Krieg in Syrien:Warum der Westen in Syrien nicht eingriff - Chronologie des Versagens

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Evacuation from rebel-held areas of Aleppo

Wohnraum in Aleppo: Blick auf eine zerstörte Häuserfront.

(Foto: AFP)

Das Leid der Menschen in Aleppo haben viele Beobachter vorhergesagt. Die USA und die anderen westlichen Staaten taten: nichts. Wie konnte es so weit kommen?

Von Moritz Baumstieger

Als Hillary Clinton im Juni 2014 ihre Memoiren zu ihrer Zeit als US-Außenministerin veröffentlichte, las sich schon der Titel wie eine Kurzzusammenfassung des Dilemmas, vor dem die Obama-Administration in Bezug auf Syrien stand: "Hard choices", schwere Entscheidungen. Auf Seite 461 schreibt die spätere Präsidentschaftskandidatin: "Wenn wir nichts tun, entwickelt sich ein humanitäres Desaster in der Region. Wenn wir militärisch intervenieren, riskieren wir, (...) in den nächsten Sumpf gezogen zu werden, wie im Irak", so Clinton. "Wenn wir den Rebellen Ausrüstung schicken, riskieren wir, dabei zusehen zu müssen, wie sie in den Händen von Extremisten landet - und wenn wir es mit Diplomatie versuchen, laufen wir gegen die Wand eines russischen Vetos."

Heute, zweieinhalb Jahre später, ist Clinton als Präsidentschaftskandidatin knapp an Donald Trump gescheitert. Und die Bilanz der Nahostpolitik ihres einstigen Dienstherren Barack Obama liest sich wie ein Erfüllungsbericht ihrer düsteren Voraussagen: Das humanitäre Desaster hat mit der Flüchtlingskrise begonnen und sich in Aleppo fortgesetzt, US-Truppen stehen wieder im Irak, von den USA ausgebildete Rebellen in Syrien haben sich als radikal erwiesen, und in den UN schlagen die USA gegenüber Russland ziemlich undiplomatische Töne an - was im Kreml jedoch nicht einmal ein Schulterzucken auslöst.

Angesichts der täglich neuen Bilder des Leids in Aleppo muss sich der Westen vorwerfen lassen, in Syrien versagt zu haben. Wie konnte es so weit kommen?

Srebrenica, Irak, Libyen - jedes Mal wollten die USA aus Fehlern lernen

Der langjährige US-Regierungsmitarbeiter Derek Chollet, der in seinem Buch "The Long Game" den außenpolitischen Ansatz der Obama-Regierungen erläutert, nennt immer wieder die drei geografischen Bezüge, die die Syrien-Diskussionen im Weißen Haus prägten: Srebrenica, Irak, Libyen - Chiffren für das Versagen amerikanischer Politik.

Im ersten Fall ließ der Westen zu, dass serbische Einheiten im jugoslawischen Bürgerkrieg einen Völkermord an 8000 Bosniern begingen - nie wieder, war die Lehre. Als die USA 2003 das Regime im Irak stürzten, ohne einen Plan für die Zukunft zu haben, war eine lange Besatzung die Folge, die keinen Frieden brachte, aber Milliarden Dollar und unzählige Menschenleben kostete. Nie wieder, hieß es auch diesmal - weshalb man in Libyen den Fehler der Besatzung vermied, den eines Regimesturzes ohne Plan für die Zeit danach aber wiederholte.

Der Wunsch, Fehler zu vermeiden, hat Chollet zufolge die Obama-Regierung davon abgehalten, rechtzeitig in Syrien einzugreifen. Dabei hatte Obama diese Möglichkeit im August 2012 in einem Interview öffentlich erwähnt: Wenn das Regime seine chemischen Waffen gegen das eigene Volk einsetze, werde man reagieren - Obama zog seine berühmte rote Linie.

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