Treffen der Fraktionschefs in Murnau:Harmonie statt Inhalte

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Demonstrative Harmonie: Andrea Nahles (SPD,von links), Jordaniens Außenminister Ayman Safadi, der über die Flüchtlingssituation in seinem Land berichtete, Volker Kauder (CDU) und Alexander Dobrindt (CSU) in Murnau. (Foto: dpa)
  • Auch am zweiten Tag der Klausur demonstrieren die Fraktionschefs Harmonie
  • Nahles überlasst das Reden über Inhalte ihren Kollegen, Dobrindt findet das Treffen "exzellent"

Von Mike Szymanski, Murnau

Es klingt so höflich, als die drei Fraktionschef die Frühlingswiese vor ihrem Tagungshotel betreten. "Frau Nahles nehmen wir in die Mitte", sagt Volker Kauder, der Chef der CDU-Abgeordneten. Kollege Alexander Dobrindt (CSU) meint, es gebe jetzt auch nichts weiter zu besprechen. Andrea Nahles, die SPD-Chefin und Fraktionsvorsitzende lächelt. Noch. Denn in die Mitte nehmen, das heißt genau genommen: einklammern.

Es ist Dienstagmittag. Die Klausur der geschäftsführenden Fraktionsvorstände endet. Die Chefs ziehen Bilanz. Andrea Nahles darf zwar in die Mitte, aber anfangen darf sie nicht. Das übernimmt Volker Kauder. Er kapert gleich mal das Thema für die Unionsparteien, das eigentlich in der SPD als "große soziale Frage" verhandelt wird: Bezahlbares Wohnen.

Am Tag zuvor, oben auf der Zugspitze hatte CSU-Kollege Dobrindt bekannt gegeben, dass sich die Koalitionsfraktionen bei der "Wohnrauminitiative" einig geworden sind. Sie wollen ein Baukindergeld einführen - 1200 Euro pro Jahr und Kind für Familien. Profitieren sollen Haushalte mit einem zu versteuernden Einkommen bis zu 75 000 plus 15 000 Euro Freigrenze je Kind - rückwirkend zum 1. Januar 2018.

Vom SPD-Vorhaben, Mieterrechte zu stärken war dann gar nicht mehr viel die Rede. Jetzt ist es Kauder, der sagt: "Wir haben Beschlüsse gefasst, die für die Menschen wichtig sind." Und es ist Dobrindt, der das "wuchtige Wohn- und Baupaket" lobt. Und Nahles? Als sie an der Reihe ist, lobt sie das konstruktive Miteinander. War da nicht noch was? Ganz zum Schluss ihres Statements kommt sie - eher beiläufig - darauf zu sprechen, dass bei den Mieterrechten und der Stärkung des sozialen Wohnungsbaus "etwas sehr Wichtiges" auf den Weg gebracht worden sei.

Das Reden über Inhalte überlasst Nahles ihrem Kollegen Dobrindt

Wie sie so dasteht, erinnert sie ein wenig an ihren glücklosen Vorgänger an der SPD-Spitze, Martin Schulz. In den Sondierungen mit der Union hatte er viele große Wünsche der Sozialdemokraten in das Abschlusspapier hineinverhandelt. Als er völlig übermüdet mit den anderen Parteichefs vor die Presse trat, hatte er es versäumt, die inhaltlichen Errungenschaften zu präsentieren. Das übernahmen dann die anderen.

War Nahles übermüdet? Solange ging es am Abend zuvor nicht, obwohl die Abgeordneten auch ein wenig gefeiert hatten. Ein SPD-Mann setzte sich ans Klavier. Country Roads wurde gesungen. Dobrindt ist in jedem Fall am nächsten morgen hellwach. Sie hatten mit Sami Haddadin einen Professor für Robotik zu Gast. Es ging auch um die Zukunft der Arbeit - ein Kernthema von Nahles. Aber auch dieses überlässt sie Alexander Dobrindt. Der fühlt sich sogar in die verunsicherte Arbeitnehmerseele hinein: "Ersetzt nicht ein Roboter einen Arbeitsplatz?", gibt er die Sorge wieder um dann ausführen, wie engagiert sich die Regierung diesen Fragen annehmen werde.

Nahles sagt später doch tatsächlich: "Zu Arbeitsplatz schaffen und zurückholen hat Alexander Dobrindt genug gesagt." Als die SPD Nahles zur Parteichefin gemacht hat, war damit auch ausdrücklich die Erwartung verbunden, dass sie der SPD hilft, mehr Profil zu zeigen. Sie gehört der Regierung nicht an, sie ist an keine Kabinettsdisziplin gezwungen. Sie hätte die Freiheit, auch mal auf den Putz zu hauen. Tut sie im Moment aber nicht. Nicht mal als Dobrindt mit seiner Bemerkung zur "Anti-Abschiebe-Industrie" den Klausurauftakt belastet - absichtlich und just am Sonntag, als Dobrindt Nahles schon im privaten Rahmen und mit Kindern auf der Zugspitze empfängt.

Nahles wollte nicht, dass der Streit die Klausur dominiert - und ging gar nicht weiter darauf ein. Sie kennt Dobrindt noch aus der Zeit, als beide Generalsekretäre ihrer Parteien waren. Das ist politischer Nahkampf, nichts für Zimperliche. Entweder hasst man sich oder respektiert sich - heißt es über das Miteinander in dieser Position. Nahles und Dobrindt respektieren einander. An jenem Sonntag, bevor die Fraktionskollegen eintreffen, verständigen sie sich trotz des Ärgers über Dobrindts Äußerungen darauf, dass Baukindergeld rückwirkend gelten zu lassen.

Nahles wird darauf angesprochen, ob nicht mehr Profil von der SPD unter ihrer Führung erwartet werde. Sie sagt, heute sei es nun einmal um Projekte gegangen, wo man sich eben einig gewesen sei. Nahles, die Friedvolle. Am Ende der Klausur lobt Dobrindt den Verlauf des Treffens. Er hat ein Wort dafür, das alles zum Ausdruck bringt. "Exzellent" sei es gewesen.

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