Nordkorea und Russland:Schmieden Putin und Kim ein neues Waffenbündnis?

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Begutachten russische Raketentechnik: Russlands Präsident Wladimir Putin und Nordkoreas Machthaber Kim Jong-un im Weltraumbahnhof Wostotschny. (Foto: Mikhail Metzel/AP)

Vor der Vollversammlung der Vereinten Nationen in New York versucht die Welt zu verstehen, was die neue Nähe Nordkoreas zu Russland bedeutet. Nichts Gutes, so viel ist sicher.

Von Thomas Hahn, Seoul

Am Montag bestieg Südkoreas Präsident Yoon Suk-yeol eine Regierungsmaschine Richtung Amerika, und die Menschen in seinem Land sollten wissen, dass er das auch für die Sicherheit auf der Koreanischen Halbinsel tat. New York ist Yoons Ziel. Bei der Vollversammlung der Vereinten Nationen in dieser Woche will er Werbung machen für Südkorea als Mitstreiter der UN im Kampf gegen soziale Ungleichheit und Klimawandel, sowie für die Hafenstadt Busan als Ausrichter der Weltausstellung 2030.

Aber das ist nicht alles, natürlich nicht. Der Besuch des nordkoreanischen Machthabers Kim Jong-un bei Präsident Wladimir Putin in Russland vergangene Woche hat schließlich den Verdacht geweckt, dass sich eine neue Waffenbrüderschaft zwischen Pjöngjang und Moskau entwickelt, die nicht nur für Südkorea gefährlich werden könnte.

Darüber will Yoon am Mittwoch im UN-Plenum reden. "In der Ansprache erwarten wir eine angemessene Analyse und Botschaft zum jüngsten militärischen Austausch zwischen Nordkorea und Russland", teilte ein Regierungsbeamter in Seoul mit.

Putin will offenbar Munition für den Ukraine-Krieg

Kim Jong-uns sechstägige Reise im gepanzerten Zug durch Russlands Fernen Osten hat die freiheitliche Welt daran erinnert, dass Ausgestoßene zusammen eine bedrohliche Kraft entwickeln können. Die Bilder vom Trip zeigten Kim Jong-un als interessierten Betrachter russischer Militärtechnik. Am Weltraumbahnhof Wostotschny bestaunte er russische Satellitentechnik, in Komsomolsk am Amur eine Kampfjetfabrik, auf dem Flugplatz Knewitschi atomwaffenfähige Bomber. Sein ausführliches Gespräch mit Putin beschäftigte Medien auf der ganzen Welt.

Und am Samstag vor der Rückreise sprach er in Wladiwostok mit Russlands Verteidigungsminister Sergej Schojgu über Waffen. Oder wie Nordkoreas staatliche Nachrichtenagentur KCNA es ausdrückte: Sie "tauschten ihre konstruktiven Meinungen zu den praktischen Fragen aus, die sich bei der weiteren Stärkung der strategischen und taktischen Koordinierung ergeben".

Und nun ist die Frage, was das alles bedeutet. Hat ein neues Waffenbündnis zwischen dem Kriegstreiber Russland und der selbsternannten Atommacht Nordkorea begonnen? Oder war alles nur Show, um die USA zu provozieren?

Wie die Gespräche zwischen Putin und Kim genau liefen, darüber gibt es noch keine zugänglichen Informationen. Aber laut Geheimdiensterkenntnissen aus den USA, welche die New York Times schon vor der Kim-Reise veröffentlichte, will Putin von Nordkorea Artilleriegranaten sowie Munition für seinen Krieg in der Ukraine. Nordkorea will dafür neben Lebensmittelhilfe auch technologische Unterstützung für Militärsatelliten und Atom-U-Boote bekommen.

Es droht ein Verstoß gegen Sanktionen

Sollten Russland und Nordkorea tatsächlich einen solchen Deal durchziehen, wäre das ein doppelter Verstoß gegen UN-Sanktionen. Diese verbieten Waffenlieferungen für Russlands Angriffskrieg in der Ukraine und untersagen militärische Unterstützung für Nordkorea, das ständig unerlaubte Waffentests ausführt. Außerdem könnte ein solcher Deal die atomare Aufrüstung Nordkoreas derart vorantreiben, dass die USA darüber nachdenken müssten, Südkorea ihrerseits besser mit nuklearer Waffentechnologie zu schützen. Ein neuer kalter Krieg würde immer wahrscheinlicher.

Aber es kann auch sein, dass Kim von Putin nicht die Hilfe bekommt, die er sich erhofft. Artilleriegranaten gegen Hightech für Satelliten und Atom-U-Boote - das klingt nach keinem guten Geschäft für Russland. Zumal Moskau dadurch gegen Resolutionen verstoßen würde, für die es als ständiges Mitglied des UN-Sicherheitsrats selbst einmal gestimmt hat. Rafael Grossi, Generaldirektor der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA), sagte zuletzt der südkoreanischen Nachrichtenagentur Yonhap: "Ich kann mir nicht vorstellen, dass man mit einem Land, das ein so problematisches Verhältnis zum Nichtverbreitungsregime hat wie die Demokratische Volksrepublik Korea, Handel oder Austausch von Kernwaffentechnologie betreibt."

Außerdem wäre Russlands Partner China wohl sauer. Peking ärgert sich ohnehin schon darüber, dass Nordkoreas Aufrüstung dazu beigetragen hat, die Sicherheitspartnerschaft zwischen den USA, Südkorea und Japan zu stärken.

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Kann sein, dass Putin Kim Jong-un nur Öl und Lebensmittel gibt. Für die unterernährten Menschen in Nordkorea wäre das gut, für Kim eine Enttäuschung. Wieder mal müsste er hinnehmen, dass er nicht bekommt, was er will. Das russisch-nordkoreanische Verhältnis, das nie sehr gut war, würde sich wieder verschlechtern.

Südkoreas Präsident Yoon Suk-yeol wird sicher nicht vom besseren Szenario ausgehen, wenn er am Mittwoch vor den Vereinten Nationen spricht. Zumal sich Russlands Außenminister Sergej Lawrow vergangene Woche in einem Fernsehinterview von den Sanktionen gegen Nordkorea distanzierte, weil Russland diesen "in einer absolut anderen geopolitischen Situation" zugestimmt habe. Wenn es um Nordkorea geht, neigt Yoon nicht zu ausgleichenden Worten. In New York wird er vermutlich sein Motto "Frieden durch Stärke" vertreten. Was auch immer Kim Jong-un und Wladimir Putin vereinbart haben - vor der UN-Vollversammlung ist das Klima um die beiden noch frostiger geworden.

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