US-Haushalt:Schnee als Schmiermittel

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Wenn es schneit, geht auch im Kapitol in Washington vieles glatt. (Foto: Jacquelyn Martin/dpa)

Der US-Kongress hat einen Stillstand des öffentlichen Dienstes vorerst abgewendet. Ausgerechnet ein erzkonservativer Republikaner spielte bei diesem Kompromiss eine bemerkenswerte Rolle.

Von Fabian Fellmann, Washington

Es war in vieler Hinsicht bemerkenswert, was in Washington am Donnerstag geschah. Normalerweise legen schon wenige Zentimeter Schneefall die Hauptstadt tagelang lahm, beim Kapitol sind dann Schlittenrennen und Schneeballschlachten zu beobachten anstelle der gewohnten politischen Hahnenkämpfe.

Für einmal hat der Schnee diesmal aber eine politische Einigung beschleunigt, zu Beginn dieses Wahljahres, in der sich Republikaner und Demokraten sonst gar nichts schenken. Am Freitag wäre der Bundesebene wieder einmal das Geld ausgegangen, einer der gefürchteten Government Shutdowns stand kurz bevor, ein Schließen von Teilen des öffentlichen Dienstes, der die Wirtschaft und die Finanzmärkte in Mitleidenschaft zu ziehen pflegt. Wochenlang hatten sich Republikaner und Demokraten stur und unversöhnlich gezeigt, wie es zur unseligen Tradition geworden ist in den gespaltenen Staaten von Amerika, in denen jeder noch so selbstverständliche Staatsakt inzwischen hochpolitisch ist.

107 Republikaner stimmten mit den Demokraten, 106 dagegen

Erst in allerletzter Minute wurde diese Shutdowns in den vergangenen Jahren und Monaten abgewendet - oder eben auch dreimal nicht. Diesmal war aber für den Freitag ein Wintersturm angesagt in der Hauptstadt. Und plötzlich begannen sich die Rädchen schnell zu drehen in der komplexen Maschinerie des US-Kongresses.

Der Senat beschloss am Donnerstagmorgen, die Finanzierung des Staatshaushalts bis März zu verlängern. Und das Repräsentantenhaus zog seine Abstimmungen vom Freitag auf den Donnerstag vor, damit der Beschluss nicht zum Opfer eines Winterunfalls würde - und nicht zuletzt, weil die Abgeordneten keinesfalls riskieren wollten, im Schnee feststecken zu bleiben und das Wochenende in der Hauptstadt statt Zuhause verbringen zu müssen.

So kam es, dass auch die große Kammer die Verlängerung noch am Donnerstag genehmigte. Dabei spannten sich Demokraten und eine denkbar knappe Mehrheit von 107 Republikanern zusammen, 106 Republikaner stimmten gegen die Vorlage. Bemerkenswert war die Rolle von Mike Johnson, dem Sprecher des Repräsentantenhauses von Gnaden des rechten Parteiflügels. In seinem Sessel vorn im Kongresssaal sitzt er nur, weil sein Vorgänger Kevin McCarthy von seinen Kollegen hinausgeworfen wurde, nachdem dieser exakt das zu tun gewagt hatte, was nun auch Johnson gemacht hat.

McCarthy hatte im vergangenen Oktober mit den Demokraten einen Kompromiss zum Haushalt geschlossen, der eine provisorische Verlängerung bis Mitte Januar enthielt, um Zeit zu schaffen für Verhandlungen über einen ordentlichen Haushalt mit Sparbemühungen und Reformen. Der rechte Parteiflügel war darüber so erzürnt, dass er den Kalifornier als Speaker abwählte. Johnson hatte damals hoch und heilig versprochen, er werde nicht noch einmal Hand bieten zu einem Übergangshaushalt.

