TV-Duell in Schleswig-Holstein:Geschrödert im Norden

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Vier Tage vor der schleswig-holsteinischen Landtagswahl zeigt Torsten Albig, was er auf der Berliner Bühne gelernt hat. Nach monatelangem Schmusewahlkampf setzt der SPD-Spitzenkandidat gezielt ein paar Gemeinheiten gegen seinen CDU-Rivalen Jost de Jager. Selbst Franz Josef Strauß muss dafür herhalten.

Von Oliver Das Gupta

Zuerst ein paar grundsätzliche Dinge: Seit zehn Jahren gibt es in der Bundesrepublik TV-Duelle. Da beharken sich Kanzlerkandidaten oder Leute, die Ministerpräsident werden wollen. Danach sollen die Bürger wissen, was sie wählen. Das klappt nicht immer. Warum?

TV-Duell der Spitzenkandidaten vor der Wahl in Kiel

Torsten Albig (SPD; li.) und Jost de Jager (CDU) schätzen einander. Attackiert haben sie sich beim Streitgespräch vor laufenden Kameras trotzdem.

(Foto: dpa)

Oft gerieren sich die Damen und Herren Politiker als Floskelschwafler und Zahlenspucker, mindestens aber als Abspuler. Manchmal unterläuft einem Kandidaten ein Lapsus (interessanterweise passierte das zweimal in Hamburg, wie man hier und hier nachlesen kann). So ein Blackout kann für Klarheit sorgen oder wenigstens für gute Unterhaltung. Aber darauf darf man angesichts der ausgiebigen Coacherei nicht mehr vertrauen. Auch einen Edmund Stoiber gibt es nicht mehr, dessen Bandwurmsätze seinerzeit durch die Studios mäanderten und dessen "Ähs" man mit Genuss zählte. Meistens sind die vorher mächtig hochgejazzten Fernsehduelle dann doch nur eines: fade.

Beim schleswig-holsteinischen Duell am Mittwochabend kann von Langeweile keine Rede sein. Vor dem Kieler Funkhaus des NDR sammelten sich Anhänger von SPD und CDU schon 90 Minuten vor Beginn der Sendung. Die Stimmung erinnerte an rivalisierende Fan-Gruppen im Fußballstadion. Jusos reckten rote Fahnen und präsentierten einige gefälschte CDU-Wahlplakate. Die CDU-Anhänger skandierten "Hier regiert die CDU".

Lehrjahre in der Bundespolitik

Dabei sah es lange Zeit danach aus, dass dieser Fernsehauftritt besonders trocken werden würde - wegen der Duellanten. Seit Monaten lieferten sich der CDU-Spitzenkandidat Jost de Jager und sein SPD-Kontrahent Torsten Albig einen Schmusewahlkampf. Der Christdemokrat, der fleißige Landeswirtschaftsminister, der für seinen gestrauchelten Vorgänger Christan von Boetticher einspringen musste, wirkt dabei wie sein eigener Referent.

Und der Sozialdemokrat im Kieler Oberbürgermeister-Sessel kurvt seit Wochen zwischen Ost- und Nordsee von Ort zu Ort auf einer "Lieblingsland"-Tour und ist dabei stets bemüht, inhaltlich fluffig zu bleiben. Nach dem Motto: So hat sich schon die Kanzlerin an die Macht gemerkelt. Albig hat in der Bundespolitik viel gelernt, was er an diesem Abend anwandte, aber dazu später.

Dass es beim TV-Duell knisterte, lag an mehreren Komponenten: Da sind die Umfrageergebnisse, die die Volksparteien Kopf an Kopf sehen. Und da ist der erst jüngst erfolgte Rückfall in Zeiten, als in der Landespolitik die Fetzen flogen: SPD-Landeschef Ralf Stegner brüskierte die CDU im Landtag, als er Ministerpräsident Peter Harry Carstensen einen würdigen Abschied vermasseln wollte. Und aus der Union gezielt Stimmung gemacht wurde gegen den Südschleswigschen Wählerverband (SSW), der Rot-Grün zur Mehrheit verhelfen könnte.

Die CDU behauptete, der SSW wolle Urlaubsgeld für Hafturlauber - eine unwahre Behauptung. Die SPD wähnte sich an Uwe Barschels schmutzige Tricks erinnert, was wiederum die CDU auf die Barrikaden brachte. Und so drohte der Schmusewahlkampf plötzlich zu einem "Schweinewahlkampf" zu mutieren, wie der Grünen-Spitzenkandidat Robert Habeck feststellte.

Albig und de Jager schätzen einander, im Wahlkampf fanden sie durchaus freundliche Worte füreinander. Attackiert haben sie sich beim Streitgespräch vor laufenden Kameras trotzdem, wobei Albig eine bessere Figur machte. Viele Jahre hatte er als Mitarbeiter dreier Bundesfinanzminister die Mechanismen der Bundespolitik aus nächster Nähe studieren können: Aufstiege und Stürze, was verfängt, was man besser bleiben lässt - und wann es lohnt zuzuschnappen.

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