Lufthansa-Piloten streiken:"Wir haben uns das Geld verdient!"

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Sie fühlen sich nicht unterbezahlt, aber auch nicht überbezahlt. Und so streiken sie. Jörg Handwerg von der Vereinigung Cockpit erklärt die Aktion.

Katja Schnitzler

Jörg Handwerg ist Sprecher der Pilotenvereinigung Cockpit und selbst Pilot bei der Lufthansa - und will verhindern, dass die Lufthansa Gewinn auf Kosten ihrer Piloten macht.

Streik bei der Lufthansa
:Überblick im drohenden Chaos

Stornieren oder Umsteigen: Von Montag an wollen die Piloten von Lufthansa und Germanwings vier Tage lang streiken - die Rechte der Passagiere im Überblick.

sueddeutsche.de: Vom heutigen Montag an werden sehr viele Menschen, die an Flughäfen festsitzen, wirklich schlechte Laune wegen Ihnen haben - wie erklären Sie diesen Leuten den Pilotenstreik?

Jörg Handwerg: Eigentlich müssten sie nicht wegen uns schlechte Laune haben, sondern wegen des Lufthansa-Managements, das seit einem Jahr substanzielle Angebote verweigert.

sueddeutsche.de: Der harte Streik könnte aber am guten Image kratzen, das Piloten bisher haben ...

Handwerg: Es ist ja nichts Neues, dass Menschen nicht erfreut sind, wenn etwas nicht so läuft, wie sie es sich vorgestellt haben. Ich bin auch nicht froh, wenn andere streiken und ich meine Tochter mit dem Auto zur Schule fahren muss. Dennoch habe ich Verständnis für Arbeitnehmer, die ihr Recht einfordern.

sueddeutsche.de: Aber warum diese Härte mit einem Vier-Tages-Streik?

Handwerg: Nach unserer Erfahrung aus den vergangenen Jahren, in denen wir unsere Themen immer wieder besprochen haben, wird ein kurzer Streik nichts nützen. Wir sind gezwungen, ein Zeichen zu setzen, damit uns der Arbeitgeber ernst nimmt.

sueddeutsche.de: Das trifft aber auch die Passagiere in voller Härte ...

Handwerg: Wir bedauern das, aber es liegt bei einem Dienstleister leider in der Natur der Sache, dass Nutzer in Mitleidenschaft gezogen werden. Wir haben den Streik deshalb früh genug angekündigt, damit sich die Passagiere Alternativen suchen können.

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Handwerg: Man kann jetzt nicht so tun, als sei die Lufthansa die einzige Airline!

Lesen Sie auf der nächsten Seite, warum sich die Lufthansa-Piloten unfair behandelt fühlen ...

Im Video: Der Ausstand der Lufthansa-Piloten hat am Montagmorgen wie angekündigt begonnen. Der Konzern rechnet mit mindestens 800 gestrichenen Flügen.

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sueddeutsche.de: Die Lufthansa leidet ebenso wie andere Fluggesellschaften unter fallenden Passagierzahlen. Ist dies der richtige Zeitpunkt für einen so harten Arbeitskampf?

Handwerg: Man sollte die Kirche im Dorf lassen. Die Lufthansa hat 2008 ihr bestes Ergebnis in der Geschichte mitgeteilt - und das mit unseren bestehenden Tarifverträgen. Damals hat die Lufthansa so viel Gewinn gemacht wie die zweit-, dritt- und vierterfolgreichste Airline zusammen. Es ist völlig überzogen, dass sie sich jetzt als Sanierungsfall darstellt und sagt, der Streik käme zur Unzeit - ich habe außerdem noch nie von einem Arbeitgeber gehört, dass jetzt gerade die richtige Zeit für einen Streik sei.

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:Geduld und gute Nerven

Mäßig gefüllte Abflughallen, wo sich sonst die Frühflieger drängeln - ein Rundblick am Morgen des ersten Streiktages bei der Lufthansa.

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Flugkapitän und Sprecher der Pilotenvereinigung Cockpit: Jörg Handwerg (Foto: Foto: oh)

Handwerg: Der Passagierrückgang von 4,5 Prozent im Jahr 2009 ist aber ein Rückfall auf die Passagierzahlen von 2007 und nicht auf die von 1945, wie es dargestellt wird. Außerdem haben wir etwa alle zehn Jahre ein zyklisches Tief, das wir auch nicht leugnen. Dennoch wird bei der Lufthansa im Gegensatz zu Air France / KLM oder British Airways ein nahezu ausgeglichenes Ergebnis erwartet.

sueddeutsche.de: Die Piloten der Lufthansa verdienen mehr als ihre deutschen Kollegen bei anderen Airlines und fordern noch mehr Gehalt - haben sie das verdient?

