Zu dieser Entwicklung passt, dass sich auch der Sauerstoffverbrauch erhöht hat. Der aktuelle Standard sind vier Liter pro Minute, doppelt so viel wie noch vor 16 Jahren. Furtenbach nutzt einen eigens entwickelten Regler, der sogar acht Liter pro Minute Sauerstoff liefern könnte - was auch bedeutet, dass mehr Sauerstoffflaschen nötig sind. "Sie sollen jetzt schon an Systemen arbeiten, mit denen Sauerstoff ab dem Basecamp verwendet werden kann", sagt Arnette. Üblicherweise setzen kommerzielle Anbieter zusätzlichen Sauerstoff erst ab einer Höhe von 7000 Metern ein. "Den Everest muss man sich erarbeiten", kritisiert Arnette: "Diese Art des Tunings ist verrückt." Auf den Everest zu steigen, sei ein Privileg, aber kein Recht.
Dürfen also alle auf den Gipfel, die das Geld dazu haben? Gleiches Recht und gute Sicherheitsvorkehrungen für alle gelten offenbar nicht: Auf der tibetisch-chinesischen Nordseite werden strengere Maßstäbe angelegt als auf der nepalesischen Südseite. Zumindest sollen im Norden möglichst nur erfahrene, selbständige Bergsteiger in die Todeszone des Everest. So müssen chinesische Staatsbürger, bevor sie eine Zulassung für den Everest erhalten, die erfolgreiche Begehung eines anderen Achttausenders nachweisen. Die chinesischen Behörden wollen auf diese Weise Unfälle aus Unerfahrenheit verhindern.
Eine zweitmonatige Expedition kostet zwischen 40 000 und 50 000 Dollar
Für andere Nationalitäten gilt diese Regel aber nicht. Hier tragen Veranstalter die Verantwortung für die Auswahl geeigneter Teilnehmer. Ab nächster Saison werden nur noch acht bis zehn etablierte Anbieter von den Behörden auf der chinesischen Nordseite zugelassen, die technisch anspruchsvoller ist.
Auf der Südseite organisieren seit einigen Jahren auch nepalesische Veranstalter Expeditionen, welche sie günstiger anbieten - durchaus ein Argument: Durchschnittlich kostet eine zweimonatige Expedition am Everest zwischen 40 000 und 50 000 US-Dollar, doch manche verlangen bis zu 130 000 Dollar - ein Zwischenaufenthalt im Hyatt in Kathmandu inklusive. Nepalesische Anbieter verursachten aber die meisten vermeidbaren Unfälle, weil ihnen fatale organisatorische Fehler unterliefen, kritisiert Blitztouren-Anbieter Furtenbach die Konkurrenz. Es sei schon zu Zwischenfällen gekommen, bei denen sie Menschen am Berg allein gelassen oder zu wenig Sauerstoff zur Verfügung gestellt hätten. Furtenbach selbst steigt nur noch über die Nordroute auf.
Diese Saison gingen tatsächlich drei von fünf Todesfällen auf nepalesische Anbieter zurück. So verirrte sich der schneeblinde Lam Babu Sherpa beim Abstieg vom Gipfel, nachdem er zwei Ukrainer dabei unterstützt hatte, Kryptowährung (eine Festplatte mit Token im Wert von 50 000 Dollar) als Werbe-Gag für das irische Start-up Ask.FM am Gipfel zu deponieren. Alan Arnette glaubt, dass der Tod des Sherpas hätte vermieden werden können und kritisiert, dass ihm niemand zu Hilfe kam. Die ukrainischen Teilnehmer zogen sich nach einem Wetterumschwung Erfrierungen zu, auch der Sauerstoff wurde knapp. Sie mussten per Hubschrauber gerettet werden.
Doch eine strenge Regulierung wie in China sei in Nepal leider nicht umsetzbar, sagt Veranstalter Furtenbach. Zu sehr sei das bitterarme Land vom Tourismus in ihren Bergen abhängig. Oft wurde darüber debattiert; Reinhold Messner etwa hatte 2002 dem nepalesischen König vorgeschlagen, nur eine Expedition im Jahr zu erlauben - ohne Erfolg. Jedes Jahr reisen etwa 300 000 Menschen nach Nepal. Der Trekking- und Höhenbergsteig-Tourismus macht etwa 30 Prozent der Gesamtdevisen des Landes aus und ist somit der wichtigste Industriezweig des Landes.
"Bergsteigen sollte frei bleiben"
"Ich bin überhaupt nicht gegen kommerzielle Expeditionen am Mount Everest", sagt hingegen Peter Hillary. Das gelte aber auch für die Alpen: "Wie würde die Bergsteigerwelt reagieren, wenn man nur noch zehn Leute pro Saison auf den Mont Blanc lassen würde?". Der 63-jährige Neuseeländer trägt einen berühmten Namen: Er ist der Sohn des 2008 verstorbenen Sir Edmund Hillary, der gemeinsam mit Tenzing Norgay im Jahr 1953 den Everest erstbestiegen hatte. Peter Hillary hat den Everest im Jahr 1990 und 2002 selbst erklommen, diese Saison war er als Anbieter mit seinen Gästen lediglich am Basecamp auf der Südseite unterwegs. "Das Bergsteigen - egal wo - sollte so frei bleiben wie möglich", meint Hillary. Doch der Tourismus am Berg ist eben nicht frei von Problemen.
"Der Expeditionstourismus hat eine Form angenommen, die nicht mehr sozial verträglich ist", sagt Katharina Conradin, Präsidentin der Internationalen Alpenschutzkommission CIPRA. Zuvor war sie Geschäftsführerin von Mountain Wilderness Schweiz, die Organisation setzt sich für umweltverträglichen Bergsport ein. Die Expeditionen seien wie eine Invasion, die oft wenig mit der lokalen Kultur zu tun haben will, sagt die Schweizerin. Die Hierarchie sei klar: zahlende Kunden auf der einen Seite und auf der anderen Sherpas als Träger, die quasi alles leisten müssen. Außerdem blieben ein Großteil der Einnahmen nicht im Land, sondern flössen in die Heimatländer der Anbieter ab. Hinzu komme die ökologische Dimension, die sich aber nicht nur auf die Abfallproblematik beschränkt, sagt Conradin. "Der Bergtourist ist eigentlich sehr naturinteressiert, verursacht aber gleichzeitig durch die weite Anreise Emissionen."