Wütende Teufel, weinende Statuen und Wunder der Handwerkskunst - die von der Unesco geschützten deutschen Kirchen und anderen Sakralbauten beeindrucken nicht nur durch ihre Größe. Ehemaliges Kloster Corvey in Höxter, Nordrhein-Westfalen (Welterbe seit 2014) Die Unesco würdigt das Karolingische Westwerk und die Civitas Corvey aus dem frühen Mittelalter als "Zeugnis von außergewöhnlich universellem Wert". Das Westwerk sei heute das einzige erhaltene derartige Modell aus der Zeit der Karolinger. Die Reichsabtei habe im damaligen Frankenreich als geistiges, religiöses und politisches Zentrum eine entscheidende Rolle in Europa gespielt. Die Benediktinerabtei war eines der bedeutendsten Klöster im mittelalterlichen Frankenreich. Gegründet wurde sie im Jahr 822 von Ludwig dem Frommen, Sohn von Kaiser Karl dem Großen. Die Civitas Corvey bezeichnet den archäologisch nachgewiesenen Klosterbezirk. Bis heute erinnert das nahezu original erhaltene Westwerk (ein dem Kirchenraum vorangestellter, eigener Gebäudeteil) mit den beiden flankierenden Türmen an Prachtentfaltung und Machtanspruch der Erbauer und überragt mit seinem rötlichen Mauerwerk die langgestreckten weißen Gebäude der übrigen Klosteranlage. Diese war nach einem verheerenden Brand im Stil einer barocken Schlossanlage wieder aufgebaut worden. Als Attraktion gilt die Fürstliche Bibliothek, die mit einem Bestand von 74 000 Bänden zu den größten Privatbibliotheken Deutschlands gehört. Auch einen prominenten Schlossbibliothekar hat Corvey vorzuweisen: Von 1860 bis 1874 arbeitete in der Bibliothek August Hoffmann von Fallersleben, der Dichter des Deutschlandliedes.
Kölner Dom, Nordrhein-Westfalen (Welterbe seit 1996) Er gehört zu den beliebtesten und meistbesuchten Gotteshäusern weltweit, nicht nur, weil der Kölner Dom ein Gebäude der Superlative ist: Bei seiner Fertigstellung im Jahr 1880 war er das höchste Gebäude der Welt. 157 Meter ragen die Türme in die Höhe, doch schon 1884 wurde der Dom vom Washington Monument in den USA mit 169 Metern übertroffen. Heute ist die "Hohe Domkirche St. Peter und Maria" immerhin noch das drittgrößte Gotteshaus weltweit, die Westseite bleibt mit etwa 7000 Quadratmetern die größte Fassade eines Sakralbaus. Genug Platz für die berühmten Fenster mit den farbigen Glasmalereien - das neueste kam im Jahr 2007 hinzu. Gestaltet wurde es nach einem Entwurf des Künstlers Gerhard Richter, so dass es statt "Südquerhausfenster" meist "Richter-Fenster" genannt wird. Die Fenster sind nicht die einzigen Schätze im Kölner Dom, dessen Architektur das Paradebeispiel einer hochgotischen Kathedrale ist. So zeigt das Gero-Kreuz aus dem Jahr 976 die erste erhaltene Monumentalfigur des gekreuzigten Christus. Und der Schrein der Heiligen Drei Könige ist die größte Goldschmiedearbeit des Mittelalters.
