Es ist eine Art Fußnote, die am meisten Fragen auslöst darüber, wie die Geschichte der Sklaverei an Floridas Schulen unterrichtet wird. Die neuen Lernziele dazu hat der Bildungsrat des US-Bundesstaats soeben beschlossen. In einer "Klarstellung" steht in dem Dokument, Kinder sollten nicht nur lernen, welche Arbeit Sklaven verrichten mussten. Sondern auch, wie die Versklavten dabei Fertigkeiten erwarben, "die sie, in einigen Fällen, zu ihrem eigenen Vorteil einsetzen konnten".
Floridas Kinder sollen also lernen, dass die Sklaverei durchaus ihre positiven Seiten gehabt habe für jene mehr als zwölf Millionen Afrikaner, die als Ware gehandelt wurden in dem brutalen transatlantischen Geschäft, das ein wichtiger Pfeiler für Industrialisierung und Kapitalismus wurde.
Vorwurf der "weißgewaschenen" Geschichte
Eilig ließ Kamala Harris einen Auftritt in Florida organisieren, bei dem die US-Vizepräsidentin mit indisch-jamaikanischen Wurzeln die Realität der Sklaverei erklärte. "Sie bedeutete Vergewaltigung. Sie bedeutete Folter. Sie bedeutete, Müttern ihre Babys wegzunehmen", sagte Harris. Und die Demokratin fragte weiter: "Wie kann jemand angesichts dieser Grausamkeit behaupten, es habe Vorteile gegeben für jene, die solcher Entmenschlichung ausgesetzt waren?"
Floridas Gouverneur Ron DeSantis hingegen, der sich auch um die Kandidatur der Republikaner für die US-Präsidentschaft bewirbt, verteidigte die Lernziele. Sie enthielten sämtliche schwierigen Kapitel, doch die Kinder sollten auch zum Beispiel lernen, wie ein versklavter Schmied "später im Leben Sachen gemacht hat". Der Punkt sei, dass das alles auf Fakten basiere.
Nun gibt es selbstverständlich Beispiele von Sklaven, die ihre Kunstfertigkeit für eigene Zwecke einsetzten. Gerade Schmiede erledigten manchmal neben der Zwangsarbeit auch Aufträge auf eigene Rechnung. Dokumentiert ist unter anderem ein Sklave namens Gabriel, der in Richmond Schwerter schmiedete für eine Sklavenrebellion in Virginia. Der Aufstand scheiterte, Gabriel wurde im Jahr 1800 gehängt. Solche Beispiele werden an Schulen bereits gelehrt.
Florida will Kinder weißer Hautfarbe schützen
Guter Unterricht bringt Kindern auch bei, dass Sklaven ihr Wissen nicht einfach von ihren Eigentümern erhielten, wie der rassistische Blick auf die Zwangsarbeiter lange glauben machte. Vielmehr wurden viele Afrikaner explizit wegen ihres Könnens versklavt. Sklavenhändler jagten beispielsweise gezielt Westafrikaner, weil diese Techniken des Anbaus von Reis beherrschten, die bei Plantagenbesitzern auf dem amerikanischen Kontinent gefragt waren. Es waren die Sklaven, die dort eine neue Reis-Küste schufen.
Ron DeSantis argumentiert scheinheilig, wenn er sagt, es gehe doch nur um Fakten. Seit Amtsantritt schürt er systematisch den Rassismus, indem er unter anderem den Schwerpunkt des Unterrichts auf allen Bildungsstufen verschiebt und "weißwäscht", wie seine Kritiker sagen.
Die neuen Lernziele beruhen auf einem Gesetz, das die Republikaner im Parlament des "Sonnenscheinstaates" im vergangenen Jahr beschlossen hatten: Der Unterricht dürfe bei Schülern keine Schuldgefühle aufgrund ihrer Hautfarbe auslösen.
Rassismusdebatten eignen sich vorzüglich, um Wähler zu mobilisieren
Oder, um es eindeutiger auszudrücken: Weiße Schulkinder sollen sich in Florida nicht unwohl fühlen, wenn sie hören, was vor allem Weiße in der Vergangenheit den Versklavten, fast alles Schwarze, angetan haben. Als Anti-woke-Gesetz hat es Schlagzeilen gemacht, von DeSantis gepriesen als Schranke gegen übertrieben linkes, eben "wokes" Gedankengut. Kritiker empfinden das als Scheuklappe gegen aufgeklärtes Denken. Als Folge eines ähnlichen Gesetzes mussten die öffentlichen Universitäten Listen einreichen mit allen Angeboten zu Rassismus, Vielfalt und Inklusion - Inhalte, deren Unterricht eingeschränkt wurde. Professoren, die zu kritisch lehren, droht die Kündigung.
Der Aufarbeitung der dunklen Kapitel der Geschichte der Vereinigten Staaten dient das alles nicht. Die Folgen der jahrhundertelangen Unterdrückung lasten noch heute auf jenen 13,6 Prozent der Bevölkerung, die sich als Afroamerikaner bezeichnen und fast ausnahmslos Nachfahren einstiger Sklaven sind. Sie verdienen zum Beispiel halb so viel wie Weiße und besitzen sechsmal weniger Vermögen.
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Ron DeSantis beschäftigt indes mehr, dass er in Umfragen weit abgeschlagen hinter Donald Trump zurückliegt, dem Favoriten unter den Präsidentschaftsanwärtern der Republikaner. Mit Provokationen will er nun seine Kampagne neu starten. Rassismusdebatten eignen sich vorzüglich, um die Wählerschaft zu mobilisieren. Für DeSantis selbst hat der Streit über die brutale Geschichte des Landes nur positive Seiten.