Handwerg: Es ging in den Verhandlungen nicht mehr um Zuwächse im Gehalt, sondern es ging um Zugeständnisse unsererseits. Zunächst sind wir aber nicht die bestverdienenden Piloten der Welt, sondern liegen im internationalen Vergleich im Mittelfeld bei ähnlich großen Gesellschaften. Zudem bewerben sich quasi alle, die in Deutschland Passagierflieger lenken wollen, zuerst bei der Lufthansa - 95 Prozent scheitern am härtesten Auswahltest in Deutschland. Aus unserer Sicht sind andere Kollegen teilweise unterbezahlt, nicht anders herum. Außerdem sind Lufthansa-Piloten sehr produktiv: Es ist etwas anderes, ob ich ein Flugzeug mit 50 Sitzen fliege oder einen Jumbo mit 400 Menschen an Bord, oder bald mit der A380 mit 550 Passagieren. Da ist auch ein anderes Gehalt gerechtfertigt, da die Verantwortung sehr groß ist - auch für das Betriebsergebnis.

sueddeutsche.de: Inwiefern?

Handwerg: Zum Beispiel hat die Lufthansa vorgerechnet, wenn jeder Pilot pro Flug hundert Kilo Treibstoff spart - das sind ein bis zweieinhalb Minuten - wirkt sich das mit mehreren hundert Millionen Euro auf das Betriebsergebnis aus. Außerdem kann es das Ende einer Airline bedeuten, wenn ein Flugzeug abstürzt: So soll die Air France nach dem Absturz im Atlantik 2009 schon eine Milliarde Euro eingebüßt haben. Wir tragen also für das Unternehmen und den wirtschaftlichen Erfolg so große Verantwortung, dass man uns nicht mit Busfahrern, sondern eher mit den Managern vergleichen sollte - obwohl wir Angestellte sind.

sueddeutsche.de: Also fordern Sie auch Managergehälter?

Handwerg: Wir fühlen uns nicht unterbezahlt, aber auch nicht überbezahlt. Nach dem Streik 2001 haben wir auch nicht, wie oft geschrieben, 28 Prozent, sondern 18 Prozent mehr Gesamtgehalt bekommen, also immer noch weniger als vor der Krise in den neunziger Jahren - davon ist ein großer Anteil variable Vergütung. In Krisenzeiten wird also unser Lohn sowieso automatisch reduziert. So hatte die Lufthansa im vergangenen Jahr circa zwölf Prozent weniger Cockpitkosten, während der Vorstand sein Gehalt erhöht hat. Natürlich soll jeder, der gute Arbeit leistet, auch gut bezahlt werden, auch der Vorstand. Aber der will sich auf unsere Kosten 20 bis 30 Prozent Kostenvorteile verschaffen, um die Rendite zu steigern - und nicht, um das Überleben der Lufthansa zu sichern. Natürlich wollen auch wir, dass es der Lufthansa gutgeht. Aber wir lassen uns nicht mit unfairen Mitteln um unseren erarbeiteten Anteil bringen.

sueddeutsche.de: Was meinen Sie mit unfairen Mitteln?

Handwerg: Dass beispielsweise die österreichische AUA ( Austrian Airlines; Anm. d. Red.) ein Insolvenzfall wurde, ist ja auch unserer guten Arbeit zu verdanken - die Leute wollten eben lieber mit Lufthansa fliegen. Jetzt kauft die Lufthansa AUA auf und wir befürchten, dass sie sie zu unserer Konkurrenz macht, indem die AUA oder Lufthansa Italia unsere Flugstrecken mit billigeren Piloten übernimmt. So sollen unsere Arbeitsverträge ausgehöhlt werden. Auch werden immer mehr gutbezahlte Jobs ins Ausland verlagert, an denen auch viele Jobs am Boden hängen. Wir möchten am Wachstum des Konzerns teilhaben und nicht immer weiter schrumpfen. Da sagen wir, jetzt ist Schluss! Da machen wir nicht mit!

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