen Direktor Sebastian Zelichowski und Teammanager Thomas Westphal. Dem sich förmlich aufdrängenden Eindruck, dass es sich um eine klassische Säuberungsaktion handelte, weil ausschließlich Bobic-Getreue gehen mussten, wird bei Hertha BSC vehement widersprochen. "Diese Entscheidungen wurden im Rahmen unserer Maßnahmen zur Restrukturierung, Sanierung und wirtschaftlichen Konsolidierung getroffen", teilte Geschäftsführer Tom E. Herrich dem RBB und der Bild mit.

Dem Vernehmen nach ist Bobic gewillt, es im Zweifelsfall auf einen Prozess ankommen zu lassen, der es mutmaßlich in sich hätte

Woran kaum ein Zweifel besteht: dass eine objektive Notwendigkeit besteht, die Kosten bei der Alten Dame zu verschlanken. Die Hertha hat allein in den vergangenen drei Jahren Verluste von mehr als 200 Millionen Euro angehäuft und wird von Schulden geplagt, die Personalkosten allein für das erste Halbjahr der laufenden Saison lagen bei rund 50 Millionen Euro. Transfers, hohe Gehälter, Abfindungen katalysierten eine Krise, die dazu führte, dass Herthas Profiabteilung jüngst in die Hände einer US-Heuschrecke namens 777 Partners getrieben wurde.

Sie will 100 Millionen Euro in den Klub pumpen, um die Finanzlage kurzfristig zu stabilisieren. Herrich erklärte, die von ihm schon im Herbst 2022 für unabdingbar erklärte Sanierung werde weitergetrieben: "Dieser Prozess wird uns auch noch weiterhin in einigen Bereichen begleiten. Das betrifft nicht nur den Bereich Personal", sagte der Geschäftsführer. Und das dürfte einen nicht unerheblichen Teil der Belegschaft unter Körperspannung setzen. Zur neuen Saison, so ist nun zu hören, sollen nur noch rund 60 Millionen Euro an Personalkosten budgetiert werden - wobei diese Zahl schon zu Bobic-Zeiten als realistisches Ziel kursierte.

Auch ohne Sanierungsmaßnahmen ist bei Hertha nach jetzigem Stand für hinreichend Unruhe gesorgt: Bobic, Zelichowski und Westphal sind juristisch gegen ihre Entlassungen vorgegangen; ein Gütetermin zwischen Hertha und Bobic, der vom Berliner Arbeitsgericht für den 3. April anberaumt worden war, wurde wieder aufgehoben. Weil Bobic einen Geschäftsführerposten bekleidet habe, sei wohl das Landgericht zuständig, ließ die Berliner Justiz verlauten. In den Fällen von Zelichowski und Westphal stehen bereits Termine fest. Die Hertha hat in der Vergangenheit betont, eine einvernehmliche Lösung mit den Geschassten anzustreben. Doch bislang hat es keine Annäherung zwischen den Parteien gegeben. Und: Dem Vernehmen nach ist Bobic gewillt, es im Zweifelsfall auf einen Prozess ankommen zu lassen, der es mutmaßlich in sich hätte.

Ist der Kader überhaupt gut genug aufgestellt für die Bundesliga? Trainer Sandro Schwarz geht mit der Hertha am Samstag als Tabellen-16. ins Auswärtsspiel beim SC Freiburg. (Foto: O.Behrendt/Contrast/Imago)

Bobic dürfte gute Aussichten haben, das Verfahren zu gewinnen. Zu den angeblichen Gründen für die fristlose Entlassung von Bobic zählten Presseberichten zufolge ein verbaler Disput mit einem TV-Reporter, der von Hertha zu einer Bedrohung von Leib und Leben aufgebauscht worden sein soll, sowie angebliche Indiskretionen über vertrauliche Geschäftsvorgänge. Hinter mehr oder weniger vorgehaltener Hand wird Bobic überdies vorgeworfen, den Personalapparat bei der Hertha aufgebläht zu haben.

In der Tat hat er rund 15 Mitarbeiter installiert; bei Hertha werden ihm aber auch eine Reihe von Folgeverpflichtungen attestiert, so dass die wirkliche Zahl noch höher liege. Wenn nun davon die Rede ist, dass die Aufgaben etwa von Dufner "intern" neu verteilt würden, dann habe das auch damit zu tun, dass die Hertha vor Bobic auch ohne Kaderplaner ausgekommen sei. Ob mit oder ohne Kaderplaner: Hertha blieb dem Abstiegskampf treu, am Samstag gehen die Berliner als Tabellen-16. ins Auswärtsspiel beim SC Freiburg. Und im Klub wird mit Fingerzeig auf Bobic und Dufner diskutiert, ob der Kader überhaupt hinreichend wettbewerbsstark sei. Was einerseits Trainer Sandro Schwarz entlasten würde.

Trainer Schwarz muss die Unruhe von einer verunsicherten Mannschaft fernhalten - aber auch über seine Ablösung wird getuschelt

Schwarz wiederum steht zurzeit vor einer doppelt und dreifach schweren Herausforderung: die ganze Unruhe im Klub von einer immer wieder der Verunsicherung anheimfallenden Mannschaft fernzuhalten. Der Trainer verspürt nach eigener Aussage "komplett" die Rückendeckung der Vereinsführung; ob er sich in der komplizierten sportlichen Lage auch durch hinreichend viel Fachkraft und Erfahrung unterstützt fühlt, ist schon fraglicher. Anstelle von Bobic arbeitet nun der vergleichsweise unbeleckte Benjamin Weber als Sportdirektor, assistiert von Andreas "Zecke" Neuendorf, einer Hertha-Kultfigur. Im Hintergrund wiederum wirkt Investor 777 Partners auf bislang unerkennbare Weise mit.

Die Mannschaft will offenkundig mit dem empathisch auftretenden Schwarz weiterarbeiten. Dieser Tage übernahm Winter-Zugang Florian Niederlechner die Aufgabe, dies in einem Interview mit dem Kicker in überzeugt wirkenden Worten zu erklären. Doch dass in der örtlichen Presse über "fünf Gründe" sinniert wird, "warum Hertha mit Trainer Sandro Schwarz absteigt", wie es der Tagesspiegel dieser Tage tat, wird ihm nicht entgangen sein. Ebenso wenig, dass seit Wochen über Alternativen und Namen wie Sebastian Hoeneß und Markus Gisdol getuschelt wird.

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