Aufstand in Libyen:UN verhängen Sanktionen gegen Gaddafi-Clan

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Die Weltgemeinschaft reagiert auf die brutale Niederschlagung der libyschen Proteste - und verhängt ein Waffenembargo sowie Reiseverbote gegen die Spitze von Muammar al-Gaddafis Regime. Die Bundeswehr schickt unterdessen Flugzeuge und Soldaten, um EU-Bürger aus Libyen auszufliegen.

Der UN-Sicherheitsrat reagiert scharf auf die Kämpfe in Libyen. Auf einer Sondersitzung hat er Sanktionen gegen das Regime in Tripolis verhängt. Die Vertreter der 15 Mitgliedsstaaten stimmten geschlossen für ein Waffenembargo, Reisebeschränkungen für führende Mitglieder der libyschen Regierung. Das Auslandsvermögen der Gaddafi-Familie soll eingefroren werden.

Demnach sollen die Konten des Staatschefs Muammar al-Gaddafi und seiner fünf erwachsenen Kinder gesperrt werden. Zudem wurden Reiseverbote für die gesamte Familie und zehn führende Mitglieder des Regimes verhängt. Der UN-Sicherheitsrat erklärte außerdem den Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag für zuständig, die Ermittlungen über die blutige Niederschlagung der Proteste aufzunehmen. In den vergangenen Tagen hatte es immer wieder Berichte über Gräueltaten von Gaddafis Sicherheitskräften gegeben.

Der Sicherheitsrat verurteile die "systematische Verletzung der Menschenrechte, darunter die Unterdrückung friedlicher Demonstranten", hieß es in einer Stellungnahme. Die Mitglieder sprachen sich zudem gegen die "Anstiftung zu Feindseligkeit und Gewalt gegen die Zivilbevölkerung durch höchste Regierungsebenen in Libyen" aus.

Eine zuvor diskutierte Flugverbotszone über Libyen wurde vom UN-Sicherheitsrat nicht beschlossen. Auch eine militärische Intervention unter UN-Mandat ist nicht vorgesehen, ebenso wie ein Eingreifen der Nato in Libyen ebenfalls ausgeschlossen wird.

UN-Generalsekretär Ban Ki Moon begrüßte das einstimmige Votum des Sicherheitsrats. "Der Text macht deutlich, dass massive Menschenrechtsverletzungen nicht toleriert und die Verantwortlichen für schwere Verbrechen zur Rechenschaft gezogen werden", sagte Ban. "Ich hoffe, dass das Regime in Libyen diese Botschaft hört und beherzigt."

"Der Wind der Freiheit und des Wechsels"

Der deutsche UN-Botschafter Peter Wittig nannte die Resolution nach der Verabschiedung "eine klare Warnung an alle, die flagrante Menschenrechtsverletzungen begehen: Straflosigkeit wird jetzt nicht mehr toleriert". Insofern habe die Resolution "weit über diesen Tag hinaus Bedeutung", sagte er. Bundesaußenminister Guido Westerwelle kommentierte den Konsens in New York mit den Worten, es gebe in der internationalen Gemeinschaft keinen Platz für jemanden, der seine eigenen Leute umbringt.

Gerard Araud, der französische UN-Botschafter, lobte vor allem die Übertragung des Falls Libyen an den Internationalen Strafgerichtshof. "Der Wind der Freiheit und des Wechsels weht durch die arabische Welt.", sagte Frankreichs UN-Botschafter .

Proteste in Libyen
:Zwischen Jubel und Trauer

Der Osten Libyens steht nicht mehr unter der Kontrolle von Gaddafi. In Bengasi trauern die Menschen um die Opfer der Proteste, in anderen Städten im Osten feiern sie ihre Befreiung. In Bildern.

Auch ein ehemaliger Abgesandter Gaddafis freute sich über die UN-Entscheidung: Der libysche Vize-Botschafter bei der UN, Ibrahim Dabbaschi, hat die Sanktionen gegen Libyens Machthaber begrüßt. "Es versteht sich von selbst, dass diese Resolution eine moralische Unterstützung für die Menschen ist, die Widerstand leisten und auf die vom Regime gefeuert wird", sagte Dabbaschi, der sich von Gaddafi losgesagt hat, in seiner Rede vor dem Rat. Er bezeichnete die Führung als "faschistisches Regime".

In Libyen selbst verliert der Diktator offenbar immer mehr die Kontrolle über das Land: Gegner Gaddafis haben siene Kämpfer jetzt auch aus der drittgrößten Stadt des Landes verjagt. Regierungstreue Truppen und Milizen hätten Misurata verlassen, sagte ein Einwohner am Sonntag in einem Telefongespräch dem arabischen Fernsehsender al-Dschasira. Nur am Stadtrand gebe es noch vereinzelte Gefechte. Misurata liegt rund 200 Kilometer östlich von Tripolis am Mittelmeer und gilt als Wirtschaftszentrum. Die Opposition sagt, sie kontrolliere inzwischen den gesamten Osten des Landes. Gaddafi hat sich inTripolis im Stadtteil Bab al-Asisija verschanzt. Am Samstag hatten seine Truppen auch einige Stadtteile der Hauptstadt Tripolis aufgegeben. Loyale Milizen kontrollieren aber weiterhin die meisten Stadtteile der Hauptstadt , berichtete der arabische Fernsehsender al-Dschasira am Sonntag.

An dem Rettungseinsatz der deutschen Luftwaffe, bei dem am Samstag 132 Menschen aus Libyen ausgeflogen wurden, sollen auch bewaffnete Bundeswehrsoldaten beteiligt gewesen sein. Fallschirmjäger aus Seedorf seien an Bord der zwei Transall-Maschinen gewesen, die die ausländischen Staatsangehörigen von einem Flughafen nahe dem Ölfeld Nafurah in Sicherheit brachten, berichtete die Bild am Sonntag unter Berufung auf Regierungskreise. Diese Soldaten seien ähnlich wie das Kommando Spezialkräfte (KSK) für verdeckte Aktionen hinter feindlichen Linien ausgebildet, berichtet Spiegel Online.

Die Bundeswehr hatte zuvor mitgeteilt, dass die Menschen in Begleitung von Sicherungskräften auf die griechische Insel Kreta geflogen worden seien. Unter ihnen waren nach Angaben des Auswärtigen Amtes in Berlin dutzende Deutsche und andere EU-Bürger. Nach Schätzungen des Ministeriums befinden sich derzeit noch rund hundert Deutsche in Libyen, die Hälfte von ihnen im Landesinneren.

Die Bild am Sonntag berichtet außerdem, eine Gruppe Deutscher sei mit dem Auto von Tripolis nach Tunesien geflohen. Das Auswärtige Amt bestätigte demnach, dass die Deutschen von der tunesischen Insel Djerba aus nach Berlin geflogen seien.

© dapd/AP/dpa/AFP/jab - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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