Nach der Razzia gegen die Protestgruppe "Letzte Generation" in Deutschland haben die Vereinten Nationen die Bedeutung von Klimaschützern und deren Aktionen hervorgehoben. "Klima-Aktivisten - angeführt von der moralischen Stimme junger Menschen - haben ihre Ziele auch in den dunkelsten Tagen weiterverfolgt. Sie müssen geschützt werden, und wir brauchen sie jetzt mehr denn je", sagte der Sprecher von UN-Generalsekretär António Guterres, Stéphane Dujarric, der Deutschen Presse-Agentur in New York.
Protestierende hätten in "entscheidenden Momenten maßgeblich dazu beigetragen, Regierungen und Wirtschaftsführer dazu zu bewegen, viel mehr zu tun", sagte Dujarric weiter. Ohne sie wären die weltweiten Klimaziele bereits außer Reichweite. Guterres' Sprecher gab aber auch zu bedenken, dass Regierungen trotz des Grundrechts auf friedliche Demonstrationen natürlich die Verantwortung hätten, Gesetze durchzusetzen und die Sicherheit zu gewährleisten.
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Polizei und Staatsanwaltschaft waren am Mittwochmorgen mit einer Razzia gegen die Klimaschutzgruppe "Letzte Generation" vorgegangen. Rund 170 Beamte durchsuchten 15 Wohnungen und Geschäftsräume in sieben Bundesländern, wie die Generalstaatsanwaltschaft München und das Bayerische Landeskriminalamt mitteilten. Der Tatvorwurf lautet auf Bildung beziehungsweise Unterstützung einer kriminellen Vereinigung.
Im Gegensatz zu den Vereinten Nationen begrüßte Bundeskanzler Olaf Scholz die Ahnung von Straftaten der "Letzten Generation". Der Rechtsstaat könne nicht ignorieren, dass sich die Gruppe wiederholt strafbar gemacht habe, sagte er dem Kölner Stadt-Anzeiger. Er bleibt außerdem bei seiner Aussage, dass die Verkehrsblockaden "völlig bekloppt" seien.
Die Aktivisten bestreiten dagegen vehement, kriminell zu sein. In den sozialen Netzwerken kritisierten sie die Verhältnismäßigkeit der Durchsuchungen. Carla Hinrichs, Pressesprecherin der "Letzten Generation", beschrieb in einem Twitter-Video, wie ein Polizist mit schusssicherer Weste und gezogener Waffe an ihrem Bett gestanden habe.
Die Aktivisten rufen nun erst mal deutschlandweit zu Protestmärschen statt zu Sitzblockaden auf. Die Razzia habe "alle hart getroffen, doch wir haben keine Angst", teilte die Gruppe am Freitag mit. Gegen das Vorgehen der Bundesregierung und für mehr Klimaschutz sind diesen Freitag Demonstrationen in Berlin, Frankfurt und Ulm geplant. Am kommenden Mittwoch scheint es, laut Website der "Letzten Generation", einen Schwerpunkttag mit neun geplanten Demos zu geben. Unter anderem sollen sie in Leipzig, Köln und Stuttgart stattfinden.
Aktivisten wollen Defizite der Klimapolitik aufzeigen
Die "Letzte Generation" macht regelmäßig mit Sitzblockaden und Aktionen in Museen auf die Folgen der Erderhitzung aufmerksam, ihre Mitglieder kleben sich dabei häufig an Straßen oder Kunstwerken fest. Auch Attacken auf Einrichtungen der Ölindustrie werden ihnen vorgeworfen.
Mit ihrem Protest will die "Letzte Generation" die Defizite der deutschen Klimapolitik auf die Agenda bringen - etwa mit Blick auf die immensen klimaschädlichen Emissionen des Autoverkehrs. Die Aktivisten verlangen einen sogenannten Gesellschaftsrat, der das Ende der Nutzung fossiler Brennstoffe in Deutschland bis 2030 planen soll. Außerdem fordern sie Tempo 100 auf Autobahnen und ein Neun-Euro-Ticket.