Die Parteirechte stellte Forderungen

Doch nun lief Johnson die Zeit davon. Die Frist von Mitte Januar war zu knapp bemessen, um sich auf zwölf ordentliche Haushaltsbeschlüsse zu einigen. Als Johnson sich deswegen anschickte, sein Versprechen zu brechen, tobte die Gruppe Freedom Caucus, in der sich die ganz rechten Abgeordneten zusammengeschlossen haben. Sie forderten, die Einwanderungsgesetze sofort zu verschärfen als Bedingung für einen Übergangshaushalt.

Mike Johnson (Mitte), der erzkonservative Sprecher des Repräsentantenhauses, ließ sich auf einen Kompromiss ein - was seinen Vorgänger das Amt gekostet hatte. (Foto: Yuri Gripas/AP)

Johnson liegt bei der Migrationspolitik zwar ganz auf ihrer Linie. Doch sah er ein, dass die Demokraten sich nicht darauf einlassen würden und ein zumindest teilweiser Government Shutdown unausweichlich würde. Die Schuld dafür würde den Republikanern angelastet, argumentierte Johnson. Das wolle er vermeiden in diesem Wahljahr 2024, in dem nicht nur der US-Präsident, sondern auch sämtliche Abgeordnete und ein Drittel der Senatoren gewählt werden.

Johnson muss dennoch vorderhand nicht befürchten, sein Amt gleich wieder zu verlieren. Sein Vorgänger McCarthy war beim rechten Parteiflügel als Opportunist verschrien, der nicht zuhörte und seine eigenen Parteifreunde anlog. Auch Johnson wurde wenig zugetraut, als er das Amt nach nur gerade acht Jahren als Abgeordneter übernahm. Doch der evangelikale, stockkonservative Politiker hat es geschafft, sich das Vertrauen des rechten Flügels zu erarbeiten, sie betrachten ihn als ehrlichen Vermittler.

Nun wird Präsident Joe Biden am Freitag seine Unterschrift unter den Kongressbeschluss setzen. Chuck Schumer, Anführer der Demokraten im Senat, strich die überparteiliche Einigung heraus: "Weil beide Seiten zusammengearbeitet haben, wird der Staat offen bleiben, die Dienstleistungen werden nicht ausgesetzt. Wir wenden eine unnötige Katastrophe ab."

Ein Teil der Haushaltsbeschlüsse ist bis zum 1. März befristet, der Rest bis zum 8. März. Bis dann verhandeln Republikaner und Demokraten weiter über die ordentlichen Haushaltsbeschlüsse, die bis Ende des Fiskaljahres im Herbst gelten sollen. Einfach wird das trotz der gestreckten Fristen nicht werden.

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Und Johnson kann sich trotz seines Erfolgs vom Donnerstag nicht allzu sicher fühlen in seinem Sessel, von dem aus er den notorisch aufmüpfigen Kongress steuert. Das nächste Kräftemessen mit dem Freedom Caucus steht bevor: Präsident Biden hat schon im Herbst einen Zusatzbeschluss von 106 Milliarden Dollar beantragt, der 60 Milliarden für die Ukraine, 14 Milliarden für Israel und 14 Milliarden für den Schutz der US-Grenzen enthält.

Die Appelle des Präsidenten werden zunehmend eindringlich, vor allem wegen der Ukraine-Hilfe. Doch bisher ist eine Einigung nicht in Sicht, weil die Republikaner Einschränkungen des Rechts auf Asyl zur Bedingung machen, die Biden und den Demokraten viel zu weit gehen. Vergangene Woche lud der Präsident die wichtigsten Kongressvertreter ins Weiße Haus ein, um Johnson unter Druck zu setzen. Der Speaker gab sich danach wenig kompromissbereit, und Donald Trump ermahnte ihn überdies öffentlich über die sozialen Medien, unnachgiebig zu bleiben, obwohl die beiden ohnehin regelmäßig miteinander telefonieren. Bei den Geldern für die Ukraine lässt der starke Mann der Republikaner Johnson keinen Spielraum.

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