Wieskirche, Bayern (Welterbestätte seit 1983) Sie ist ein Kleinod des bayerischen Rokoko und ein Wallfahrtsort für Gläubige und auch Kunstsinnige aus der ganzen Welt. Benannt wurde die "Wallfahrtskirche zum gegeißelten Heiland auf der Wies" in Steingaden nach dem Kernstück des Baus: der Figur des leidenden Christus. Diese aus nicht ganz passenden Teilen zusammengestückelte Statue wollte zunächst niemand wirklich haben. Zwar war sie 1732 noch bei Karfreitagsprozessionen mitgetragen worden, doch fand man ihr Aussehen zu armselig und stellte die Statue erst in der klösterlichen Kleiderkammer von Steingaden ab und überließ sie dann dem Klosterwirt, der sie weiter verkommen ließ. Schließlich erbat sich die Bäuerin Maria Lori vom nahen Wißhof den ramponierten Heiland für ihren Hergottswinkel. Am 14. Juni 1738 erblickte das Ehepaar Lori beim Gebet Tränen im Antlitz des Gegeißelten. Als sich dies herumsprach und angeblich erste Gebete erhört wurden, kam die Wallfahrt unaufhaltsam in Gang. Nahe dem Haus der Familie wurde eine kleine Kapelle gebaut, die noch heute am Parkplatz steht. Für den Ansturm war die Kapelle zu klein, so dass die Wieskirche von 1745 an von den Brüdern Johann Baptist und Dominikus Zimmermann errichtet wurde. Letzterer konnte sich von seinem Meisterwerk nicht trennen, er lebte bis zu seinem Tod in einem Haus nahe der Wieskirche. Heute besuchen jährlich etwa eine Million Menschen aus aller Welt das Gotteshaus auf der Wiese im Pfaffenwinkel.
Kaiserdom in Aachen, Nordrhein-Westfalen (seit 1978 Welterbestätte) Karl der Große wollte seinem Namen Ehre machen und wahrhaft Großes errichten: Im Jahr 786 befahl er den Bau seiner Marienkirche (Pfalzkapelle). Doch nicht nur der Kaiser war an der Entstehung des Oktogons (Kuppelbau in der Bildmitte) beteiligt, sondern der Legende nach auch der Teufel. Als nämlich den Aachenern das Geld ausging, versprachen sie ihm die Seele des Lebewesens, das zuerst den fertiggestellten Dom betreten sollte. So floss wieder Gold und Geld, und der Teufel hoffte auf die Seele eines hohen Geistlichen. Doch die Aachener trieben einen Wolf in die Marienkirche. Vor Wut soll der Teufel die Bronzetür derart heftig zugeschlagen haben, dass sein Daumen abriss - und noch heute im rechten Flügel der "Wolfstür" steckt. Bei der Pfalzkapelle blieb es nicht - der Raum reichte schlicht nicht für die Krönungszeremonien: 600 Jahre lang erhielten hier vom Jahr 936 an deutsche Könige ihre Krone und bestiegen danach den Thron im Obergeschoss gegenüber dem Chor. Die Kapelle wurde um das "Glashaus" erweitert, einem einschiffigen Chor mit mehr als tausend Quadratmetern Glasfläche. Ringsherum wurden Seitenkapellen sowie der Westturm angefügt. Der gesamte Domkomplex von Aachen war 1978 das erste deutsche Denkmal, das auf die Unesco-Liste gesetzt wurde - weltweit war der Aachener Dom unter den ersten zwölf.
Kaiserdom zu Speyer, Rheinland-Pfalz (Welterbe seit 1981) Von Kaisern wurde der Dom erbaut, und Kaiser fanden hier ihre letzte Ruhe: Das romanische Bauwerk ist eines der größten und bedeutendsten in Deutschland. Im Jahr 1030 hatte Kaiser Konrad II. aus dem fränkischen Geschlecht der Salier den Befehl zur Errichtung der Kirche gegeben, 31 Jahre später wurde sie geweiht. Aus dem Grundriss eines lateinischen Kreuzes wächst der Dom in die Höhe, ein Markenzeichen sind die vier Türme an den Ecken des Lang- und des Querhauses. Die mächtige dreischiffige Gewölbebasilika der Domkirche St. Maria und St. Stephan wurde zum Vorbild für zahlreiche andere romanische Bauten im 11. und 12. Jahrhundert. Die Krypta, größte romanische Säulenhalle Europas, ist bis heute unverändert erhalten. Hier ruhen acht deutsche Kaiser und Könige, vier Königinnen und zahlreiche Bischöfe. Funde aus den Gräbern, darunter Grabkronen, werden als Teil des Domschatzes ausgestellt. Ein für Delinquenten einstmals wichtiger Ort steht vor dem Tor: Am Domnapf (im Bild vorne) endete der Einfluss der freien Reichsstadt und begann die Dom-Immunität. Gesetzesbrecher, die es bis zum Domnapf schafften, durften nicht mehr belangt werden - hier galt bischöfliches Recht. Ein neuer Bischof musste zudem den Domnapf bei Amtsantritt mit Wein füllen, jeder Bürger durfte daraus schöpfen - der "Napf" fasst 1580 Liter.
