Trump-Buch von Watergate-Journalist Woodward:Der Präsident, an dem die eigenen Mitarbeiter verzweifeln

  • Der US-Journalist Bob Woodward zeichnet in seinem Buch "Fear" ("Angst") das Bild einer chaotischen und von gegenseitigem Misstrauen geprägten Regierung unter Donald Trump.
  • Engste Mitarbeiter wie Verteidigungsminister Mattis sollen den Präsidenten insgeheim verachten.
  • Ein persönliches Gespräch zwischen Woodward und dem Präsidenten kam nicht zustande - in einem Telefonat mit Woodward nach der Fertigstellung des Buches findet Trump erstaunliche Erklärungen dafür.

Von Thorsten Denkler, New York

Wenn Journalisten führende Politiker für ein Buch um ein Interview bitten, müssen sie mit Absagen rechnen. Keine Zeit, kein Interesse, keine Lust, kein Vertrauen. Davor sind auch Journalisten wie die Washington Post-Legende Bob Woodward nicht gefeit. Woodward deckte Anfang der 70er Jahre zusammen mit seinem Kollegen Carl Bernstein die Watergate-Affäre von Präsident Richard Nixon auf. Jetzt hat er ein Buch über US-Präsident Donald Trump und das Weiße Haus geschrieben. So wie er schon über acht Präsidenten seit Nixon Bücher geschrieben hat.

Fertig war es bereits Anfang August. Mitte September soll es auf den Markt kommen. Es trägt den schlichten Titel "Fear", Angst. Natürlich hat Woodward über viele offizielle und inoffizielle Wege versucht, Trump für ein Interview zu bekommen. Nur Absagen. Umso überraschter dürfte er gewesen sein, als Trump ihn Anfang August plötzlich persönlich kontaktierte, um ihn zu fragen, warum Woodward ihn nicht angerufen habe für das Buch.

Woodward hat dieses Gespräch aufgezeichnet. Die Washington Post hat es jetzt veröffentlicht. Es ist keine große Geschichte. Aber sie macht einmal mehr anschaulich, in welchem Zustand sich das Weiße Haus unter Trump befindet.

Wer gibt eigentlich Interviews mit dem Präsidenten frei?

Woodward erklärt zu Beginn des Telefonats sein Bedauern, dass es für das Buch keine Möglichkeit gegeben habe, mit Trump zu sprechen. Trump bedauert das ebenso, erklärt aber, die Bitte sei nie an ihn herangetragen worden. Das wiederum wundert Woodward. Sechs bis sieben Leute habe er angesprochen. Darunter Trumps stellvertretenden Pressesprecher Raj Shah, den republikanischen Senator Lindsey Graham, zu dem Trump guten Kontakt pflegt. Und Trumps Beraterin Kellyanne Conway, erklärt Woodward dem Präsidenten.

Wie es der Zufall will, kommt Conway während des Telefonats ins Oval Offive. Woodward will die Sache geraderücken. Mit Conway habe er sich während eines Mittagessens über das Buch unterhalten, sagt Woodward. Trump gibt den Hörer an Conway weiter, die das bestätigt. Sie sagt aber, sie sei dem Protokoll gefolgt und habe keine Freigabe für das Interview bekommen. Nächstes Mal werde sie direkt zu Trump gehen, verspricht Conway.

Woodward ist verwundert - Conway hat schließlich direkten Zugang zu Trump. Warum sollte sie jemand anders fragen? Und wen eigentlich? Keine Antwort. Und wo landen Interviewanfragen, die über die Pressestelle des Weißen Hauses gestellt werden? Es ist in dem Fall ja nicht so, dass irgendein unbekannter Neuling die Idee hatte, mal ein Buch über Trump zu schreiben. Es ist Bob Woodward. Der Name allein sollte im Weißen Haus ausreichen, um so eine Anfrage auf den Schreibtisch des Präsidenten zu bringen.

Woodward erklärt Trump, Senator Graham habe ihm versichert, den Interviewwunsch an Trump persönlich übermittelt zu haben. Trump, der vorher behauptet hatte, kein Senator habe ihn jemals auf die Bitte angesprochen, erinnert sich plötzlich. Ja, Graham habe das einmal angesprochen. Aber nur sehr kurz.

"Wir machen das, um den Dritten Weltkrieg zu verhindern"

Trump will offenkundig nicht blöd dastehen. Warum Woodward nicht mit seinem Vorzimmer gesprochen habe, mit Madeleine Westerhout? Sie sei der Schlüssel zu ihm. Woodward ist überrascht. Es ist - vorsichtig formuliert - eher unüblich, dass Journalisten ihre Anfragen direkt an das Vorzimmer des Präsidenten richten. Und er habe ja schließlich die Pressestelle und Conway informiert. "Ich weiß gerade nicht, wie die Dinge bei Ihnen laufen, wenn es darum geht, Sie zu erreichen", sagt Woodward. Ein erstaunlich verzweifelter Satz für jemanden, der seit Jahrzehnten für die Washington Post über Präsidenten berichtet.

