Bundesweite Aktion:Bayerische Terrorermittler veranlassen Razzia gegen "Letzte Generation"

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Hausdurchsuchung in Berlin-Kreuzberg: Im Zuge eines Ermittlungsverfahrens gegen Mitglieder der "Letzten Generation" wurden am Mittwoch 15 Wohnungen in sieben Bundesländern durchsucht. (Foto: Christoph Soeder/dpa)

Fahnder durchsuchen Wohnungen in sieben Bundesländern und beschlagnahmen Konten der Klimagruppe.

Von Christoph Koopmann und Ronen Steinke

Die "Letzte Generation" versteht ganz offenbar die Welt nicht mehr. Den Aktivistinnen und Aktivisten geht es einfach nicht in den Kopf, dass die Regierungen rund um den Erdball und insbesondere hier in Deutschland nicht genug für den Klimaschutz tun. Offenbar nicht genug tun wollen. Ihr entgeistertes Unverständnis machen sie ja schon seit mehr als einem Jahr sehr deutlich mit ihren Straßenblockaden und Gemäldeklebereien. An diesem Mittwochmittag aber sieht man es auch in den Gesichtern von Aimée van Baalen und Marion Fabian. Die beiden sind eigentlich in den Vorraum der Reformationskirche in Berlin-Moabit gekommen, um vor den Medien Bilanz zu ziehen über die jüngsten Aktionswochen der "Letzten Generation" in der Hauptstadt.

Aber am frühen Morgen ist ihnen eine andere Nachricht dazwischengekommen. Denn da durchsuchten Polizisten in Bayern und sechs weiteren Bundesländern die Wohnungen von Aktivisten und Unterstützern der "Letzten Generation". Es geht da um einen Vorwurf, der in den vergangenen Tagen schon mehrmals zum Thema geworden ist: die Bildung und Unterstützung einer kriminellen Vereinigung. Die Bayerische Zentralstelle zur Bekämpfung von Extremismus und Terrorismus bei der Generalstaatsanwaltschaft München ermittelt gegen sieben Beschuldigte zwischen 22 und 38 Jahren.

Festnahmen gab es nach Angaben der Ermittler keine. Allerdings froren die Fahnder Vermögen ein, beschlagnahmten Konten - und schalteten auch die Website der Klimagruppe ab. Die Razzia kommt mitten in eine juristische und politische Diskussion darüber, ob die "Letzte Generation" tatsächlich eine kriminelle Vereinigung ist. Bisher gibt es zwar mehrere Ermittlungsverfahren und juristische Prüfungen wegen des Vorwurfs, aber keine Urteile - die gab es bisher nur wegen der Straßenblockaden und anderer Aktionen selbst.

Bei einer Spendenaktion sollen mindestens 1,4 Millionen Euro zusammengekommen sein

Die bayerischen Terrorermittler leiten ihren Verdacht nun aus der Finanzierung der Gruppe und der Aktionen her. Die Fahnder werfen den Beschuldigten vor, "eine Spendenkampagne zur Finanzierung weiterer Straftaten für die 'Letzte Generation' organisiert" zu haben. Diese Spendenkampagne hätten die Beschuldigten über die Homepage der Gruppe beworben, wodurch bisher mindestens 1,4 Millionen Euro zusammengekommen seien. Nach Recherchen der Süddeutschen Zeitung beträgt die Geldsumme exakt 1 413 086,07 Euro. "Dieses Geld wurde nach den bisherigen Erkenntnissen überwiegend auch für die Begehung weiterer Straftaten der Vereinigung eingesetzt", teilten die Ermittler am Mittwochmorgen mit. Um welche Straftaten genau es sich dabei handeln soll, gab die Generalstaatsanwaltschaft nicht bekannt - lediglich, dass sie zwei Beschuldigten zusätzlich vorwirft, dass sie im April 2022 die Ölpipeline Triest - Ingolstadt sabotieren wollten.

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Der Bundeskanzler hat die Mittel der Demonstranten der "Letzten Generation" scharf kritisiert. Berlins neue Justizsenatorin Badenberg lässt prüfen, ob es sich bei der Klimagruppe um eine kriminelle Vereinigung handelt.

In dem Durchsuchungsbeschluss, der zehn Seiten umfasst und der SZ vorliegt, ist davon die Rede, die Aktivisten hätten diese 465 Kilometer lange Pipeline, die von der Deutschen Transalpinen Ölleitung GmbH betrieben wird, lahmlegen wollen. Ein dramatisches Szenario, damit wäre die Rohölversorgung für ganz Bayern zum Erliegen gekommen, so der Vorwurf der Ermittler. Allerdings seien die Einbrecher, die sich an der Pipeline-Schiebestation Niederambach bei Moosburg zu schaffen machen wollten, nicht weit gekommen. Bei ihrer Aktion im April 2022 habe schnell die Alarmanlage angeschlagen - mehr als ein bisschen Sachschaden am Zaun und an einem Vorhängeschloss entstand nicht.

Die Rede ist dann auch noch ausführlich von anderen Aktionen der Gruppe. Allein 13 Fälle aus dem vergangenen Jahr werden im Durchsuchungsbeschluss aufgelistet, von den ersten Straßenblockaden auf der Berliner Stadtautobahn A 100 im Januar 2022 über eine Aktion, bei der im April 2022 unter dem Motto "Qatar Stream" Öl auf die Fassade des Bundeswirtschaftsministeriums von Robert Habeck gespritzt wurde, bis hin zum Eindringen von Aktivisten in den Berliner Flughafen BER im vergangenen November. Ein Flugzeug mit einem Notfallpatienten an Bord, so lautet der Vorwurf, habe deshalb erst mit 20 Minuten Verspätung landen können. Der Durchsuchungsbeschluss, unterzeichnet von einem Ermittlungsrichter des Münchner Amtsgerichts, stammt schon vom 16. Mai. So lange also haben die Ermittler sich offenbar Zeit genommen, um ihre Razzia vorzubereiten.

