Wikileaks:Trump und Assange - zwei seltsame Freunde

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In den Berichten der Sicherheitsfirma UC Global wird Julian Assange als "der Gast" bezeichnet, die Botschaft nennen sie "das Hotel". (Foto: Steffi Loos / AFP)
  • Wikileaks-Gründer Julian Assange wird derzeit von Donald Trump und seinen Gefolgsleuten gefeiert.
  • Er hat im US-Wahlkampf E-Mails aus dem Clinton-Lager geleakt, von denen manche glauben, dass sie Trump den Wahlsieg gebracht haben.
  • Selbst Sarah Palin hat sich jetzt bei Assange für frühere Angriffe entschuldigt.

Von Thorsten Denkler

Eine Stunde auf Fox News, beste Sendezeit. Und hinterher Anerkennung vom gewählten US-Präsidenten Donald Trump auf dessen Lieblings-Verbreitungsplattform Twitter: Julian Assange wird offenbar wieder gehört in der Welt.

Seit er auf seiner Enthüllungsplattform Wikileaks in der Schlussphase des US-Wahlkampfes zigtausende vermeintlich belastende E-Mails des demokratischen Wahlkampf-Chefs John Podesta veröffentlicht hatte, ist Assange der Held vieler Republikaner. Er ist jetzt der Mann, der dem amerikanischen Volk die Augen geöffnet hat über Hillary Clinton und ihre angeblich korrupten Machenschaften. Ein Held für manche. Einige Beobachter glauben sogar, mit dieser Enthüllung sei die Wahl für Clinton verloren gewesen.

Assange scheint sich in der Rolle des Weltenbewegers zu gefallen. Für den so konservativen wie mächtigen US-Sender Fox News ließ er sich jetzt eine Stunde lang befragen. Exklusiv in seiner Notunterkunft, der Botschaft von Ecuador in London. Er harrt dort seit August 2012 aus, um einer Auslieferung nach Schweden zu entgehen, wo wegen Vergewaltigungsvorwürfen gegen ihn ermittelt wird.

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Befragt hat ihn der erzkonservative Moderator Sean Hannity für seine gleichnamige Polit-Sendung. Hannity ist ein Trump-Fan. Er hat Trump in seiner Sendung ausschweifend zu Wort kommen lassen. Und zwar so sehr, dass ihm das Kritik seiner eigenen Sender-Kollegen eingebracht hat.

"Ich verberge nicht, dass ich mir Donald Trump als nächsten Präsidenten der Vereinigten Staaten wünsche", sagte Hannity im Wahlkampf. Und die journalistische Unabhängigkeit? "Ich habe nie behauptet, ein Journalist zu sein."

Assange wird also gewusst haben, wen er vor sich hat. Hannitys Mission ist eindeutig: Er will mit Assanges Hilfe Trump reinwaschen von dem versteckten Vorwurf, die Russen hätten ihm zuliebe die Podesta-Mails gehackt und dann an Wikileaks weitergeleitet.

Dass womöglich die russische Regierung hinter dem Hack steht, wird von der US-Regierung kaum noch in Zweifel gezogen. Die Geheimdienst-Informationen würden darauf hindeuten. Präsident Barack Obama hat deshalb 35 russische Diplomaten des Landes verweisen.

Auch die Chefs der amerikanischen Geheimdienste haben russische Hacker als ernste Bedrohung für die USA bezeichnet. Russland verfüge über ein "hoch entwickeltes, offensives Cyberprogramm", hieß es in einer gemeinsamen Erklärung vor dem Senat.

In diesem Umfeld gibt Assange dem Trump-Freund Hannity das, was er will. Hat also Wikileaks die Podesta-Mails vom russischen Staat bekommen? "Nein, das ist absolut falsch", sagt Assange. Die Quelle sei auch kein Staat. Es gebe dafür auch keine Beweise. Und: "Es gibt nur einen in der Welt, der genau weiß, wie das gelaufen ist. Und das bin ich."

Im Übrigen hätte ein 14-Jähriger den Mail-Account von Podesta knacken können, so schwach sei der gesichert gewesen. Ein Seitenhieb gegen den Demokraten, den Trump gerne in einen seiner drei Tweets zum Assange-Auftritt aufnimmt.

