Vor der Afghanistan-Konferenz:Die Richtung heißt raus

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Die Genossen preschen vor: Die SPD verlässt sich bei ihrer Afghanistan-Strategie auf das, was beim Wahlvolk Sympathien und Punkte bringt. Die Kanzlerin Merkel zieht nach und hat zu einem Strategietreffen geladen.

Während die Regierungsparteien derzeit mit Negativmeldungen über Steuerpolitik, Steinbach und Spenden von Groß-Hoteliers die Schlagzeilen beherrschen, will die SPD medial punkten.

Ein Konflikt, der militärisch nicht zu gewinnen ist: Eine Woche vor der internationalen Afghanistan-Konferenz in London bringen sich die deutschen Parteien in Position. (Foto: Foto: dpa)

Und so haben sich die Sozialdemokraten um die Chef-Genossen Sigmar Gabriel und Frank-Walter Steinmeier einem öffentlichkeitsstarken Thema angenommen: In der Causa Afghanistan will die SPD klar Stellung beziehen - und plädiert für einen baldigen Rückzug deutscher Truppen.

"Jeder sagt inzwischen, dass dieser Konflikt durch weitere militärische Präsenz nicht zu gewinnen ist", verkündete Parteichef Sigmar Gabriel nun in Berlin. Zusätzliche Kampftruppen für den Hindukusch schloss er aus.

Die SPD setzt dagegen auf Hilfe zur Selbsthilfe und will die Ausrichtung des deutschen Einsatzes auf Ausbildung und Mittel für den zivilen Wiederaufbau verlagern. Auch der Tornado-Einsatz soll auf Wunsch der Sozialdemokraten überprüft werden, wie nach Informationen von Spiegel Online aus einem 13-seitigen Papier hervorgeht, das heute auf einer Afghanistan-Tagung der Sozialdemokraten in der Berliner Parteizentrale vorgestellt werden soll.

Meinungsstarke Ausgangsposition

Neben Steinmeier und Parteichef Sigmar Gabriel nehmen neben anderen Afghanistans Ex-Außenminister Rangin Dadfar Spanta teil sowie der Fraktionschef der europäischen Sozialdemokraten im Europaparlament, Martin Schulz, der US-Botschafter der Nato, Ivo Daalder, und der ehemalige Leiter der UN-Mission in Afghanistan, Tom Koenigs.

SPD-Fraktionschef Steinmeier hatte sich bereits dafür ausgesprochen, die ersten Truppen ab 2011 abzuziehen und den Rückzug zwischen 2013 und 2015 abzuschließen.

Die Sozialdemokraten wollen sich in der Afghanistan-Frage meinungsstark präsentieren und bringen sich vorab in Position für die in der nächsten Woche startende Afghanistan-Konferenz in London. Den abwägend-unentschlossenen und ungleich unattraktiveren Part überlassen die Genossen den Koalitionsparteien.

In London steht unter anderem eine mögliche Aufstockung des Bundeswehrkontingents von derzeit maximal 4500 Soldaten auf der Tagesordnung.

Hochrangiges Strategietreffen

Die Regierung hält sich mit eindeutigen Aussagen bislang zwar noch zurück, doch auch die Kanzlerin feilt offenbar an ihrer Strategie für die Afghanistan-Konferenz.

Dazu hat Angela Merkel nach Informationen der Berliner Zeitung vier für den Afghanistan-Einsatz verantwortliche Minister für Montagabend ins Kanzleramt einbestellt. Gemeinsam mit der Regierungschefin sollen Außenminister Guido Westerwelle (FDP), Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU), Innenminister Thomas de Maizière (CDU) und Entwicklungshilfeminister Dirk Niebel (FDP) letzte Hand an die Liste der Afghanistan-Projekte legen, die Westerwelle dann am Donnerstag in London präsentieren soll.

Berlin und Paris haben sich unterdessen schon in Sachen Afghanistan verständigt: In einem Telefonat hätten Angela Merkel und Frankreichs Staatspräsident Nicolas Sarkozy die deutsch-französische Zusammenarbeit für die Konferenz am 28. Januar in London besprochen, teilte der Élysée-Palast mit.

Unterdessen hat US-Außenministerin Hillary Clinton die Grundzüge der künftigen zivilen US-Strategie für die Stabilisierung von Afghanistan und Pakistan vorgestellt.

"Während unsere militärische Mission in Afghanistan ein Ende haben wird, haben wir uns dennoch verpflichtet, langanhaltende Partnerschaften mit Afghanistan und Pakistan einzugehen", sagte sie in Washington.

Lage besser denn je

Zu einer zivilen Strategie gehört laut Clinton unter anderem die Unterstützung des afghanischen Landwirtschaftssektors und die Reintegration von Extremisten in die Gesellschaft.

Der für die Ausarbeitung der zivilen Strategie verantwortliche US-Sonderbeauftragte für Afghanistan, Richard Holbrooke, äußerte sich optimistisch über die Regierung in Kabul. Seit dem Antritt der Regierung von US-Präsident Barack Obama vor einem Jahr sei die politische Lage noch nie so gut gewesen, sagte Holbrooke am Donnerstag von einem Senatsausschuss.

Präsident Hamid Karsai konzentriere sich nunmehr auf die Zukunft seines Landes, lobte er. Der britische Außenminister David Miliband betonte unterdessen bei derselben Anhörung im Kongress, dass die nächsten zwölf bis 18 Monate mit Blick auf die Stabilisierung Afghanistans zu einer "entscheidenden Periode" würden. Er erwarte, dass eine Reihe von Ländern auf der Londoner Konferenz neue Zusagen machen.

Zugleich unterstützte er Forderungen, nach denen die Europäische Union ihre Rolle in Afghanistan stärken müsse. Die EU müsse sicherstellen, "dass ihre entwicklungspolitischen Bemühungen auch dem Bedarf entsprechen".

© apn/dpa/AFP/jobr - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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