Nach Wahldebakel für Simonis:Rufe nach großer Koalition werden lauter

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Viermal wollte sich Heide Simonis zur Ministerpräsidentin wählen zu lassen, viermal vergeblich. Die Union jubelt und sieht bereits ihren Kandidaten Carstensen als neuen Chef eines schwarz-roten Regierungsbündnisses. Doch auch die SPD drängt mittlerweile auf eine Große Koalition.

Druck kommt vor allem aus Nordrhein-Westfalen. Hier will Ministerpräsident Peer Steinbrück (SPD) im Mai wiedergewählt werden. Da kam das Kieler Wahldebakel eher ungelegen. Er habe seinen Kollegen zwar keine Vorschriften zu machen, angesichts der Landtagswahl in seinem Land aber "ein Interesse daran, dass das schnell geklärt wird", sagte Steinbrück im "ZDF-Morgenmagazin".

Peter Harry Carstensen könnte mit einer großen Koalition doch noch zum Ministerpräsident gewählt werden. Vielleicht reicht dann auch ein Wahlgang. (Foto: Foto: Reuters)

Er hoffe, dass diese Frage "nicht über Ostern hinaus" offen bleibe. Dabei halte er eine große Koalition für wahrscheinlich.

Auch FDP-Chef Guido Westerwelle hält nach dem Wahlkrimi in Kiel eine große Koalition für die wahrscheinlichste Lösung. Er finde das zwar "nicht gut", er sei "aber Demokrat und habe das zu respektieren", sagte der FDP-Vorsitzende in der ZDF-Sendung "Berlin Mitte".

"Zu lange an ihrem Stuhl geklebt"

Der schleswig-holsteinische CDU-Fraktionschef Peter-Harry Carstensen favorisiert ebenfalls eine große Koalition. Allerdings möchte er dann Ministerpräsident werden.

CDU-Chefin Angela Merkel blieb diplomatischer. Sie äußerte die Hoffnung, dass nach dem Wahldebakel nunmehr die Vernunft siegen werde und eine stabile Regierung zustande kommen werde. Simonis habe "zu lange an ihrem Stuhl geklebt".

CDU-Generalsekretär Volker Kauder erklärte, Simonis sei "komplett gescheitert". Das Ergebnis der Ministerpräsidentenwahl sei die Quittung dafür, dass sie "ihre eigenen persönlichen Interessen vor den Nutzen des Landes gestellt hat".

Müntefering gegen Neuwahlen

Der Vorsitzende der Bundes-SPD, Franz Müntefering sprach sich gegen eine Neuwahl in Schleswig-Holstein aus, wollte aber auch nicht ausschließen, dass nun ein anderer Kandidat von der SPD präsentiert werden könnte.

Simonis politische Zukunft gilt jetzt als höchst gefährdet. Die SPD will mit allen Parteien über eine neue Regierung reden.

"Die Sondierungsgespräche werden wieder aufgenommen", sagte SPD-Landeschef Claus Möller. Er bleibe aber dabei, dass eine andere Koalition als Rot-Grün mit SSW "politisch wesentlich schwieriger" sei.

Ampelkoalition möglich - theoretisch

Theoretisch hätte auch eine Ampelkoalition aus SPD, FDP und Grünen eine Mehrheit. "Ich glaube nicht, dass die FDP ein ganz großes Interesse an einer großen Koalition hat", sagte Möller.

Ursprünglich wollte Simonis eine vom SSW unterstützte rot-grüne Koalition bilden. Die dänisch orientierte Regionalpartei reagierte ebenso wie die Grünen wütend auf den "Abweichler". Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) äußerte sich "sehr betrübt": Er könne mit Heide Simonis - "dieser großartigen Frau" - mitfühlen, sagte er in Berlin.

Das Problem müsse aber ausschließlich in Schleswig-Holstein gelöst werden. SPD-Chef Franz Müntefering sprach sich gegen eine Neuwahl in Schleswig-Holstein aus.

Bedenkzeit für Simonis

Simonis fehlte eine Stimme aus dem Lager von SPD, Grünen und Südschleswigschem Wählerverband (SSW). Der "Abweichler" wird in der SPD vermutet. Nach Aussage des SPD-Landesvorsitzenden Claus Möller, hat Simonis sich Bedenkzeit erbeten, um über ihre Zukunft zu entscheiden.

Für Spekulationen, wonach sie generell nicht mehr antreten wolle, gab es am Abend weder bei der Regierung noch bei der SPD eine Bestätigung. Carstensen erklärte am Abend, er wolle schnell mit der SPD über eine große Koalition verhandeln. Darin wolle er Ministerpräsident werden. Die CDU hatte die Wahl vor einem Monat gewonnen, für eine Koalition mit der FDP fehlte aber ein Mandat.

Nach einer Blitzumfrage des Meinungsforschungsinstituts Infratest Dimap im Auftrag des ARD-"Brennpunkts" wünschen sich 62 Prozent der Schleswig-Holsteiner nun Neuwahlen zu ihrem Landtag. 32 Prozent der 500 Befragten sagten nach dem Wahlmarathon vom Donnerstag, ihnen wäre eine große Koalition aus CDU und SPD lieber.

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