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Assange sagt, was Hannity hören will: Dass die liberalen US-Medien unehrlich gewesen seien. Dass das sogenannte Establishment in Washington nicht wollte, dass Trump die Wahl gewinnt. Dass die von Wikileaks veröffentlichten Podesta-Mails viele US-Bürger zu dem Schluss gebracht haben, sie mögen diese Clinton-Leute nicht. Später sagt Hannity über Assange: "Ich glaube ihm jedes Wort."

Dafür kann sich Assange als Kämpfer für Transparenz und das Recht auf Wissen präsentieren. Ein Mann, dessen einzige politische Agenda es sei, die Wahrheit ans Licht zu bringen.

Dafür wird er gefeiert. Selbst die Tea-Party-Mitgründerin Sarah Palin steht jetzt hinter Assange. Den hatte sie 2010 noch übel angegriffen. Assange solle gejagt werden wie Osama bin Laden, er sei ein Anti-Amerikaner, an seinen Hände klebe Blut.

So schrieb Palin über Assange, weil Wikileaks 2008 - wie sie jetzt schreibt - "unrühmliche" aber "relativ langweilige" Mails aus ihrem Postfach veröffentlicht hatte. Palin wollte damals an der Seite des Republikaners John McCain Vizepräsidentin werden. Jetzt schreibt sie mit Verweis auf das Interview mit Sean Hannity auf Facebook: "An Julian Assange: Ich entschuldige mich."

Allerdings: Assange springt nicht über jedes Stöckchen, das Hannity ihm hinhält. Ob Obama das amerikanische Volk anlügt, wenn er die russische Regierung als verantwortlich für den Hackerangriff hinstellt, will er wissen. Assange gibt darauf keine klare Antwort: Obama verhalte sich eben wie ein Anwalt, der sich nicht festnageln lasse. Er spiele ein Spiel, um Trumps Wahlsieg als illegitim hinstellen zu können. Mehr nicht.

Aber ist es nicht so, dass die Podesta-Mails ein System der Korruption im Umfeld der Clintons offenbart hätten? Auch da geht Assange nicht mit. Korruption habe etwas mit Geld zu tun. Und ob Geld geflossen sei um ein bestimmtes Verhalten der Clintons oder der Demokraten zu erkaufen, könne er nicht sagen. Wohl aber, dass es ein System gegeben habe, in dem der eine dem anderen helfe. Eine Hand wasche die andere.

Hannity ist mit der Antwort nicht wirklich zufrieden. Das von Assange beschriebene Prinzip dürfte auch unter Republikanern weit verbreitet sein.

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Assange jetzt als Helden zu feiern, könnte sich deshalb noch als Bumerang für Trump und seine Gefolgsleute erweisen. Assange, ein früherer Computer-Programmierer und Journalist, hat Wikileaks 2006 gegründet. Große Aufmerksamkeit erhielt er im Jahr 2010. Damals veröffentlichte er Tausende von geheimen Pentagon-Akten, die das Vorgehen der USA im Irak-Krieg beschrieben. Darunter auch ein Video, das zeigt, wie von einem Hubschrauber aus auf zwei Reuters-Journalisten geschossen wird. Verantwortlich als US-Präsident war der Republikaner George W. Bush.

Im gleichen Jahr veröffentlichte Wikileaks 250 000 vertrauliche Kabelberichte von US-Botschaften an das US-Außenministerium. Mit zum Teil haarsträubend peinlichen Beschreibungen ausländischer Politiker.

Schon deshalb sind heute nicht alle Republikaner gut auf Assange zu sprechen. Auf CNN sagte der republikanische Senator Lindsey O. Graham: "Heute sind es die Demokraten, morgen kann es die Republikaner treffen." Und: "Niemand sollte sich darüber freuen, wenn eine ausländische Macht sich in unser politisches System hackt, um Einfluss auf unsere Wahlen zu nehmen. Und das ist, was die Russen getan haben." Egal, was Assange dazu sagt.

Assange sagt übrigens, er hätte die Mails auch veröffentlicht, wenn sie das Trump-Lager getroffen hätten. Wer weiß, vielleicht wird er in Zukunft dazu Gelegenheit bekommen. Dann wird er wahrscheinlich schnell merken, dass die neuen Bande mit den Trump-Freunden äußerst fragil sind. Und Sarah Palin wird sich womöglich gezwungen sehen, ihre Entschuldigung zurückzunehmen.

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