Reisebuch "Abenteuer Watzmann":"Auch nur ein Steinhaufen"

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Der Watzmann ist Werbeträger für Milch, eine Therme und den Tourismus im Berchtesgadener Land. Ein Bildband zeigt: So lieblich ist der Berg nicht.

Rezension von Stefan Fischer

Wen würde es wundern, wenn Franz Rasp mit diesem Berg über Kreuz läge. Doch er ist in den Watzmann vernarrt, anders kann man seine Worte nicht deuten. Er schwärmt davon, welches großartige Erlebnis es jedes Mal aufs Neue sei, die legendäre Ostwand zu durchsteigen. Beziehungsweise "wie der Einheimische voller Understatement sagt: sie zu gehen", so schreibt der Berchtesgadener im Vorwort des Buches "Abenteuer Watzmann".

Man darf diese lapidare Ausdrucksweise nicht als Hochmut missdeuten. Rasps Vater, so schreibt der Sohn, habe die Ostwand ebenfalls geliebt, vor allem habe er sie respektiert - wie könnte es anders sein nach rund 300 Durchsteigungen. Auch wenn er das anspruchsvoll zu besteigende Massiv gern mal als "auch nur ein Steinhaufen" bezeichnet habe. Als Franz Rasp 15 Jahre alt war, ist der Vater in der Wand tödlich abgestürzt.

Die Autorin Kathrin Thoma-Bregar und der Fotograf Klaus Fengler, die den Bildband "Abenteuer Watzmann" herausgegeben haben, stecken mit Franz Rasps Gastbeitrag gleich zu Beginn sehr bewusst das Feld ab: Der Watzmann ist längst Werbeträger, er ziert die Verpackungen von Milchprodukten, dient einer Therme als Namensgeber und ist speziell im Tourismus ein probates Lockmittel.

Er hat mit der Lieblichkeit des Berchtesgadener Landes allerdings nichts zu schaffen. Der Königssee, der über eine Bergbahn gut erschlossene Jenner, der Hintersee bei Ramsau, von dem das Klausbachtal nach Süden hin abgeht - all das sind Orte, die die Menschen mitten hinein ins Gebirge bringen, allerdings weitgehend gefahrlos. Dazwischen jedoch stehen Berge, obschon keine 3000 Meter hoch, die es in sich haben, der Hochkalter etwa und, vor allem, der Watzmann.

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Mehr Panorama als diese zweitägige Watzmann-Überschreitung vom Königssee aus bieten nur wenige Bergtouren. Nur den Abstieg würde man sich gern sparen.

Von Carolin Gasteiger

Thoma-Bregar und Fengler widmen dem Watzmann einen ganzen Band. Fenglers Fotografien dokumentieren das gesamte Spektrum: Wie sich dieser Berg scheinbar nahbar in die Tourismus- und Naherholungs-Landschaft fügt, wie er aber, wenn man diesen Gebirgsstock tatsächlich betritt, schnell schroff und abweisend wirkt. Wer den Watzmann besteigt - und das muss beileibe nicht über eine Ostwand-Kletterei der Fall sein - befindet sich schnell im Hochgebirge, in ausgesetztem Gelände. Der Watzmann erfordert bergsteigerische Erfahrung und Routine.

Die Schönheit dieses Berges ist reizvoll, und die Panoramen, die er bietet, sind es ebenso. Denn egal, wo auf dem Gipfelgrat man ist, erblickt man stets die bizarren Formationen von mindestens zwei, drei Haupt- und Nebengipfeln. Dazu die Ausblicke hinunter auf den Königssee oder hinein ins Steinerne Meer.

Kathrin Thoma-Bregar konzentriert sich in ihren Texten auf Menschen - auf Sennerinnen, Bergsteiger, Wildbiologen. Die Intensität der Fotografien erreicht sie in ihren Schilderungen nicht, zu zahm, zu distanziert sind die Texte tendenziell. Es scheint, als zielten sie vor allem auf ein Publikum, das den Berg lieber vom Tal aus bewundert und sich bestenfalls bis zu der über eine Forststraße zu erreichenden Schapbachalm oder per Bootsausflug bis zum Röthbachfall am Obersee in den Nationalpark Berchtesgaden vorwagt.

In Summe ist "Abenteuer Watzmann" dennoch wuchtig und imposant. Und wird diesem Berg weitgehend gerecht, weil sowohl die rauen wie die sanfteren Seiten angemessen zur Geltung kommen und sich der Band nicht in einem Spezialistentum verliert.

Kathrin Thoma-Bregar, Klaus Fengler: Abenteuer Watzmann. Bruckmann-Verlag, München 2021. 192 Seiten, 39,99 Euro.

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