Andere Kabinettskollegen fahren von der Klausur in Meseberg in ihr Ministerium, Steffi Lemke fährt ins Moor. Mitten in Brandenburg, in einem Flecken nördlich von Oranienburg, erwarten sie ein Ortsvorsteher, ein Landwirt und ein Biologe des Landes. Es ist ein Treffen wie gemalt für die grüne Umweltministerin. Schließlich will sie eines ihrer wichtigsten Projekte vorstellen.
Ein ehemaliges Moor, die Möllmer Seewiesen, hat hier sein Wasser wiederbekommen, und alle sind zufrieden. Der Ortsvorsteher, ein CDU-Mann, berichtet von Kiebitzen und Waldwasserläufern, die er nun hier wieder höre. "Die Artenvielfalt ist jetzt schon größer geworden", sagt er. "Das ist der totale Hammer." Der Landwirt, Chef einer großen Agrargenossenschaft, freut sich auf das Wasser, das mit dem Moor nun in der Landschaft bleibt. "Das ist auch eine Antwort auf die Dürre", sagt er. "Es hält die Böden am Leben." Und der Landesbiologe wird später durch eine saftige Feuchtwiese stapfen und sagen: "Am liebsten möchte man reinbeißen, so grün ist das hier." Besser hätte es Steffi Lemke nicht antreffen können.
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Vier Milliarden Euro sollen in den nächsten vier Jahren für ihr "Aktionsprogramm natürlicher Klimaschutz" bereitstehen. Nicht nur Moore sollen aus den Mitteln "wiedervernässt" werden. Auch für den Schutz alter Wälder soll es Geld geben oder für den Umbau von Städten hin zu "Schwammstädten", mit mehr Schatten spendenden Bäumen und Grünflächen, die Regenwasser speichern können. Man betrete "ein Stückweit Neuland", sagt die Ministerin. "So viel Geld ist in Deutschland noch nie von der Bundesebene in den Naturschutz geflossen." Im Kern gehe es darum, Naturschutz und Klimaschutz zusammenzubringen. "Wir haben gar keine andere Chance."
Nirgends lässt sich das so anschaulich zeigen wie bei einem Moor. Moore speichern große Mengen Kohlenstoffe - aber wenn sie durch Entwässerungsgräben trockengelegt werden, dann geben sie Kohlendioxid an die Atmosphäre ab. Mehr als 90 Prozent der deutschen Moorböden wurden entwässert, um dort besser Landwirtschaft treiben zu können. Jährlich 53 Millionen Tonnen Kohlendioxid werden hier freigesetzt. In den Möllmer Seewiesen dagegen will die Agrargenossenschaft demnächst Wasserbüffel halten. Ein ziemliches Abenteuer werde das, sagt ihr Chef.
Im nächsten Jahr entscheidet das Bundeskabinett über Lemkes Vorhaben
Für Lemke ist das Aktionsprogramm ein Schlüsselvorhaben. Seit das Umweltministerium die Zuständigkeit für die Klimapolitik an Wirtschafts- und Außenministerium verloren hat, ist der natürliche Klimaschutz ihr wichtigster Zugang zu dem Thema. Zugleich dürften sich Fortschritte für Moore und Wälder nun deutlich leichter bewerkstelligen lassen als früher: Lemke und ihr grüner Parteifreund Cem Özdemir im Landwirtschaftsministerium haben eine "Hausfreundschaft" ausgerufen. Damit drohen nicht die Grabenkämpfe früherer Jahre, in die sich beide Ministerien bei fast jedem Vorhaben verstrickten. Auch rund um Moore.
Zunächst aber bleibt Lemkes Entwurf nur ein Vorschlag. Von kommender Woche an sollen Länder, Verbände, Bürgerinnen und Bürger dazu zwei Monate lang Stellung beziehen können. Anfang 2023 soll das Bundeskabinett dann über das Programm entscheiden.