"Was sind das für Untersuchungen?": Aimée van Baalen, Sprecherin der "Letzten Generation", am Mittwoch in Berlin. (Foto: Christoph Söder/dpa)

Am Mittag bei der Pressekonferenz in der Reformationskirche ist den Aktivistinnen an den Mikrofonen anzumerken, dass sie noch nicht recht wissen, wie sie mit den Vorwürfen umgehen sollen. Mehrmals sagt Aimée van Baalen, Sprecherin der "Letzten Generation", sie warteten noch auf weitere Informationen von den Ermittlungsbehörden. Aber sie wehrt sich gegen die Vorwürfe der bayerischen Staatsanwälte. "Was sind das für Untersuchungen, in denen durch die Sperrung unserer Website und unserer Konten so tief in unsere Organisation eingegriffen wird, dass dadurch unser legitimer Protest behindert wird?" Eine kriminelle Vereinigung sei die "Letzte Generation" sicher nicht. "Der Paragraf 129 soll eigentlich eingesetzt werden, um die öffentliche Ordnung zu schützen und Terrorismus zu vereiteln. Jetzt wird er gegen uns eingesetzt - Menschen, die sich friedlich auf die Straße kleben, die dafür protestieren, dass die Regierung sich an ihre eigene Verfassung hält."

Erst vor wenigen Tagen hatte Berlins neue Justizsenatorin Felor Badenberg ihr Haus beauftragt zu prüfen, ob die "Letzte Generation" eine kriminelle Vereinigung ist. In Brandenburg laufen entsprechende Ermittlungen schon seit Monaten. Die Staatsanwaltschaft Neuruppin hatte Mitte Dezember die Wohnungen von elf Aktivisten in mehreren Bundesländern durchsuchen lassen. In dem Verfahren geht es aber nicht um die prominent diskutierten Straßenklebeaktionen der vergangenen Monate oder die Blockade des Flugverkehrs auf dem Airport BER, sondern um mehrmalige Sabotage an einer Erdölraffinerie in Schwedt. Wie bei den Ermittlungen in München geht es auch hier nicht um einen Verdacht gegen die "Letzte Generation" als Ganzes, sondern gegen Einzelpersonen.

Sollten Gerichte der Argumentation der Staatsanwaltschaften folgen, könnte das schwerwiegende Folgen für die Beschuldigten haben. Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung kann mit bis zu fünf Jahren Haft geahndet werden, die Unterstützung mit bis zu drei Jahren. Sprecherin van Baalen sagt in der Berliner Kirche, ihnen allen sei klar, "dass wir Konsequenzen tragen müssen" für ihre Aktionen. Aber man sei doch nicht gleichzusetzen mit einer Terrorgruppe.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat zunächst nicht gesagt, gegen welche Personen sich ihre Ermittlungen genau richten beziehungsweise welche Rollen bei der "Letzten Generation" sie ihnen zuschreibt. Sprecherin van Baalen sagt, es seien sowohl Aktivisten von den Durchsuchungen betroffen als auch Menschen aus dem Organisationsteam - und solche, die gar nicht zur Aktivistengruppe gehörten, sondern "Dritte, die zum Beispiel geholfen haben, Konten einzurichten".

Die Ermittlungen der bayerischen Justiz zielen offenbar auch darauf ab, die Finanzierung der Gruppe zu klären - und sie zu unterbinden. Mit dem Abschalten der Website verschwand die Spendenplattform, die die "Letzte Generation" dort verlinkt hatte. Nach eigenen Angaben hat die Gruppe im Jahr 2022, dem ersten vollen Jahr ihres Bestehens, 900 000 Euro Spenden erhalten. Geld bekommt die Organisation auch vom US-amerikanischen Climate Emergency Fund, einer Gruppe Wohlhabender, die zivilen Widerstand gegen vermeintlich zu lahme Klimapolitik fördert. Wenn die Münchner Staatsanwälte nun von 1,4 Millionen Euro Spendengeld sprechen, liegt es jedenfalls nahe, dass sie das gesamte Spendenaufkommen der Organisation meinen.

Einen großen Teil ihres Geldes investieren die Aktivisten ihrem eigenen "Transparenzbericht" (der ebenfalls mit der Website verschwunden ist) zufolge gleich weiter: in Miete für Unterkünfte, Transporter und Veranstaltungsräume oder in Material wie Warnwesten, Werbeflyer, Banner - und Sekundenkleber. Die bayerischen Ermittler werten eben solche Ausgaben als Beleg dafür, dass die Beschuldigten mit ihrer Spendenakquise zum Ziel haben, weitere Straftaten zu finanzieren.

Auch wenn es mit dem Geld wegen der eingefrorenen Konten nun erst mal schwierig werden dürfte - der Protest werde nicht enden, kündigen die Sprecherinnen der "Letzten Generation" am Mittwoch an. Noch für den Nachmittag riefen sie zu einem Protestmarsch in Berlin auf. Am Donnerstag soll es in München weitergehen, dann in Leipzig. Schon vor der Durchsuchungsaktion hatte die "Letzte Generation" offenbar bald eine Sommerpause geplant, um sich zu sortieren und neue Mitstreiter zu finden und zu schulen. Doch Sprecherin Aimée van Baalen versichert am Mittwoch: Der Widerstand geht weiter.

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