SPD-Chef Gabriel attackiert Liberale:"Die FDP muss aufpassen, dass sie nicht zur Tea Party wird"

Lesezeit: 2 min

Eine sozialdemokratische Provokation: SPD-Chef Sigmar Gabriel rückt die Liberalen in die Nähe der ultrarechten amerikanischen "Tea Party" - wegen deren Haltung in der Steuerpolitik. Zugleich will er die Koalition weiter entzweien, denn die streitet sich nun munter um einen neuen Spitzensteuersatz.

Es klingt nach ungewohntem Kooperationswillen, aber es ist wohl doch ein Angebot mit Tücken: Der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel hat Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) eine Zusammenarbeit bei einer Steuerreform, bei schweren Turbulenzen in der Euro-Krise sowie für den Fall einer Zahlungsunfähigkeit der USA angeboten.

SPD-Chef Sigmar Gabriel: "Wenn die Koalition aus Union und FDP sich dazu durchringt, die Steuern für Spitzenverdiener zu erhöhen, um damit Entlastungen der unteren Einkommen zum Beispiel durch die Senkung von Sozialabgaben zu finanzieren, ist die SPD sofort verhandlungsbereit." (Foto: dapd)

"Wenn die Koalition aus Union und FDP sich dazu durchringt, die Steuern für Spitzenverdiener zu erhöhen, um damit Entlastungen der unteren Einkommen zum Beispiel durch die Senkung von Sozialabgaben zu finanzieren, ist die SPD sofort verhandlungsbereit", sagte Gabriel in einem Interview mit Bild am Sonntag.

Die Entlastungen seien dann nicht auf Pump finanziert und der Schuldenabbau sei ebenfalls nicht gefährdet, so der SPD-Chef weiter. Zudem betonte Gabriel, dass es ihm nicht um einen parteipolitischen Vorteil gehe: "Wir werden dafür weder vorgezogene Neuwahlen noch eine Regierungsbeteiligung fordern."

Ob Gabriel die Offerte tatsächlich ganz so selbstlos verkündete, darf bezweifelt werden. Denn im selben Interview versuchte der SPD-Politiker die Regierung zu spalten. Merkels Juniorpartner in der Koalition traktierte er mit einem unfreundlichen Vergleich: "Die FDP muss mit ihrem Ruf nach Steuergeschenken ohne Gegenfinanzierung und ihrer Euro-Blockade bei einigen Abgeordneten aufpassen, dass sie nicht zur deutschen 'Tea-Party' wird."

Das saß. Denn der Vorwurf der sozialen Kälte hat der FDP seit der Bundestagswahl 2009 viele Wählerstimmen gekostet. Nun in die Nähe der ultrarechten "Tea-Party" gerückt zu werden, dürfte die Liberalen schmerzen. Der radikale Teil der US-Republikaner fordert einen weitreichenden Rückzug des Staates aus Wirtschaft und Gesellschaft. Sozialpolitische Errungenschaften wie etwa eine staatliche Krankenversicherung gilt der Bewegung als geradezu kommunistisches Teufelszeug - für ihre Forderung von radikalen Steuersenkungen riskieren die Rechtsaußenpolitiker derzeit sogar die Zahlungsunfähigkeit der USA.

In Richtung Merkel gibt sich Gabriel dafür umso sanfter: Das Angebot der SPD, die Kanzlerin im Falle einer schweren Euro-Krise zu unterstützen, gelte auch für den Fall, dass die USA zahlungsunfähig werden. "Für diesen Fall gilt unser Angebot um so mehr. Viele Menschen haben Angst um ihr Erspartes, ihre Altersversorgung."

Ganz so aufopferungsvoll, wie es klingt, ist Gabriels Werben um die Kanzlerin natürlich nicht. Der Vorschlag für eine höhere Besteuerung von Gutverdienern kam zuletzt zwar aus der CDU, doch dieser Vorstoß sorgt nicht nur in der FDP, sondern auch in der CSU für Unruhe.

Der bayerische Finanzminister Georg Fahrenschon (CSU) warnte die Schwesterpartei vor einem Bruch von Wahlversprechen. "Im Wahlprogramm der Union steht klipp und klar, dass wir Steuererhöhungen ausschließen", sagte Fahrenschon der Frankfurter Rundschau. Wer jetzt Steuererhöhungen fordere, verunsichere die Bevölkerung und gefährde den Aufschwung.

Dank prognostizierter Steuermehreinnahmen von 50 Milliarden Euro im Jahr 2013 sei eine Debatte über Steuererhöhungen das falsche Signal. "Unser Ziel ist es vielmehr, Familien mit Kindern einerseits und Facharbeiter andererseits zu entlasten", sagte Fahrenschon. Das solle durch die Bekämpfung der kalten Progression und einen höheren steuerlichen Grundfreibetrag erreicht werden.

Auch der CSU-Vorsitzende Horst Seehofer sprach sich gegen Überlegungen in der Union aus, Steuersenkungen mit einem höheren Spitzensteuersatz zu finanzieren. "Ich sage: Hände weg von der Diskussion über eine Gegenfinanzierung für Steuererleichterungen", sagte Seehofer dem Nachrichtenmagazin Spiegel. Es gehe darum, die Menschen zu entlasten.

Ausgelöst worden war die Kontroverse durch einen Vorschlag des CDU-Haushaltspolitikers Norbert Barthle, der vorgeschlagen hatte, eine zusätzliche Stufe im oberen Bereich des Einkommensteuertarifs einzuführen. Der Reichen-Steuersatz von 45 Prozent greife schließlich erst ab einem Jahreseinkommen von gut 250.000 Euro, während der Spitzensteuersatz von 42 Prozent schon bei Einkommen von rund 53.000 Euro fällig werde. "Ich könnte mir vorstellen, dass man dazwischen eine weitere Stufe einführt, um damit mehr Steuereinnahmen zu erzielen", hatte der CDU-Politiker erläutert.

© sueddeutsche.de/dpa/Reuters/pak - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: