Nach Anschlag in Istanbul:Umbuchen, aufpassen, informieren

Lesezeit: 3 min

Was Reisende nach dem Anschlag in Istanbul für ihre Sicherheit beachten sollten - und welche Rechte sie haben.

Von Hans Gasser und Monika Maier-Albang

Kann man Türkeireisen jetzt kostenlos umbuchen oder stornieren?

Nein. Nur wenn eine ausdrückliche Reisewarnung des Auswärtigen Amtes vorliegt, sind die Veranstalter verpflichtet, dem Kunden kostenfreie Umbuchungen und Stornierungen anzubieten. Das Auswärtige Amt hatte am Dienstag aber nur seine Reisehinweise für die Türkei verschärft. Der auf Reiserecht spezialisierte Jurist Ernst Führich rechnet jedoch damit, dass Kunden momentan Reisen, die speziell nach Istanbul führen, kostenfrei absagen können. Die Rechtsprechung sehe ein Kündigungsrecht wegen Gefährdung durch höhere Gewalt vor. Wer einen Badeurlaub in Antalya gebucht hat, dem hilft das aber nichts. Viele Reiseveranstalter haben gleich am Dienstag kostenfreie Stornierungen und Umbuchungen angeboten, allerdings nur für Abflüge innerhalb der nächsten zwei bis drei Wochen - und nur für Istanbul. Solche Kulanzangebote sind Imagepflege, in diesem Fall eine, die wenig schmerzt. Denn in den viel besuchten Badegebieten ist es gerade zu kalt. Allerdings läuft bald die Haupt-Buchungszeit.

Welche Warnstufen kennt das Auswärtige Amt?

Es gibt zwei Stufen: Den Sicherheitshinweis und die Reisewarnung. Der Sicherheitshinweis wird viel häufiger ausgesprochen und beinhaltet meist eine Empfehlung, Reisen in bestimmte Gebiete nicht zu unternehmen, oder nur, wenn unbedingt notwendig. Die Reisewarnung ist viel stärker und seltener. Sie ist ein "dringender Appell", Reisen in bestimmte Länder oder Regionen (Teilreisewarnung) generell zu unterlassen. Bei einer umfassenden Reisewarnung müssen die Veranstalter die Urlauber aus einem Land zurückholen. Gäste können dann kostenlos stornieren. Das ist teuer für die Reise-Industrie und deshalb ist das Auswärtige Amt sehr zurückhaltend mit Reisewarnungen. Derzeit gibt es Reisewarnungen für 25 Länder.

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Kann man noch in die Türkei reisen?

Ja. Das statistische Risiko bei einem Attentat ums Leben zu kommen, ist immer noch viel geringer als etwa bei einem Verkehrsunfall auf der deutschen Autobahn. Dennoch empfinden wir das Risiko immer dann als höher, wenn auf einen Schlag besonders viele Menschen getötet werden, etwa bei einem Attentat oder einem Flugzeugabsturz. Die Sicherheitslage in der Türkei hat sich zwar verschlechtert, seit das Land in offenem Konflikt mit der kurdischen PKK und dem IS steht. Das Auswärtige Amt warnt aber nicht vor Reisen in die Türkei, es rät nur dringend davon ab, in die Grenzgebiete zu Syrien und dem Irak zu reisen.

Reist man sicherer in der Gruppe oder individuell?

Die IS-Terroristen versuchen, möglichst viel Leid über Menschen zu bringen. In ihrer Logik ist eine hohe Opferzahl erstrebenswert - eine Gruppe ist demnach ein gutes Ziel. Aber auch Individualreisende kommen natürlich immer wieder in die Situation, dass sie im Pulk stehen müssen: In der Schlange vor der Blauen Moschee oder beim Selfie-Foto vor dem Obelisken hätte es jeden treffen können. Und im Hotel sind ohnehin alle gleich. Allerdings bieten Gruppenreisen oft den Vorteil, dass man schneller nach Hause kommt, wenn ein Anschlag passiert oder eine Naturkatastrophe, denn im besten Fall kümmert sich der Anbieter darum.

Was kann man tun, um sich zu schützen?

Nicht in ein Land oder eine Region reisen, für die es eine Reisewarnung des Auswärtigen Amtes gibt. Wichtig ist es, sich aktuell zu informieren, über deutsche Zeitungen und deren Internetseiten sowie jene des Auswärtigen Amtes. Dessen Standard-Empfehlung "Menschenansammlungen meiden!" ist aber in übervollen Städten wie Istanbul wenig hilfreich. Natürlich kann man mit dem Taxi statt mit öffentlichen Verkehrsmitteln fahren, nur: Wer als Tourist ein Land authentisch erleben will, nimmt - etwa in der Türkei - oft bewusst wie die Einheimischen das Sammeltaxi Dolmuş oder den Überlandbus. Die überlaufenen Hauptsehenswürdigkeiten eines Landes zu meiden ist eine Option, allerdings wohl nur für Gäste, die nicht das erste Mal dort sind. Diese können bestenfalls eine ruhige Jahres- oder Tageszeit wählen. Die Reiseveranstalter haben eigene Informanten in den Urlaubsländern, lokale Agenturen, die teils vertraglich verpflichtet sind, Sicherheitsrisiken zu melden.

In welche Länder kann man im Nahen und Mittleren Osten noch reisen?

Grundsätzlich in alle, für die es keine Reisewarnung gibt. Aber es gibt Abstufungen. Marokko gilt, abgesehen vom allgemeinen Anschlagsrisiko in der Region, als ein noch relativ sicheres Land, wenn man bestimmte Grenzregionen meidet. Genauso verhält es sich mit Jordanien. In Ägypten waren die Badegebiete am Roten Meer bis zur Messerattacke von Hurghada Anfang Januar, bei der drei Touristen verletzt wurden, sicher. Es wird auch jetzt nicht von Reisen dorthin abgeraten, sondern nur empfohlen, auf Ausflüge vorläufig zu verzichten. Der schiitisch geprägte Iran erlebt zurzeit einen großen Andrang westlicher Touristen. Israel kann mit Einschränkungen, der Oman und die Vereinigten Arabischen Emirate können gut und relativ sicher bereist werden.

© SZ vom 14.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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