Antisemitisches Pamphlet:Zentralrat der Juden verurteilt antisemitisches Flugblatt

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Der Präsident des Zentralrats der Juden (hier auf einem Bild von März 2023) betont, das Flugblatt dürfe "nicht einfach als Jugendsünde abgetan werden". (Foto: Emmanuele Contini/Imago)

Josef Schuster nennt den Inhalt des Schreibens, das zu Schulzeiten Hubert Aiwangers in seiner Schultasche gefunden wurde, "heute nicht minder verwerflich". Stiftungsdirektor Freller sieht noch Fragen offen.

Der Präsident des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, hat sich am Sonntagvormittag zu der Debatte um ein antisemitisches Flugblatt geäußert, das zu Schulzeiten von Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger in dessen Schultasche entdeckt worden war. Aiwanger wurde SZ-Recherchen zufolge dafür vom Disziplinarausschuss der Schule bestraft und hat das inzwischen auch eingeräumt; produziert habe er es allerdings nicht selbst. Der Text des Flugblattes sei auch heute zu verurteilen, erklärte Schuster in seinem Statement. Er sei "heute nicht minder verwerflich, da er die Millionen Opfer der Schoa auf abscheuliche Weise verunglimpft".

"Inwiefern Hubert Aiwanger für die Verbreitung zumindest mitverantwortlich ist, wird in Gänze nicht aufzuklären sein", schreibt Schuster. Die Diskussion darüber sei "erkennbar politisch". Das Flugblatt dürfe aber auch "nicht einfach als Jugendsünde abgetan werden, da es die für unser Land so wichtige Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus regelrecht mit Füßen tritt". Schuster betont, dass es ihm wichtig sei, "dass der Inhalt des Flugblattes scharf verurteilt wird". Insbesondere weil die Erinnerungskultur heute von rechts außen wieder radikal bekämpft werde.

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Bayerns stellvertretender Ministerpräsident äußert sich zu dem Vorwurf, in seiner Jugend ein rechtsextremistisches Pamphlet verfasst zu haben. Ein Gutachten legt nahe, dass es auf derselben Schreibmaschine geschrieben wurde wie Aiwangers Facharbeit. Nun sagt dessen Bruder, er sei es gewesen, der das Flugblatt verfasst habe.

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Auch Karl Freller, der Direktor der Stiftung Bayerische Gedenkstätten und CSU-Vizepräsident des Bayerischen Landtags, nannte das Flugblatt "unsäglich" und "eine Verunglimpfung der Opfer des Nationalsozialismus. Der Inhalt sei "durch nichts entschuldbar".

Für ihn seien noch etliche Fragen offen, sagte Freller, auch wenn am Samstagabend Helmut Aiwanger, der Bruder des Wirtschaftsministers, in der Passauer Neuen Presse (PNP) erklärt hatte, dass er - und nicht sein Bruder Hubert - damals der Verfasser des Papiers gewesen sei. Die beiden Brüder besuchten demnach im Schuljahr 1987/88 die gleiche Klasse am Gymnasium Mallersdorf-Pfaffenberg. "Ich war damals total wütend, weil ich in der Schule durchgefallen bin und aus meinem Kameradenkreis herausgerissen wurde", erklärte Helmut Aiwanger, deswegen habe er das Schreiben verfasst.

Das Flugblatt klinge für ihn "nach einem Plan", sagte Freller, nicht nach einer Verärgerung wegen Durchfallens. "Was war davor und was war danach", sagte Freller. Er wolle nicht den Stab über Aiwanger brechen, aber es seien längst noch nicht alle Fragen geklärt. "Verfassen ist das eine", sagte Freller, "aber verteilen ist nicht weit davon entfernt."

Minister Hubert Aiwanger selbst hatte am Samstag eingeräumt, es seien "ein oder wenige Exemplare" der Hetzschrift damals in seiner Schultasche gefunden worden, wie die SZ zuvor berichtete. Weshalb er die Flugblätter in seiner Tasche hatte, teilte Aiwanger nicht mit. Ob er "einzelne Exemplare weitergegeben habe", sei ihm "heute nicht mehr erinnerlich". Er sei daraufhin zum Direktor einbestellt, ihm sei mit der Polizei gedroht worden und er habe eine Strafe erhalten. Diese habe er "unter Druck" akzeptiert. Den Inhalt des Flugblatts hatte er in derselben Mitteilung als "ekelhaft und menschenverachtend" bezeichnet.

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