Sondierer von Union und SPD:Wer kann mit wem?

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Vertrauensverhältnisse zwischen den Sondierern der Parteien sind mal mehr, mal weniger stark ausgeprägt (Foto: dpa/Getty/AP/Reuters)
  • Die Sondierungsgespräche zwischen Union und SPD hängen auch von persönlichen Faktoren hab.
  • Einige der Akteure kennen und schätzen sich seit Jahren, andere müssen sich erst kennenlernen.
  • Manche Teilnehmer an den Gesprächen hätten durchaus auch ein Interesse, die Verhandlungen zu stören.

Von Nico Fried, Berlin

Es ist nicht zu erwarten, dass Annegret Kramp-Karrenbauer und Anke Rehlinger am Ende das alles entscheidende Gespräch führen, mit dem der Weg in eine neue Regierung geebnet wird. Aber der Austausch der zwei Damen zwischendurch könnte durchaus hilfreich sein in den Sondierungen von Union und SPD und später in möglichen Koalitionsverhandlungen. Mal eine SMS, mal ein Telefonat, ein Gespräch am Rande. Nützliche Erläuterungen könnten da übermittelt werden, zum Beispiel: "Der Schulz kann das nicht akzeptieren, weil ihm sonst wieder die Hessen-SPD aufs Dach steigt." Oder beschwichtigende Interpretationen: "Die Merkel hat das nicht so gemeint, als sie gesagt hat, ihr sollt jetzt zu Potte kommen."

Kramp-Karrenbauer, 55, und Rehlinger, 41, stehen im Saarland für das Gegenteil dessen, was sich seit der Bundestagswahl in Berlin abspielt. Die Ministerpräsidentin von der CDU und ihre Wirtschaftsministerin von der SPD haben sieben Wochen gebraucht, um sich nach einem Wahlkampf, den sie aus einer gemeinsamen Regierung heraus gegeneinander geführt hatten, wieder auf einen neuen Vertrag für eine große Koalition zu einigen. Ganz reibungsfrei lief das natürlich nicht. Aber man duzt sich, kennt sich, weiß sich einzuschätzen.

Das engste Vertrauensverhältnis besteht zwischen Merkel und Kauder

Was im Kleinen funktioniert, könnte auch im Großen nützlich sein, denn in Berlin dauert die Suche nach einer neuen Regierung schon doppelt so lang - und ein Ende ist noch nicht absehbar. Jeweils 13 Leute haben CDU, CSU und SPD für die Sondierungen nominiert. Sechs aus 39 bilden die Kerntruppe. Die Parteichefs Angela Merkel, Horst Seehofer und Martin Schulz, die beiden Fraktionschefs Volker Kauder und Andrea Nahles sowie CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt. Aber daneben gibt es noch manche Zweierbeziehung, die das Geschehen unterstützen kann.

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Oder blockieren. Unter den großen Sechs kennen sich die meisten gut, einige vielleicht zu gut, wenn man an Merkel und Seehofer denkt. Schulz ist der Berliner Neuling, hatte zu seinen Brüsseler Zeiten schon viel mit der Kanzlerin zu tun, muss sich aber an Seehofer, Dobrindt und Kauder noch gewöhnen - und umgekehrt. Das engste Vertrauensverhältnis besteht zwischen Merkel und Kauder, auch weil sie gegenseitig keine Konkurrenz befürchten müssen. Zwischen Nahles und Schulz funktioniert es, seit die Macht in der SPD aufgeteilt wurde. Und was Dobrindt betrifft, behauptet Seehofer zumindest, das Verhältnis sei eng und loyal.

Ein vertrautes Gesicht fehlt am Verhandlungstisch

Angela Merkel ist, getreu ihrem Motto "Es kommt, wie es kommt", in persönlichen Fragen wenig wählerisch. Schulz hat sein derzeit schwierigstes Personalproblem erst mal vertagt, indem er Sigmar Gabriel nicht ins Sondierungsteam berief. Lieber als einen Bundesminister, der immerhin acht Jahre mit der Union regiert hat, wollte der SPD-Chef in Rehlinger und dem Niedersachsen Stephan Weil zwei Landespolitiker, die 2017 Koalitionen mit der CDU ausgehandelt haben. So die offizielle Version, die nicht überzeugend genug ist, Spekulationen über den Stand der Freundschaft der beiden Herren zu verhindern.

