FDP-Spitzenkandidat Kubicki im Interview:"In Schleswig-Holstein ist Jamaika am wahrscheinlichsten"

Planspiele über neue Koalitionen: FDP-Frontmann Wolfgang Kubicki entdeckt Gemeinsamkeiten mit den Grünen. Im Gespräch mit Süddeutsche.de prophezeit der scharfzüngige Kieler FDP-Fraktionschef, dass seine Partei bei der Wahl in Schleswig-Holstein ein überraschend gutes Ergebnis holt, zieht über einen SPD-Spitzenmann her - und beteuert, eine "Beißhemmung" entwickelt zu haben.

Ralf Wiegand und Oliver Das Gupta

Wolfgang Kubicki, Jahrgang 1952, mischt schon das dritte Jahrzehnt in der schleswig-holsteinischen Landespolitik mit. Seit 20 Jahren sitzt er im Landtag, inzwischen ist die Nord-FDP Kubicki und Kubicki die Nord-FDP. Das FDP-Vorstandsmitglied sorgt immer wieder bundesweit für Schlagzeilen, nicht zuletzt wegen seiner schonungslosen wie beißenden Kritik an seiner eigenen Partei und deren Chefs. Nun soll ausgerechnet der Quertreiber aus dem Hohen Norden den Negativ-Trend der gefährdeten FDP stoppen - mit dem Wiedereinzug der FDP ins Kieler Landeshaus bei der Landtagswahl am 6. Mai. Noch ist er dort Fraktionschef, doch nach dem Urnengang will er mehr: als Minister regieren.

FDP-Fraktionsvorsitzender und in Kiel und Spitzenkandidat für die Landtagswahl in Schleswig-Holstein: Wolfgang Kubicki

FDP-Fraktionsvorsitzender in Kiel und Spitzenkandidat für die Landtagswahl in Schleswig-Holstein: Wolfgang Kubicki.

(Foto: dpa)

SZ: Herr Kubicki, Sie haben in Karlsruhe beim Parteitag Liberale aus der ganzen Republik getroffen. Wie ist die Stimmung in der Partei?

Wolfgang Kubicki: (lacht) Solange ich da war, war sie gut.

SZ: Lag das an Ihrer Rede?

Kubicki: Ich bekam zwar erstmals stehende Ovationen, aber bei mir standen wesentlich weniger Delegierte auf als bei Christian Lindner. Er hat eine sensationelle Wahlkampfrede gehalten. Ich habe lediglich dazu aufgerufen, über manche Dinge neu nachzudenken. Zum Beispiel darüber, dass man den Spitzensteuersatz anheben könnte, damit diejenigen, die wenig verdienen, entlastet werden können. Die Bundes-Partei hat meine Impulse zugelassen und aufgenommen. Das beweist, dass die FDP Mut hat und in Bewegung ist.

SZ: Sie erwähnen Lindner, aber nicht Parteichef Philipp Rösler, der ja in Karlsruhe auch eine lange Rede gehalten hat. Wird er sich nach den Wahlen in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen im Amt halten können?

Kubicki: Egal wie die Wahlen ausgehen: Philipp Rösler wird Bundesvorsitzender bleiben.

SZ: Weil es keine Alternativen gibt?

Kubicki: Es gibt immer Alternativen. Aber nicht in nächster Zeit. Christian Lindner, der das Zeug zum Vorsitzenden hätte, wird erst einmal als Fraktionschef in den Düsseldorfer Landtag wechseln.

SZ: Wie nah fühlen Sie sich Ihrer Partei?

Kubicki: Die Landespartei ist mein Zuhause.

SZ: Manche in der Partei haben sich mächtig über Ihre FDP-interne Kritik aufgeregt, Ihre Querschüsse gegen Guido Westerwelle sind legendär. Sind Sie jetzt wieder gut miteinander?

Kubicki: Wir waren nie auseinander, sondern haben immer ein freundschaftliches Verhältnis zueinander gepflegt. Dazu gehört, dass ich mir meine persönliche Unabhängigkeit bewahre und das sage, was ich denke. Auch das ist eine Facette von Liberalismus und zeichnet die FDP aus.

SZ: Ihre Haltung zum Spitzensteuersatz dürfte bei der Nord-SPD gut ankommen, die gute Chancen hat, bei der Wahl am 6. Mai stärkste Kraft im Land zu werden. Welche Koalition halten Sie am wahrscheinlichsten?

Kubicki: Meine Überlegungen zum Steuersystem unterscheiden sich stark von denen der SPD. Ich will kleine und mittlere Einkommen entlasten, die Sozialdemokraten wollen mehr Geld ausgeben. Im Übrigen: Am unwahrscheinlichsten sind Zweier-Bündnisse. Es gibt wohl weder für Rot-Grün noch für Schwarz-Gelb eine Mehrheit.

