"The Open Society Barometer":Wie es um die Demokratie auf der Welt steht

Lesezeit: 3 min

Anhänger der Demokratiebewegung bei einer Demonstration in Hongkong im Jahr 2020. (Foto: Anthony Kwan/Getty Images)

Aus einer Studie der Open Society Foundations in 30 Ländern geht hervor, dass vor allem die Jugend mit der Demokratie hadert. Überraschend viele sprechen sich für eine Militärherrschaft aus.

Von Sina-Maria Schweikle

Es scheint schlecht zu stehen um die Zukunft der Demokratie auf der Welt. So kann man es zumindest aus einer neuen Studie der Open Society Foundations (OSF) lesen, die an diesem Dienstag veröffentlicht wurde. Rund 36 300 Menschen aus 30 Ländern wurden zu den Themen Demokratie und Menschenrechte befragt. Ein beunruhigendes Ergebnis: Weltweit verlieren vor allem junge Menschen zwischen 18 und 35 Jahren das Vertrauen in die demokratische Staatsform.

Nur 57 Prozent dieser Altersgruppe glauben daran, dass die Demokratie jeder anderen Regierungsform vorzuziehen sei. 42 Prozent sprechen sich für eine Militärherrschaft aus. Mehr als ein Drittel der Altersgruppe gibt an, dass sie einen starken Staatsführer befürworteten, der sich über Wahlen und Parlamente hinwegsetzen kann. Diese Ergebnisse müssen jedoch im Kontext der jeweiligen Länder betrachtet werden, die befragt wurden, sagen die Verfasser des Berichts.

Ein Grund für die Resignation unter den Jungen: Die Generation Z und die Millennials sind, so heißt es in der Studie, in einer "Polykrise" aufgewachsen und politisiert worden. Sie seien klimatischen, technologischen und geopolitischen Turbulenzen - von Armut und Ungleichheit bis hin zum Klimawandel - in einem noch nie dagewesenen Ausmaß ausgesetzt.

In Saudi-Arabien, Ägypten und der Ukraine mussten Fragen umformuliert werden

Die Open Society Foundations (OSF) wurden von George Soros gegründet. Das Ziel des Stiftungsnetzwerks ist es, offene, freiheitliche Gesellschaften zu stärken. Der mittlerweile 93-jährige Soros wurde in den USA als risikofreudiger Hedgefonds-Manager berühmt und investierte einen Großteil seines Milliardenvermögens in Stiftungen weltweit. Für die Meinungsumfrage "The Open Society Barometer: Can Democracy Deliver" ("Das Open-Society-Barometer: Kann Demokratie liefern?") haben die OSF drei Monate lang Menschen weltweit, etwa in der Türkei, Ägypten, Kenia, Mexiko, USA, Frankreich und Deutschland, zu den wichtigsten Herausforderungen befragt, mit denen die jeweiligen Heimatländer und die Welt konfrontiert sind.

Die Umfrage wurde vom britischen Meinungsforschungsinstitut Savanta gemeinsam mit dem ukrainischen Forschungsinstitut Gradus ausgeführt. In den 30 Ländern fand die Befragung online und mithilfe lokaler Anbieter statt. Von den insgesamt 45 Fragen wurden nur 43 weltweit gestellt. Zwei Fragen waren speziell auf die Region bezogen, aus der die Befragten stammen. Dabei konnte nicht überall gleich frei gearbeitet werden: Aufgrund politischer Brisanz mussten einige Fragen in Saudi-Arabien, Ägypten und der Ukraine umformuliert oder entfernt werden. Welche das waren, geht aus dem vorliegenden Dokument nicht hervor.

Ein Großteil aller Befragten glaubt noch an die Demokratie

Auch wenn die Angaben der jungen Menschen ein eher düsteres Bild zeichnen, im Durchschnitt wollen 86 Prozent der Befragten in einer Demokratie leben. Sie glauben daran, dass eine demokratische Staatsform im Gegensatz zu autoritären Regimen, das Potenzial hat, Lösungen für gesellschaftliche Herausforderungen zu finden, beispielsweise beim Bau von Schulen und Krankenhäusern sowie dem Umweltschutz. Anders als die Jungen glauben nur wenige der über 56-Jährigen, dass eine Militärherrschaft eine Alternative wäre.

Trotzdem befindet sich der Glaube an die Demokratie auf einem Prüfstand. Mark Malloch-Brown, Präsident der Open Society Foundations, sagt laut einer Mitteilung, dass die Ergebnisse der Studie sowohl ernüchternd als auch alarmierend seien. "Weltweit wollen Menschen weiter an die Demokratie glauben. Doch von Generation zu Generation schwindet dieser Glaube, da die Zweifel an den Fähigkeiten der Demokratie, ihr Leben konkret zu verbessern, wachsen. Das muss sich ändern."

Dass der Glaube an die Demokratie abnimmt, lässt sich auch aus den Umfragewerten mit Bürgerinnen und Bürgern aus der Bundesrepublik erahnen. Zwar befindet sich Deutschland im Durchschnitt, wenn es sich um die Frage handelt, wie wichtig es sei, in einer Demokratie zu leben. Doch anders sehen die Umfrageergebnisse aus, wenn man danach fragt, ob dies auch die bevorzugte Regierungsform sei. Mit 60 Prozent Zustimmung liegt Deutschland knapp unter dem Durchschnittswert (62 Prozent) und hinter Ländern wie Ägypten und Argentinien.

Armut, Korruption und Klimawandel sind die Sorgen, die die Befragten sowohl im täglichen Leben in ihrem Heimatland, aber auch mit Blick auf die Welt am meisten umtreiben. Eine Mehrheit (58 Prozent) befürchtet Gewalt aufgrund politischer Unruhen im kommenden Jahr - darunter zwei Drittel der Befragten in den USA und Frankreich. 70 Prozent fürchten sich laut "Open Society Barometer" davor, dass die Auswirkungen des Klimawandels künftig auch negative Folgen für sie und ihre Lebensbedingungen haben werden.

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Es ist wenig überraschend, dass die Länder, die stark vom Klimawandel betroffen und wirtschaftlich eher am unteren Ende im weltweiten Vergleich stehen, sich dafür aussprechen, dass Länder mit hohem Einkommen die Führung bei der Reduzierung der Treibhausgasemissionen übernehmen sollten. Das sehen auch 59 Prozent der Deutschen so - doch ist dies der geringste Zustimmungswert unter den befragten Ländern.

Ähnlich sieht es bei der Frage aus, ob "Länder mit hohem Einkommen die Führung bei der Entschädigung von Ländern mit niedrigem Einkommen" für Verluste und Schäden aufgrund des Klimawandels übernehmen sollten. Auch hier ist die Zustimmung unter den befragten Deutschen gering.

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