Den Vizekanzler vermissen dürfte - neben Merkel, die ihn aber wenigstens im Kabinett noch trifft - vor allem Seehofer. Mit Gabriel hatte er schon in der ersten Regierung Merkels von 2005 an Witzchen am Kabinettstisch gerissen, was die Verhandlungen zur großen Koalition 2013 erleichterte. Seehofer kennt von den Sozialdemokraten aus föderalen Verhandlungen zwar die Ministerpräsidenten Malu Dreyer, Stephan Weil, Olaf Scholz und inzwischen auch Manuela Schwesig. So lieb wie seinen grünen Kollegen Winfried Kretschmann aus Stuttgart hat er von denen aber keinen.

Ein guter persönlicher Draht kann hilfreich sein. Genauso wie die Erfahrung gemeinsamer Koalitionsverhandlungen. Eine Garantie aber ist das alles nicht. Vor den Jamaika-Sondierungen richteten sich viele Erwartungen auf den Grünen Robert Habeck und den Liberalen Wolfgang Kubicki, die in Kiel eine schwarz-gelb-grüne Landesregierung hinbekommen hatten. In Berlin hat das nicht geholfen. "Ich erkenne meinen Freund Habeck nicht mehr", soll Kubicki mal gejammert haben. Dem Grünen ging es umgekehrt vielleicht auch so.

Der CSU-Verhandler Alexander Dobrindt (links) und Jens Spahn (CDU). (Foto: Monika Skolimowska/dpa)

Nun gibt es Rehlinger und Kramp-Karrenbauer aus dem Saarland. Ihr größter Vorteil: Sie haben die Wahl gerade hinter sich. Bei anderen stehen sie dagegen erst bevor. Natascha Kohnen, eben erst in die SPD-Spitze aufgestiegen, verhandelt mit einer CSU, der sie 2018 wenigstens die absolute Mehrheit in Bayern abjagen will. Noch schärfer dürfte die Konfrontation zwischen den stellvertretenden Parteichefs Volker Bouffier (CDU) und Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD) sein. Beide sind in Gießen aufgewachsen. 2013 schnappte Bouffier dem SPD-Mann in Hessen die Grünen als sicher geglaubten Koalitionspartner vor der Nase weg. Im Herbst geht es erneut gegeneinander.

Armin Laschet hoffte öffentlich auf Hilfe der Landes-SPD

Es gibt aber auch Paare, deren gemeinsame Interessen bei aller Rivalität durchaus ähnlich sein dürften. Armin Laschet, CDU-Vize und Ministerpräsident in Düsseldorf, und Michael Groschek, Chef der nordrhein-westfälischen Landes-SPD, könnten dazu gehören. Beide stehen beim Kohleausstieg aus Rücksicht auf Arbeitsplätze im Westen eher auf der Bremse. Auch finanzielle Hilfe für die Kommunen käme manchem Stadtoberhaupt angesichts leerer Kassen gelegen. Ein Altschuldentilgungsfonds für die Kommunen soll in der SPD-Spitze als Forderung im Gespräch sein. Für einige Oberbürgermeister wäre das wie Weihnachten und Ostern am selben Tag. Laschet hatte kurz vor Weihnachten schon die Hoffnung geäußert, Groschek werde ihn in industriepolitischen Fragen unterstützen. Der Sozialdemokrat wies das öffentlich empört zurück - einstweilen gehört er ja noch zu den Skeptikern in Sachen große Koalition.

Bleiben die Jüngeren mit Einfluss. Als Merkel vor Weihnachten das CDU-Sondierungsteam verkündete, machte sie vor dem letzten Namen eine kurze Pause. Es wirkte wie ein dramaturgischer Gag, so als wolle sie den Eindruck erwecken, sie habe den Namen vergessen: Jens Spahn. Der 37-jährige Staatssekretär im Finanzministerium gilt manchem Merkel-Müden schon als möglicher CDU-Kanzler. Er hat gute Beziehungen zu Alexander Dobrindt, 47, und FDP-Chef Christian Lindner, 38 - ein Trio mit dem Selbstverständnis einer schwarz-gelben Führungsreserve.

Am FDP-Vorsitzenden sind bereits die Jamaika-Sondierungen gescheitert. Dobrindt und Spahn werden von Sonntag an unter verschärfter Beobachtung stehen. Der CSU-Landesgruppenchef, schon bei den Jamaika-Gesprächen ein besonders lauter Polterer, könnte nach der Machtteilung in der CSU jetzt noch mehr versucht sein, parteiintern nicht mehr als ewiger Gefolgsmann des geschwächten Seehofer zu gelten. Eine Minderheitsregierung böte Dobrindt wie Spahn zudem bessere Chancen, eine Kanzlerin Merkel vorzeitig loszuwerden, als eine feste Koalition. Natürlich nur rein theoretisch.

© SZ vom 04.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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