Luthergedenkstätten in Wittenberg und Eisleben, Sachsen-Anhalt (seit 1996 auf der Unesco-Liste) Hier war die Keimzelle der Reformation: 1517 nagelte Martin Luther seine 95 Thesen gegen den Ablasshandel an das Holzportal der Schlosskirche in Wittenberg. Der Maler und Buchdrucker Lucas Cranach der Ältere erkannte das Potential der Schrift, ließ sie drucken und veröffentlichen - und setzte so den Wandel mit in Gang. Auch die von Luther übersetzte deutsche Bibel druckte Cranach als Erster 1522. Der dritte Vordenker der Reformation in Wittenberg war Philipp Melanchton: Kurfürst Johann Friedrich ließ dem Universitätsprofessor ein eigenes Haus errichten, um ihn in Wittenberg zu halten: das Melanchthonhaus ist heute Teil der Unesco-Welterbestätte, dazu zählen auch ...
... Luthers Sterbe- und sein Geburtshaus (im Bild) in Eisleben sowie Schloss- und Stadtkirche in Wittenberg und das dortige Wohnhaus des Reformators. In dem früheren Augustinerkloster ist heute das weltgrößte Museum zur Reformationsgeschichte untergebracht - hier steht sogar die Kanzel, von der aus Luther einst in der Stadtkirche predigte.
Kloster Lorsch, Hessen (Welterbestätte seit 1991) Es war eines der größten und bedeutendsten Klöster in Mitteleuropa: 764 gegründet, erstreckten sich die Besitzungen des Klosters Lorsch in seiner Hochzeit von der Nordseeküste der heutigen Niederlande bis in die Schweiz. 1621 verwüsteten spanische Truppen im Zuge des Dreißigjährigen Krieges die Klosteranlage, die der gesamten Region fortan als Steinbruch diente. Übrig blieb die Königshalle, deren prachtvolle Verzierung an die einstige Größe des Klosters erinnert. Welche Funktion diese Torhalle hatte, ist nicht überliefert. Doch sie ist eines der wenigen vollständig erhaltenen Bauwerke aus der Zeit der Karolinger. Im Mittelalter galt Lorsch mit seiner umfangreichen Bibliothek als Zentrum des Wissens: Eines der bekanntesten Manuskripte ist das "Lorscher Arzneibuch" - eine der Grundlagen für die Lehren der Medizin in Europa.
St. Michaelis und der Mariendom in Hildesheim, Niedersachsen (Welterbe seit 1985) Dass Hildesheim nicht nur eines, sondern zwei herausragende Gotteshäuser hat, die der Welt erhalten bleiben sollen, verdankt die Stadt vor allem einem Mann: Bischof Bernward (993 bis 1022). Er ließ die Michaeliskirche als seine Grabkirche errichten. Auch den bestehenden Mariendom prägte Bernward: Berühmt sind Domschatz, Christussäule und die bronzene Bernwardtür (im Bild). Die jeweils 1,85 Tonnen schweren Flügel wurden aus einem Stück gegossen - im Jahr 1015 eine Meisterleistung. Die Tür ist mit Szenen aus dem Buch Mose und dem Leben Jesu geschmückt, das hier auf Geburt, Passion und Auferstehung verkürzt ist. Ergänzt wird die Tür daher von der bronzenen Christussäule, deren Halbplastiken weitere Stationen von der Taufe im Jordan bis hin zum Einzug nach Jerusalem zeigen. Ein weiteres Argument für den Welterbetitel ist die bemalte Holzdecke aus dem 13. Jahrhundert in St. Michaelis: Auf der Flachdecke ist der Stammbaum Christi aufgemalt - das einzige monumentale Tafelgemälde aus dem Mittelalter, das bis heute erhalten ist. Da der Dom für das Bistumsjubiläum 2015 saniert wird, ist er bis August 2014 nicht zugänglich. Die bedeutendsten Kostbarkeiten wurden jedoch ausgelagert, so dass die Christussäule nun in St. Michaelis und die Bernwardtür im Roemer- und Pelizaeus-Museum zu sehen sind.
