Volkskongress in Peking:Ungewohnte Schärfe aus China

Volkskongress in Peking: In Peking tagt der Volkskongress - und applaudiert Xi (vorne). Dessen Kritik fiel bei einem nicht-öffentlichen Gespräch und wurde gezielt weitergegeben.

In Peking tagt der Volkskongress - und applaudiert Xi (vorne). Dessen Kritik fiel bei einem nicht-öffentlichen Gespräch und wurde gezielt weitergegeben.

(Foto: GREG BAKER/AFP)

Staats- und Parteichef Xi Jinping wirft vor allem den USA vor, sein Land unterdrücken zu wollen. Die Haltung Pekings ist nicht neu, die Deutlichkeit der Worte hingegen schon. Außenminister Qin Gang wird sogar noch deutlicher.

Von Lea Sahay

Es sind ungewöhnlich klare Worte, mit denen Staats- und Parteichef Xi Jinping die USA und andere westliche Staaten attackiert hat. "Insbesondere die westlichen Länder, angeführt von den USA, verfolgen eine umfassende Eindämmung, Einkreisung und Unterdrückung Chinas, was nie da gewesene schwere Herausforderungen für die Entwicklung Chinas mit sich bringt", sagte Xi nach Angaben der Staatsmedien am Dienstag in Peking, wo gerade der Volkskongress und dessen Beratungsgremium tagt. Das Umfeld habe sich "dramatisch verändert", sagte der Parteichef, die Unwägbarkeiten hätten stark zugenommen.

Es ist eine Erzählung, die Chinas KP in den vergangenen Jahren gezielt in der Bevölkerung verbreitet hat: Demnach gönnt der Westen den Chinesen ihren Wohlstand nicht, unter Führung der Amerikaner versuchten die Staaten, die Volksrepublik schlechtzumachen und zu isolieren. Als Beispiel nennt Peking etwa die Kritik an der Verfolgung der Uiguren in Xinjiang, die es als "durch Amerika gesteuerte Lügen und Verleumdungen" bezeichnet. Es ist ein Motiv, das die Sprecher des chinesischen Außenministeriums fast jeden Tag in ihren öffentlichen Statements wiederholen.

Xis offene Kritik ist dennoch ungewöhnlich, weil Chinas Führung bei ihren Äußerungen meist vage von "bestimmten Ländern" spricht, ohne die USA oder den Westen direkt zu nennen. Die Aussagen am Dienstag fielen bei einem Gespräch mit Delegierten der Konsultativkonferenz, des beratenden Gremiums, das parallel zum Volkskongress tagt. Dass die Äußerungen bekannt wurden, dürfte kein Zufall sein. Die chinesische Regierungsspitze trifft sich zu einem großen Teil im Geheimen, bei den meisten Sitzungen sind Journalisten nicht zugelassen. Von der Tagung werden gezielt nur vereinzelt Äußerungen weitergegeben.

China betrachte Europa als "umfassenden strategischen Partner". Das sagte der Sprecher des Volkskongresses noch am Samstag

Es sind immer wieder gemischte Signale, die Chinas Führung an seine westlichen Partner sendet. Der Sprecher des Volkskongresses, Wang Chao, hatte sich erst am Samstag an die Europäische Union gerichtet und erklärt, dass China ungeachtet der "Meinungsunterschiede" über den russischen Angriffskrieg in der Ukraine "keine grundlegenden strategischen Differenzen und Konflikte" zwischen beiden Seiten sehe. Peking hat den Angriffskrieg auf die Ukraine nie verurteilt und gibt Russlands Präsident Wladimir Putin politisch Rückendeckung.

Wang erklärte, dass es angesichts der unterschiedlichen Geschichte, Kultur, Entwicklung und Ideologie normal sei, "verschiedene Ansichten über einige Fragen" zu haben. Er hob die Gemeinsamkeiten hervor und sprach sich für einen Ausbau der Beziehungen und der wirtschaftlichen Kooperation aus. China betrachte Europa als "umfassenden strategischen Partner".

Auch Wang blieb in seiner Kritik vage und erklärte, "einige Leute" stellten Europa und China als "systemische Rivalen" dar und sprächen von einer "chinesischen Bedrohung". Dahinter steckten eine "Mentalität des Kalten Krieges und ideologische Vorurteile". Seit 2019 bezeichnet die EU-Kommission die Volksrepublik als Partner, Wettbewerber und systemischen Rivalen. In Statements zu Hause stellt Peking die EU immer wieder recht unverblümt als einen Vasallen der USA dar.

Der Konflikt in der Ukraine wird laut Außenminister Qin Gang von einer "unsichtbaren Hand" gesteuert

Deutlicher und eher nach Xi klang am Dienstag dann wiederum Chinas neuer Außenminister Qin Gang, der ebenfalls auf die Amerikaner losging. "Sie betrachten China als ihren Hauptrivalen und als die größte geopolitische Herausforderung", sagte der Diplomat auf einer Pressekonferenz. "Wenn die Vereinigten Staaten nicht auf die Bremse treten und weiterhin den falschen Weg einschlagen, können keine noch so großen Leitplanken eine Entgleisung verhindern, die zu einem Konflikt und einer Konfrontation führen wird, und wer wird die katastrophalen Folgen tragen?"

Der Konflikt in der Ukraine wird nach den Worten von Chinas Außenminister Qin Gang von einer "unsichtbaren Hand" gesteuert. Diese benutze "die Ukraine-Krise, um bestimmte geopolitische Ziele zu erreichen", sagt Qin. Sie dringe auf eine Verlängerung und Eskalation. Ein Vorwurf, der sich vor allem an die USA und die Nato richten dürfte. Qin forderte auch, "die legitimen Sicherheitsbedenken aller Parteien" zu respektieren. Eine Position, mit der China den Angriff Russlands rechtfertigt.

In seinen Kommentaren am Dienstag warnte Xi auch vor den vielen Problemen zu Hause und nannte als Beispiel wiederholte Covid-19-Ausbrüche. Das Land hat sich erst im Dezember abrupt geöffnet, nachdem landesweit Menschen gegen die rigorosen Covid-Maßnahmen protestiert hatten. Experten gehen davon aus, dass in den Wochen nach der unkontrollierten Öffnung mehr als eine Million Menschen an Corona starben.

Xi erwähnte auch den zunehmenden Druck auf die Wirtschaft. Er rief die chinesischen Unternehmen dazu auf, die Innovation zu stärken. Das sei wichtig, um im Bereich der Technologie unabhängiger zu werden. Die massiven Lockdowns im vergangenen Jahr, eine schwache heimische Nachfrage und eine Immobilienkrise haben Chinas Konjunktur massiv belastet. Erst am Samstag hatte der scheidende Ministerpräsident Li Keqiang ein vergleichsweise geringes Wachstumsziel von etwa fünf Prozent angekündigt und versprochen, neue Arbeitsplätze zu schaffen.

Washington reagierte am Dienstag betont kühl auf die Anwürfe aus Peking. "Wir streben einen strategischen Wettbewerb mit China an, aber wir wollen keinen Konflikt", sagte John Kirby, Sprecher des Nationalen Sicherheitsrats. "Bei allem Respekt vor dem chinesischen Außenminister: Es gibt keine Änderung in dieser bilateralen Beziehung." Auch weiterhin unterstützten die USA die Unabhängigkeit von Taiwan nicht, so Kirby, "wir wollen keinerlei einseitige Änderung des Status quo."

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