Sicherheitspolitik:China und die USA schaukeln einander hoch

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Kevin McCarthy, Sprecher des Repräsentantenhauses (M.), hat seinen Besuch in Taiwan abgeblasen, will aber auch nicht wie ein Duckmäuser wirken. (Foto: Stefani Reynolds/AFP)

"Abgeschottet, eingekreist und unterdrückt": Chinas Präsident Xi richtet ungewohnt scharfe Worte gegen die Amerikaner. Dabei versuchen die gerade zu deeskalieren - unter anderem mit der Absage einer Taiwan-Reise.

Von Fabian Fellmann, Washington

Direkte Kritik an den USA pflegt Xi Jinping an die unteren Chargen zu delegieren. Am Montag aber hat Chinas Präsident den Gegenspieler namentlich beschuldigt, seinem Land Schaden zuzufügen. "Westliche Länder, angeführt von den USA, haben China rundum abgeschottet, eingekreist und unterdrückt", sagte Xi vor dem wichtigsten politischen Beratergremium in Peking. Kurz zuvor hatte Außenminister Qin Gang am Rande des Nationalen Volkskongresses gewarnt, die Chinapolitik der Vereinigten Staaten werde "katastrophale Folgen" haben.

Die scharfen Worte des chinesischen Machthabers sind in den USA mit Erstaunen aufgenommen worden. Xi habe sich nationalistischer Rhetorik mit Begriffen aus der Zeit des Kalten Krieges bedient, hielt das Wall Street Journal fest. Er habe wohl versucht, von den schlechten Wirtschaftszahlen seines Landes und Fehlern im Umgang mit der Covid-Pandemie abzulenken.

Nationalistische Rhetorik ist den Amerikanern indessen nicht gerade fremd. Im Wochentakt jagt gerade das Empörungsbarometer gegen China hoch. Der US-Kongress setzte eigens einen Sonderausschuss für den Umgang mit Peking ein, und ein US-General sagte einen Krieg für 2025 voraus. Kurz darauf ließ Präsident Joe Biden einen chinesischen Spionageballon vom Himmel schießen, drei weitere "vorsichtshalber" losgeschickte Raketen trafen wohl harmlose Amateurballone. Das US-Energieministerium und die Bundespolizei FBI gelangten zu dem Schluss, Sars-CoV-2 sei vermutlich bei einem Laborunfall in China in die Welt gesetzt worden.

Trump schäumt, dabei geht Biden strenger mit China um als er

Und da sind Politiker wie der ehemalige Präsident Donald Trump, der China erneut zu einem zentralen Wahlkampfthema macht. China müsse Entschädigungen leisten für die Covid-Pandemie, forderte Trump soeben in einem Beitrag im britischen Boulevardblatt Daily Mail. Bei seiner jüngsten Rede versprach der aussichtsreichste Präsidentschaftskandidat der Republikaner, die Volkswirtschaften der USA und Chinas zu entkoppeln, mit Importzöllen, mit Investitionsverboten sowie mit der offiziellen Herabstufung Chinas vom Status als meistbegünstigter Handelspartner. "Ich werde China besteuern, um Amerika aufzubauen", sagte Trump.

Trump hat als Präsident seine vollmundigen Ankündigungen gegen China zwar nur teilweise umgesetzt. Aber er hat Strafzölle mehrheitsfähig gemacht, und er hat es geschafft, zuerst die amerikanische Öffentlichkeit und danach die Politik auf Konfrontationskurs gegenüber China zu trimmen. Im anstehenden Wahlkampf könnte sich dieses Szenario wiederholen.

Peking fühlt sich von Washington aber vor allem bedrängt, weil Präsident Joe Biden die Auseinandersetzung deutlich konsequenter weiterführt, als das Trump selbst je getan hat. Biden hat China zum wichtigsten Konkurrenten erklärt und die nationale Verteidigungsstrategie darauf ausgerichtet. Er hat Schritte eingeleitet, um die Abhängigkeit von China zu verringern, etwa bei der Herstellung von Halbleiterchips.

Biden sagt stets, er wolle Wettbewerb, aber keinen Konflikt. Doch er sorgt auch für eine militärische Konfrontation vor. Dafür hat er die Allianzen der Vereinigten Staaten im Pazifik neu belebt, unter anderem rüstet Biden Australien mit Atom-U-Booten aus. Zudem versucht er, alte Feindschaften in der Region abzubauen, um regionale Bündnisse gegen China zu ermöglichen; erst gerade etwa haben sich Südkorea und Japan einander angenähert.

Als McCarthys Vorgängerin nach Taiwan flog, antwortete Peking mit Raketen

In der Taiwan-Frage hat Biden die Rhetorik verschärft. Die offizielle Position der USA war lange, dass sie Taiwan im Fall eines chinesischen Angriffs bewaffnen und unterstützen würden. Biden ist inzwischen schon vier Mal weiter gegangen, indem er sagte, die USA würden Taiwan verteidigen. Stets blieb unklar, was er konkret meinte, ob er sich etwa nur verplapperte. Doch in Peking kam die Botschaft an, dass der Preis für eine Invasion sehr hoch wäre. Eine Botschaft, die Biden Russland derzeit in der Ukraine beibringt.

Xis verbale Angriffe kommen nun ausgerechnet in einem Moment, in dem die USA ihre eigene Rhetorik wieder etwas zurückfahren. Bange warnte jüngst Kommentator Fareed Zakaria, die Amerikaner drohten, einem gefährlichen Gruppendenken zum Opfer zu fallen, indem die Kommunistische Partei Chinas einstimmig als größte Bedrohung für die Sicherheit der USA wahrgenommen werde. Das berge die Gefahr neuer Jahrzehnte des Hochrüstens, der permanenten Krisen und vielleicht gar eines Krieges.

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Bezeichnenderweise leistet nun ausgerechnet der Republikaner Kevin McCarthy einen Beitrag, um die Eskalationsspirale etwas zu bremsen. Der Sprecher des Repräsentantenhauses hatte für April eine Reise nach Taiwan vorbereitet. Auf solche Besuche reagiert Peking allergisch. Als McCarthys Vorgängerin, die Demokratin Nancy Pelosi, im vergangenen Sommer das Land besuchte, antwortete China mit einem großen Militärmanöver vor der taiwanischen Küste und feuerte sogar Raketen über die Insel.

Am Montag wurde nun publik, dass Kevin McCarthy auf seinen Besuch in Taiwan verzichtet. Stattdessen trifft er die taiwanische Präsidentin Tsai Ing-wen in Kalifornien. Der Financial Times sagten taiwanische Vertreter, sie hätten McCarthy von der Planänderung überzeugt. Offiziell bestätigt ist das bisher nicht, und McCarthy wird sich bestimmt hüten vor dem Eindruck, ein Duckmäuser zu sein. Zumindest nicht gegenüber China.

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