Trump wartet dann mit einer irritierenden Erklärung auf, warum niemand auf ihn zugekommen sein soll. Viele seiner Mitarbeiter hätten Angst, ihn anzusprechen. Oder seien einfach zu beschäftigt. Beide Erklärungen sind eher fragwürdig. Interviewanfragen anderer Medien erreichen Trump schließlich auch. Kürzlich hat er mit der Agentur Bloomberg ein längeres Gespräch geführt.

Wem das jetzt vorkommt, als wäre das Weiße Haus ein einziges Kuddelmuddel, in dem die rechte Hand nicht weiß, was die linke tut, nun, nach Woodwards Recherchen ist das noch eine Untertreibung. Die Washington Post hat im Vorlauf der offiziellen Buchveröffentlichung eine Zusammenfassung des mehr als 440 Seiten starken Werkes veröffentlicht. Die Erkenntnisse überraschen nicht wirklich. Woodward zeichnet das Bild eines konfusen und führungslosen Haufens von Mitarbeitern, die sich gegenseitig kaum über den Weg trauen. Und Trump schon gar nicht.

100 Stunden Tonbandaufnahmen

Woodwards Bücher aber zeichnet ein besonderes Maß an Genauigkeit und Sorgfalt aus. Er hat mit verschiedenen Quellen im Weißen Haus gesprochen, mehr als 100 Stunden Tonbandaufnahmen sind das Ergebnis. Die Quellen wollen zwar in der Regel nicht namentlich genannt werden. Aber das ist journalistischer Standard. Anders als der Autor Michael Wolff, der mit seinem Buch "Fire und Fury" aus dem Innenleben des Weißen Hauses berichtet hatte, hat Woodward keine Geschichten erfunden.

Dennoch kommen beide zum gleichen Schluss. Woodwards Recherchen haben etwa ergeben, wie aufgebracht Trumps Sicherheitsberater waren, als sie feststellen mussten, wie ahnungslos und zugleich wenig interessiert Trump ist, wenn es um internationale Politik geht. Die Exekutive habe unter Trump so etwas wie einen "Nervenzusammenbruch" erlitten. In einem Treffen mit seinen Sicherheitsberatern ging es um das US-amerikanische Engagement auf der Koreanischen Halbinsel. Trump soll irgendwann gefragt haben, warum die USA sich da überhaupt einmischten. Verteidigungsminister Jim Mattis soll darauf knapp geantwortet haben: "Wir machen das, um den Dritten Weltkrieg zu verhindern." Danach soll Mattis sich gegenüber Mitarbeitern verzweifelt gezeigt haben. Trump habe das Benehmen und den Verstand eines Fünft- oder Sechstklässlers.

Ähnlich scheint es auch Trumps Stabschef John Kelly zu gehen. Seit Monaten halten sich Gerüchte, dass er am liebsten hinwerfen würde. Er soll einzig aus Verantwortung für das Land im Weißen Haus bleiben. Einmal soll Kelly außer sich gewesen sein über Trump. Dieser habe wohl "den Verstand verloren". In einer kleinen Gruppe soll sich Kelly offenbart haben: "Er ist ein Idiot. Es ist sinnlos zu versuchen, ihn von irgendetwas zu überzeugen. Er ist völlig von der Rolle. Wir leben in einer Stadt der Verrückten. Ich weiß nicht, warum überhaupt noch einer hier arbeitet. Das ist der schlimmste Job, den ich jemals hatte." Trump selbst soll seinen Justizminister Jeff Session als "geistig behindert" und "einen dummen Südstaatler" bezeichnet haben. Mit ihm liegt er seit mehr als einem Jahr im Clinch.

Kelly hat noch am Dienstag in einer Erklärung bestritten, Trump jemals einen Idioten genannt zu haben. Die Story sei "total BS", totaler Bullshit. Verteidigungsminister Mattis nennt das Buch "reine Fiktion". Trump legt auf Twitter nach: Das Buch sei ein "Betrug an der Öffentlichkeit" und Woodward womöglich ein "Agent der Demokraten". Er teilt auch eine Presseerklärung des Weißen Hauses. In der heißt es, das Buch bestehe "nur aus fabrizierten Geschichten, von denen einige von verärgerten früheren Mitarbeitern kommen, die den Präsidenten schlecht aussehen lassen wollen". Ähnliche Erklärungen gibt das Weiße Haus zu allen Büchern ab, die sich kritisch mit Trump auseinandersetzen.

Überrascht sein dürfte Trump nicht, dass das Buch keine Schmeichellektüre wird. In dem Telefonat mit Trump erklärt Woodward dem Präsidenten offen, dass das Buch hart mit dessen Regierung und mit ihm persönlich ins Gericht gehe. Trump sagt, dann werde es eben ein "schlechtes Buch". Und "nicht akkurat". Woodward widerspricht. Es werde akkurat sein, "das verspreche ich". Trump sagt darauf: "Nun, akkurat ist, dass niemand zuvor einen besseren Job als Präsident gemacht hat als ich."

Der Präsident hat offensichtlich andere Maßstäbe als Woodward, wenn es um Akkuratesse geht.

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