Kloster Maulbronn, Baden-Württemberg (Welterbe seit 1993) Hier gingen Johannes Kepler, Friedrich Hölderlin und Hermann Hesse zur Schule: 1556 wurde die Abtei in eine evangelische Klosterschule umgewandelt. 400 Jahre zuvor war mit dem Bau der Zisterzienserabtei begonnen worden, 1178 wurde die dreischiffige romanische Basilika der Muttergottes geweiht. Heute gilt Maulbronn als am vollständigsten erhaltene Klosteranlage nördlich der Alpen. "Bis heute vermittelt die Geschlossenheit der Anlage ein fast unverfälschtes Bild eines mittelalterlichen Klosters", urteilte die Unesco-Kommission. Die Suche nach einem geeigneten Platz für das Kloster soll der Legende nach allerdings eine rechte Eselei gewesen sein: Die Mönche hätten ein Maultier mit einem Geldsack beladen, ihm einen Segensspruch und einen Stockhieb mitgegeben und seien dem davontrottenden Tier gefolgt. Dass es stehenblieb, um an einer Quelle seinen Durst zu löschen, nahmen die Mönche als göttliches Zeichen. An die Geschichte erinnern Namen und Wappen von Maulbronn sowie die Darstellung eines trinkenden Maultieres in der Brunnenkapelle.
Klosterinsel Reichenau, Baden-Württemberg (Welterbe seit 2000) Auf der größten Insel im Bodensee gründete der Wanderbischof Pirmin im Jahr 724 ein Benediktinerkloster, drei romanische Kirchen wurden errichtet: der Münster St. Maria und Markus und die beiden Kirchen St. Peter und Paul sowie St. Georg. Bis zum 11. Jahrhundert entwickelte sich das Kloster zu einem geistigen Zentrum des Abendlandes - die Wandmalereien zeugen von seiner Bedeutung in der europäischen Kunst. Bis heute gehören weltweit einmalige religiöse Feste und Prozessionen zum Inselleben. Die Kulturlandschaft der Insel prägten die Mönche getreu ihrem Leitspruch "ora et labora", bete und arbeite - und das von Anfang an. Nach der Legende war die überwucherte Insel, die Pirmin zum Standort des Klosters wählte, dicht besiedelt - von Schlangen, Kröten und Insekten. Doch dort, wo Pirmin das erste Mal seinen Fuß auf die Insel gesetzt hatte, soll eine Quelle entsprungen sein. Das Ungeziefer floh von der Insel und der Heilige und seine Helfer machten die Insel für die Menschen nutzbar.
Dom und Liebfrauenkirche sowie römische Baudenkmäler in Trier, Rheinland-Pfalz (Welterbe seit 1986) In der ältesten Stadt Deutschlands steht die älteste Bischofskirche Deutschlands, der Trierer Dom. Mit der benachbarten Liebfrauenkirche vermischen sich auf engem Raum römische, salische, romanische und gotische Stile miteinander. Überbleibsel des einstigen römischen Kaiserstadt ist neben Thermen und dem Amphitheater unter anderem das Wahrzeichen der Stadt, die 1800 Jahre alte Porta Nigra. Gegründet wurde Trier im Jahr 16 vor Christus als "Augusta Treverorum", 400 Jahre währte die römische Epoche. Die Verbindung von weltlichen Bauten mit christlichen Gebäuden ist in Trier einzigartig, unter anderem fand man unter dem heutigen Dom Teile einer gemalten Decke, auf der wohl Mitglieder der kaiserlichen Familie dargestellt sind. Auch ein anderer, umstrittener Schatz wird im Dom gehütet: Der Heilige Rock soll Teile der Tunika von Jesus enthalten. Nur zu Wallfahrten wird der Heilige Rock gezeigt.