Syrien:Erdoğan und Trump - in Angst vereint

Den beiden Staatschefs scheint klar zu werden, was für ein Desaster sie in Syrien angerichtet haben. Doch ob der vorläufige Waffenstillstand viel bringt, ist fraglich. Einen Sieger gibt es immerhin schon: Assad.

Kommentar von Christiane Schlötzer, Istanbul

So einig waren sich Amerika und die Türkei selten. Ankara feiert einen "Sieg" in Syrien, und Donald Trump feiert sich selbst. "Härte und Liebe" gegenüber der Türkei habe diesen "unkonventionellen" diplomatischen Erfolg ermöglicht, jubelt der US-Präsident. In Wahrheit aber war es wohl die Angst vor dem, was sie da gemeinsam im Norden Syriens angerichtet haben, die Washingtons Emissäre nach Ankara trieb und die Türken in einen vorläufigen Waffenstillstand einwilligen ließ.

Es war der von Trump persönlich befohlene US-Truppenrückzug aus der Region, der dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan den Freibrief für den Angriff gab. Schon in den ersten Tagen der Offensive waren in Syrien wieder Zehntausende auf der Flucht, es gab viele Tote und Verletzte auf beiden Seiten der türkisch-syrischen Grenze. Dass die von Amerika im Stich gelassene und sich selbst überlassene syrische Kurdenmiliz YPG auch auf türkisches Gebiet zurückschießen würde, hatte Ankara wohl irgendwie nicht bedacht. Die Türkei konnte ihre eigene Bevölkerung nicht schützen, auch in den türkischen Grenzstädten ergriffen die Menschen die Flucht.

Als die ersten Gefangenen der Terrormiliz Islamischer Staat in dem Kugelhagel die Gunst der Stunde nutzten und sich davonmachten, wirkte dies wie eine Sturmwarnung, nicht nur in Washington, sondern auch in Moskau. In Ankara dürfte es ebenfalls einigen Leuten bange geworden sein, schließlich hat es in der Türkei in der Vergangenheit verheerende Anschläge des IS gegeben. Dann kündigten die syrischen Kurden auch noch offiziell ihre Verantwortung für alle IS-Häftlinge auf, weil sie sich selbst zu verteidigen hätten. Spätestens da musste allen klar sein, welches Chaos nur neun Tage Krieg in Nordsyrien angerichtet hatten.

Gegen die Angst hilft gewöhnlich lautes Singen. Deshalb wird die Einigung von Ankara nun bejubelt. Nur, was haben US-Vizepräsident Mike Pence und Erdoğan wirklich in den viereinhalb Stunden am Verhandlungstisch erreicht? Die Waffen sollen für 120 Stunden schweigen, das ist uneingeschränkt zu begrüßen, weil es den Menschen auf beiden Seiten der Grenze eine Atempause gibt. Amerika und die Türkei aber haben ihren Deal ohne den Diktator in Damaskus gemacht, der keine türkischen Truppen auf syrischem Territorium dulden will.

Die Türkei möchte jedoch immer noch ein Gebiet zur "Schutzzone" unter ihrer Kontrolle machen, das größer ist als Libanon. Dabei dürfte sie sich künftig auf die Zustimmung Amerikas berufen. Die syrischen Kurden aber sagen, die Abmachung gelte nur für ein viel kleineres Territorium. Es gibt noch weit mehr Luftlöcher in der Vereinbarung.

Die USA und die Türkei versprechen darin eine gemeinsame Bekämpfung des IS, aber wie soll das gehen? Werden die US-Truppen ihren Abzug absagen? Nur was machen sie dann ohne ihre kurdischen Fußtruppen? Die haben die Seiten gewechselt und sich zum Selbstschutz Damaskus unterstellt. Wenn es also einen Sieger gibt, dann ist es Diktator Baschar al-Assad. Wie er diesen Vorteil nutzen wird - gegen den Erzfeind Türkei - ist offen. Für die Türkei bedeutet das: Sie wird eine Verständigung mit den Kurden finden müssen, auch für ihren inneren Frieden, bevor sich neue Fronten auftun.

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