Sicherheitspolitik:EU erleichtert Waffenkäufe für die Ukraine

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Mangelware: Munition an der Front in der Ukraine. (Foto: André Hirtz/Funke Foto Services/Imago)

Weil die europäischen Hersteller den Bedarf einfach nicht decken können, soll jetzt auch außerhalb Europas eingekauft werden dürfen. Frankreich hatte sich lange dagegen gewehrt.

Von Hubert Wetzel, Brüssel

Die EU will Waffenkäufe für die Ukraine erleichtern und ändert deswegen die Regeln für einen dafür verwendeten Förderetat. Die Botschafter der 27 Mitgliedsländer beschlossen am Mittwoch, dass die EU-Staaten künftig auch dann eine Teilerstattung ihrer Kosten für an die Ukraine abgegebenes Militärgerät bekommen können, wenn sie diese Waffen im außereuropäischen Ausland gekauft haben. Bisher konnten die Mitgliedsländer nur für Waffen und Munition Geld aus der sogenannten European Peace Facility (EPF) bekommen, wenn das an Kiew gespendete Material in einem EU-Staat oder Norwegen hergestellt worden war.

Für diese "Buy European"-Klausel hatte sich vor allem Frankreich starkgemacht. Die Regierung in Paris argumentierte, dass es nötig sei, der europäischen Rüstungsindustrie Aufträge zu verschaffen - zumal solche, die mit Mitteln aus einem EU-Budget kofinanziert werden -, damit die Produktionskapazitäten in Europa steigen. In der Realität hatte der Ausschluss außereuropäischer Lieferanten, etwa in Afrika oder Asien, jedoch dazu geführt, dass die Ukraine in den vergangenen Monaten deutlich zu wenig Waffen und Munition bekommen hat - die europäischen Hersteller können den Bedarf einfach nicht decken.

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Seit einigen Wochen verhandeln die EU-Regierungen daher über eine Aufweichung der "Buy European"-Regel. Frankreich hatte sich lange Zeit strikt dagegen gewehrt. Angesichts der dramatischen Lage, in der sich die ukrainische Armee befindet, stieg jedoch der Druck. Einige EU-Staaten, darunter Polen und die baltischen Länder, forderten, die Herkunftsklausel komplett zu streichen. Deutschland nahm eine Mittelposition ein. Die Bundesregierung teilt den französischen Wunsch nach einem forcierten Ausbau der europäischen Rüstungsindustrie. Zugleich betont Berlin, dass dieses mittel- und langfristige Vorhaben nicht mit dem kurzfristigen Ziel einer schnellen und effektiven Waffenhilfe für die Ukraine kollidieren solle.

Herausgekommen ist nun ein Kompromiss: Bei der Beschaffung von Militärgerät, das über die EPF abgerechnet wird, soll der europäischen Industrie lediglich "Priorität" eingeräumt werden. Entscheidend soll aber der ukrainische Bedarf sein. Wenn es für bestimmte Waffen in Europa keine ausreichenden Produktionskapazitäten gibt, um Kiew die notwendige Menge in einer akzeptablen Zeitspanne zu schicken, dürfen aus der EPF auch Lieferungen bezahlt werden, die außerhalb der EU in Auftrag gegeben wurden. In der Praxis wird sich das vermutlich zunächst bei Artillerie- und anderer Munition bemerkbar machen. Diese könnte dann von EU-Staaten in Ländern wie Südafrika oder Südkorea eingekauft, an die Ukraine übergeben und über die EPF abgerechnet werden.

Der Kompromiss zum "Buy European"-Prinzip macht den Weg frei für eine Aufstockung der EPF um weitere fünf Milliarden Euro. Auch darum war wochenlang gerungen worden. Deutschland müsste gemäß dem EU-Verteilungsschlüssel etwa ein Viertel dieses Betrags beisteuern, also um die 1,2 Milliarden Euro. Die Bundesregierung hat allerdings eine weitere Regeländerung durchgesetzt: Ihr Anteil an der EPF wird ungefähr mit der Hälfte der bilateralen Militärhilfe verrechnet, die Deutschland der Ukraine zukommen lässt. Wenn Deutschland also zum Beispiel in einem Kalenderjahr, in dem es eine Milliarde Euro zur EPF beitragen müsste, auf eigene Rechnung für zwei Milliarden Euro Waffen für die Ukraine kauft, sinkt der EPF-Anteil auf null.

In diesem Jahr sind im Bundeshaushalt mehr als sieben Milliarden Euro für Militärhilfe für die Ukraine vorgesehen. Diese Wahlmöglichkeit zwischen Zahlungen an die EPF oder einer etwa doppelt so hohen direkten Unterstützung der Ukraine gilt auch für alle anderen EU-Länder.

Aus Sicht der Bundesregierung ist die EPF zu schwerfällig, zu bürokratisch und zu leicht von einzelnen Ländern blockierbar - vor allem in der derzeitigen Phase des Kriegs, da es nicht mehr darum geht, dass die Europäer ihre alten Militärbestände an die Ukraine abgeben, sondern darum, dass sie bei der Industrie Neubestellungen für deren Verteidigung aufgeben. Diese Aufträge will Berlin lieber bilateral mit den Rüstungsunternehmen und Kiew abwickeln. Allerdings wolle man auch nicht "doppelt bezahlen", heißt es in Regierungskreisen.

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