SZ: Was spricht gegen eine große Koalition aus CDU und SPD?

Kubicki: Eine ganze Menge. Zwischen CDU und SPD gibt es große Dissonanzen. Es wird so getan, als ob das Land in den Abgrund gerissen würde, wenn die jeweils anderen drankommen. Das ist natürlich totaler Quatsch. Aber es reißt Wunden, die auch nach dem Wahltag nicht so schnell verheilt sein werden. Das macht die Begründung einer Großen Koalition äußerst schwierig.

SZ: Bleiben Dreier-Bündnisse: Die "Dänen-Ampel" aus SPD, Grünen und dem Südschleswig'schen Wählerverband sowie die Ampel oder Jamaika.

Kubicki: Jamaika aus CDU, FDP und Grünen ist aus unserer Sicht am wahrscheinlichsten.

SZ: Was macht Ralf Stegner denn so mächtig, dass er die meisten Bündnisse mit der SPD fast unmöglich macht?

Kubicki: Es liegt an seinem schlechten Benehmen. Früher war er anders, er hätte sich zu einer herausragenden Persönlichkeit entwickeln können. Aber seit Jahren erlebt er eine Niederlage nach der nächsten: Wahlpleiten, interne Schlappen, zuletzt schnappt ihm Torsten Albig die Spitzenkandidatur der SPD weg. Ralf Stegner ist inzwischen nur noch verbittert.

"Der politische Raum ist wie ein Gerichtssaal"

SZ: Seit 20 Jahren sitzen Sie nun schon im Landtag. Wie hat Sie diese Zeit verändert?

Kubicki: Ich bin etwas ruhiger in meinem Auftreten geworden. Mit den Jahren habe ich eine Art Beißhemmung entwickelt - auch wenn es ab und zu sicherlich, das muss ich wohl zugeben, einen Ausreißer gibt.

SZ: Sie sind dafür bekannt hart auszuteilen. Wie aggressiv muss man sein, um erfolgreich Politik zu machen?

Kubicki: Der politische Raum ist wie ein Gerichtssaal. Es gilt, Situationen sofort zu erfassen, zu bewerten und zu reagieren. Die Wirkung ist das Entscheidende, und wie man miteinander umgeht.

SZ: Neu an diesem Wahlkampf ist, dass Sie gleich auch noch die Bundes-FDP ein bisschen mitretten können. Ist das eher Bürde oder Kick?

Kubicki: Weder, noch. Ich bin kein Retter. Diese Überhöhung ist die Berliner Sicht der Dinge.

SZ: Und im Rest der Republik.

Kubicki: Nicht in Schleswig-Holstein. Das Schicksal der FDP interessiert hier kaum jemanden. Wir werden im Norden gewählt, weil wir mit Inhalten und Personal überzeugen.

SZ: Inzwischen steht die Nord-FDP in den letzten Umfragen bei fünf, sechs, sieben Prozent. Wie viele werden es am Wahlsonntag?

Kubicki: 6,5 bis neun Prozent sind möglich. Das habe ich immer gesagt.

SZ: CDU-Mann Jost de Jager oder Sozialdemokrat Torsten Albig: Welcher der Ministerpräsidenten-Kandidaten macht im Wahlkampf die bessere Figur?

Kubicki: Torsten Albig ist ein souveräner Wahlkämpfer, der aber der direkten Auseinandersetzung eher aus dem Weg geht. Jost de Jager ist für einen Schlagabtausch immer zu haben.

SZ: Der Grüne Robert Habeck sagte im SZ-Interview über Sie, er würde Sie als Sparringspartner im Landtag vermissen, wenn die FDP unter fünf Prozent bleibt - aber diesen Verlust würde er in Kauf nehmen.

Kubicki: Robert Habeck ist ein interessanter Typ, der allerdings auch lernen musste, dass man mit zweideutigen philosophischen Sprüchen allein keine Landespolitik betreiben kann. In den letzten zwei Jahren war er - und nicht SPD-Mann Ralf Stegner - der eigentliche Oppositionsführer. Was ich den Grünen zugutehalte: Sie lernen endlich, dass ein Land ohne Wirtschaft keine Zukunft hat.

SZ: Haben FDP und die Grünen denn auch auf anderen Feldern ausreichend Schnittmengen?

Kubicki: Ja, im Bereich Innen und Recht etwa. Aber auch bei der Haushaltspolitik gibt es ganz grundsätzlich betrachtet Schnittmengen.

SZ: Und bei der SPD?

Kubicki: Bei den Sozialdemokraten ist das weitaus schwieriger, weil dort Ralf Stegners Handschrift durchschlägt - seine Positionen unterscheiden sich deutlich von unseren.

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