Klimawandel:Die Erde erwärmt sich schneller als erwartet

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Staubtrockene Erde: Argentinien ist von einer extremen Dürre betroffen. (Foto: Luis Robayo/AFP)

Die bisherigen Maßnahmen zum Klimaschutz reichen nicht aus, um die Erderwärmung zu stoppen, bilanziert der Weltklimarat IPCC. Das sei aber kein Grund, aufzugeben.

Von Michael Bauchmüller und Christoph von Eichhorn, Berlin/München

Es klingt nach nicht viel. Um 1,09 Grad Celsius hat sich die Erde im Vergleich zur zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts erwärmt. Doch dieser Anstieg führt schon jetzt dazu, dass große Teile des Planeten von mehr Hitzewellen, heftigeren Regenfällen und länger anhaltenden Dürren betroffen sind, oder dass vielerorts das Wasser knapp wird. Und all das könnte nur ein Vorgeschmack sein. Denn wie der Weltklimarat (IPCC) in seinem nun veröffentlichten "Synthesebericht" schreibt, reichen die bisherigen Klimaschutz-Bemühungen nicht aus, um die Erderwärmung wirksam zu begrenzen. Schon "in naher Zukunft", das heißt spätestens bis zum Jahr 2040, dürfte die Erderwärmung demnach die Marke von 1,5 Grad Celsius überschreiten.

Dabei sollte der Temperaturanstieg möglichst unterhalb dieser Schwelle bleiben, so hatte es die Weltgemeinschaft 2015 im Pariser Klimavertrag vereinbart. Doch seitdem sind die Treibhausgas-Emissionen, die den Klimawandel antreiben, nicht gefallen, sondern sogar gestiegen. Bliebe es beim derzeitigen Kurs, könnte sich die Erde bis 2100 um 3,2 Grad im Vergleich zur vorindustriellen Zeit erhitzen. Und jedes Zehntelgrad Erwärmung bedeute weiter eskalierende Risiken, warnen die 93 Autoren - etwa Extremwetter oder Dürren.

Bisher erreichen die meisten Staaten nicht einmal ihre selbstgesteckten Ziele

Der Synthesebericht führt die Berichte der IPCC-Arbeitsgruppen zusammen, etwa zu physikalischen Grundlagen des Klimawandels und zu seinen Auswirkungen. Er fußt auf geschätzt 80 000 Einzelstudien und bildet damit den aktuellen Sachstand zum Klimawandel ab, auch als Grundlage für die Politik. "Wir müssen anfangen, uns ernsthaft mit der Welt jenseits von 1,5 Grad Temperaturanstieg zu beschäftigen, weil wir auf diese zusteuern. Das sagt der Synthesebericht recht deutlich", sagt Oliver Geden von der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP), Mitglied des Kernautorenteams. Das bedeute aber nicht, "dass wir uns davon paralysieren lassen sollen oder dürfen". Auch jenseits der 1,5 Grad müsse es darum gehen, den Anstieg zu stoppen und das Klimasystem zu stabilisieren. "Und das bedeutet, dass wir auf Netto-Null-Emissionen müssen."

Jedoch erreichen die meisten Staaten nicht einmal die selbst gesteckten Klimaziele - eine Feststellung, die auch Folgen für die nächste UN-Klimakonferenz haben wird. In Abu Dhabi steht Ende des Jahres die erste globale Bestandsaufnahme an - eine Abrechnung über Soll und Haben, die das Pariser Abkommen alle fünf Jahre vorsieht. Der IPCC-Bericht müsse nun "die Basis für mehr Ambitionen" beim Klimagipfel sein, forderte EU-Vizepräsident Frans Timmermans. Auch Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) sieht darin einen Weckruf. "Mit brutaler Klarheit" mache er deutlich, "dass wir an dem Ast sägen, auf dem wir als Weltgemeinschaft sitzen", sagte sie. Die 1,5 Grad seien "die Schmerzgrenze des Planeten". Allerdings mangele es nicht an Wissen, Technologien und Geld, sie noch zu halten.

Nach Auffassung von Umweltverbänden fehlt es dagegen am Willen. Nabu-Präsident Jörg-Andreas Krüger warf der Bundesregierung vor, sie stelle "Partikularinteressen der Gegenwart über die Idee einer lebenswerten Zukunft". Die Klima-Allianz Deutschland forderte Kanzler Olaf Scholz auf, den Klimaschutz zur Chefsache zu machen. "Der wissenschaftliche Konsens ist deutlich", sagte Klima-Allianz-Chefin Christiane Averbeck. "Um die Welt vor einer Klimakatastrophe zu bewahren, muss die Zeit des fossilen Zeitalters enden - und zwar jetzt."

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