Berlin:Scholz über Anklebe-Aktionen: "Finde das völlig bekloppt"

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Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) besucht anlässlich des EU-Projekttages die Eigenherd-Schule in Kleinmachnow und begrüßt die Kinder auf dem Schulhof. (Foto: Soeren Stache/dpa)

Der Bundeskanzler hat die Mittel der Demonstranten der "Letzten Generation" scharf kritisiert. Berlins neue Justizsenatorin Badenberg lässt prüfen, ob es sich bei der Klimagruppe um eine kriminelle Vereinigung handelt.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat die Anklebe-Aktionen von Klima-Demonstranten der Letzten Generation kritisiert. Bei einem EU-Projekttag in einer Schule sagte er am Montagnachmittag in Kleinmachnow östlich von Potsdam: "Ich finde das völlig bekloppt, sich irgendwie an ein Bild festzukleben oder auf der Straße." Er habe den Eindruck, dass es auch nicht dazu beitrage, dass irgendjemand seine Meinung ändere, sondern es ärgerten sich vor allem alle. "Das ist eine Aktion, von der ich glaube, dass sie nicht weiterhilft", sagte Scholz.

Das Verhalten von Aktivistinnen und Aktivisten der "Letzten Generation" beschäftigt jetzt auch Berlins neue Justizsenatorin Felor Badenberg (parteilos). Sie lässt prüfen, ob es sich bei der Klimagruppe um eine kriminelle Vereinigung handelt. Badenberg sagte, Leben und Alltag der Menschen in Berlin seien durch die Aktivitäten der Klima-Demonstranten erheblich beeinträchtigt und mitunter auch gefährdet. Daher gelte es, alle gesetzlichen Möglichkeiten auszuschöpfen, und dazu gehöre eben auch die Prüfung der Frage, ob es sich bei der "Letzten Generation" um eine "kriminelle Vereinigung" handele.

Grünen-Fraktionschefin Bettina Jarasch kritisiert Badenbergs Vorgehen. "Strafverfolgung ist eine Sache der Staatsanwaltschaft und der Gerichte. Politisch motivierte Strafverfolgung schadet dem Rechtsstaat", so Jarasch. "Gerade die Justizsenatorin sollte diese Grenze kennen und sehr klar einhalten."

Berlins neue Justizsenatorin Felor Badenberg (parteilos). (Foto: IMAGO/M. Popow/IMAGO/Metodi Popow)

Die Polizeigewerkschaft GdP in Berlin befürwortet dagegen die Pläne der Senatorin. Die GdP teilt mit: "Wir haben es nach unseren Kenntnissen mit einer hierarchisch organisierten kriminellen Vereinigung zu tun, die in der Hauptstadt seit mehr als einem Jahr Straftaten begeht und in den letzten Wochen in den Guerilla-Aktionen nochmal militanter geworden ist."

Die GdP hatte sich am vergangenen Montag mit Vertretern der "Letzten Generation" getroffen. Anschließend kritisierte die Gewerkschaft, dass die zentralen Forderungen der Klimaaktivisten "nur scheinheilig angebracht werden". Es gehe nicht "um sinnvolle Maßnahmen für mehr Klimaschutz", sondern "in erster Linie darum, demokratische Abläufe und Institutionen zu diskreditieren". Das spalte die Gesellschaft und gefährde das demokratische Zusammenleben.

"Rechtliche Einschätzung unterliegt einer permanenten Neubewertung"

Die Berliner Staatsanwaltschaft sieht nach eigenen Angaben bislang keine Anhaltspunkte dafür, dass die "Letzte Generation" eine "kriminelle Vereinigung" ist. Die rechtliche Einschätzung unterliege aber "einer permanenten Neubewertung", sagte eine Behördensprecherin.

Eher zurückhaltend zum Thema "Letzte Generation" äußerte sich bisher auch der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Thomas Haldenwang. Er sagte vor einigen Wochen, dass es keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür gebe, dass die Gruppe gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung gerichtet sei. Da die Grundhaltung der Aktivisten sei, auf aktive Gewalt zu verzichten, liege kein Extremismus vor. In dieser Einschätzung sei er sich mit allen 16 Landesämtern für Verfassungsschutz einig.

Die "Letzte Generation" macht seit 2022 immer wieder mit Sitzblockaden auf den Straßen und weiteren Aktionen auf die Folgen des Klimawandels aufmerksam. In den vergangenen Wochen haben die Aktivisten ihren Protest in Berlin verstärkt. Hunderte Polizisten sind regelmäßig im Einsatz, um Blockaden aufzulösen. Den Vorwurf der Kriminalisierung weisen die Aktivisten zurück und sprechen von "absurden Vorwürfen". Sie verweisen darauf, dass "immer mehr zivilgesellschaftliche Organisationen" auf die Straße gehen und "dem friedlichen Protest den Rücken stärken".

Ermittlungen in Brandenburg

In Brandenburg laufen gegen die Gruppe Ermittlungen wegen des Verdachtes der Bildung einer kriminellen Vereinigung. Hintergrund des Verfahrens bei der Staatsanwaltschaft Neuruppin sind unter anderem Attacken von Aktivisten seit April 2022 auf Anlagen der Raffinerie PCK Schwedt. Das Landgericht Potsdam hatte zuletzt ebenfalls einen Anfangsverdacht gesehen, dass es sich bei der "Letzten Generation" um eine kriminelle Vereinigung handeln könnte.

Mit diesem Beschluss soll sich nun auf Bitten von Justizsenatorin Badenberg die für Strafrecht zuständige Abteilung in ihrem Haus auseinandersetzen. Das Ergebnis wäre dann für die Staatsanwaltschaft von Bedeutung. Denn anders als in den meisten anderen europäischen Ländern haben deutsche Justizministerien das Recht, den Staatsanwaltschaften Weisungen zu erteilen. Darüber wird bundesweit immer wieder diskutiert.

Für Gerichte gilt dies jedoch nicht. Diese Unabhängigkeit betonte auch Badenberg: "Das Anklagemonopol liegt bei der Staatsanwaltschaft und Recht sprechen können nur die Gerichte." Ob es sich bei der "Letzten Generation" um eine kriminelle Vereinigung handle, könnten letztlich nur diese entscheiden.

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:Ist die "Letzte Generation" eine kriminelle Vereinigung?

Erste Aktivisten sind bereits zu Haftstrafen ohne Bewährung verurteilt worden. Sollte die Justiz noch einen Schritt weitergehen, hätte das für die Klimaschützer erhebliche Konsequenzen.

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