Klimaschutz in der Schweiz:"Ölbert" in der Zwickmühle

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Früher Vertreter der Öl- und der Autoindustrie, heute Umweltminister - mit neuer Haltung? Albert Rösti (SVP), hier im Jahr 2020. (Foto: Pius Koller/Imago)

Die Schweiz stimmt demnächst über das Klimaschutzgesetz ab, mit dem das Pariser Abkommen umgesetzt werden soll. Energieminister Albert Rösti, Ex-Präsident von Swissoil, kämpft nun für das Gesetz, das er im Parlament abgelehnt hatte.

Von Isabel Pfaff, Bern

Es dauerte nicht lange, da hatte sich die Klimabewegung in der Schweiz einen Spitznamen für den neuen Energie- und Umweltminister ausgedacht: Aus Albert Rösti, dem Politiker der rechtspopulistischen Schweizerischen Volkspartei (SVP), der im Dezember glänzend in die Schweizer Regierung gewählt worden war, wurde "Ölbert" Rösti, laut der Organisation Klimastreik ein "Albtraum" für den künftigen Energie- und Klimakurs des Landes.

Rösti arbeitete nämlich vor seinem Einzug in den Bundesrat sieben Jahre lang als Präsident des Brennstoffhändlerverbands Swissoil und seit Sommer 2022 auch als Präsident von Auto-Schweiz, der Vereinigung der Schweizer Automobil-Importeure. Dass Rösti sich bei der Ressortvergabe durchsetzen konnte und gleich nach seiner Wahl in die Regierung das bedeutende Ministerium für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation übernehmen durfte, werteten Grüne, Umwelt- und Klimaschützer entsprechend als Katastrophe.

"Bundesrat Rösti erzählt das Gegenteil von Nationalrat Rösti."

Und tatsächlich führt die Personalie Rösti zu paradoxen Situationen - das zeigt der erste Abstimmungskampf, den der neue Minister führen muss. In der Schweiz kann prinzipiell jedes Gesetz per Volksabstimmung gekippt werden, und so kommt es häufig vor, dass Bundesräte bereits verabschiedete Gesetze ihres Ressorts noch einmal vor dem Volk vertreten müssen. Röstis Premiere betrifft nun ausgerechnet das Klimaschutzgesetz, mit dem die Schweiz das von ihr unterzeichnete Pariser Abkommen umsetzen will: Am 18. Juni werden die Schweizerinnen und Schweizer darüber abstimmen, ob das im vergangenen Herbst verabschiedete Gesetz tatsächlich in Kraft tritt.

Es legt konkret fest, mit welchen Maßnahmen die Schweiz bis 2050 klimaneutral werden will. Auffällig: Der Entwurf enthält keinerlei Verbote oder neue Abgaben. Der Ausstoß von Klimagasen soll in erster Linie mit Hilfe von Subventionen gesenkt werden, etwa für Haushalte, die ihre Öl-, Gas- oder Elektroheizungen durch Holzheizungen oder Wärmepumpen ersetzen, oder Unternehmen, die innovative, klimaschonende Technologien einsetzen. Insgesamt will der Bund dafür in den nächsten zehn Jahren mehr als drei Milliarden Franken bereitstellen. Neben dem Erfüllen der Klimaziele wollen die Befürworter mit dem Gesetz auch erreichen, dass die Schweiz unabhängiger von Öl- und Gasimporten wird. Im Moment importiert das Land rund drei Viertel seines Energiebedarfs.

Dass es nun zum Referendum kommt, hat ein Mann maßgeblich mitbestimmt: Albert Rösti. Wie seine Partei mitteilte, war er es, der in der SVP-Fraktion beantragte, das Referendum gegen das Gesetz zu initiieren - damals natürlich noch als normaler Parlamentarier, nicht als Regierungsmitglied. Jetzt aber muss er es verteidigen, auch wenn es unter seiner sozialdemokratischen Vorgängerin erarbeitet wurde. So sind nun mal die Regeln im Schweizer Regierungssystem: Wer im Bundesrat sitzt, vertritt in erster Linie die Haltung der Regierung und erst in zweiter die seiner Partei.

Für die SVP ist das ein Balanceakt. Sie ist die einzige Partei, die das Gesetz bekämpft, alle anderen tragen es mit. Und ihr Kampf richtet sich nun ausgerechnet gegen einen Bundesrat aus den eigenen Reihen. Dass sie ihn trotzdem nicht schonen will, zeigte eine Mitteilung, kurz nachdem Rösti das Gesetz Ende April vorgestellt hatte: "Bundesrat Rösti erzählt das Gegenteil von Nationalrat Rösti", kritisierte die SVP. Man verstehe ja, dass der neue Energieminister die Haltung des Bundesrats vertreten müsse. Aber auch als Bundesrat solle er die Fakten klar benennen: dass nämlich das "Stromfresser-Gesetz" die Energiekrise verschärfe und wegen des höheren Strombedarfs die Preise explodieren lasse.

Rösti setzte sich schon als Abgeordneter für den Ausbau der Erneuerbaren ein

Dabei kann man nicht sagen, dass Rösti das Gesetz mit großer Leidenschaft bewirbt. Bei seinem Auftritt vor der Presse Ende April kündigte er an, dass er sich "im normalen Umfang" für das Gesetz einsetzen werde, also etwa "so, wie das bei einer solchen Abstimmung erwartet wird". Auf die Klimaerhitzung, die Teile seiner Partei nach wie vor in Zweifel ziehen, ging er nur kurz ein. Dafür betonte er die Endlichkeit fossiler Energieträger. Und räumte dann bereitwillig ein, dass der Strombedarf tatsächlich deutlich steigen werde, dass ein Zubau an erneuerbaren Energiequellen nötig werde und dieser natürlich auch etwas koste.

Bleibt die Frage, ob ein Abstimmungskämpfer Rösti nun gut oder schlecht für das Klimaschutzgesetz ist. Tatsächlich sehen ihn einige Politiker und Beobachter als besonders glaubwürdigen Verteidiger des Gesetzentwurfes, der womöglich auch ein paar SVP-Anhänger zu einem Ja bewegen kann. Rösti habe das Gesetz in der Medienkonferenz "überzeugend vertreten", twitterte sogar der bekannte Schweizer Klimaschützer Marcel Hänggi, und auch der Politologe Michael Hermann sieht in Rösti "einen Trumpf für die Klima-Allianz".

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Das dürfte nicht zuletzt damit zusammenhängen, dass Rösti schon als Abgeordneter Energiepolitiker war und sich bereits damals für den Ausbau der Erneuerbaren einsetzte - im Unterschied zu manchen seiner Parteifreunde. Umfragen jedenfalls prognostizieren die Annahme des Gesetzes: Deutliche 63 Prozent der Stimmberechtigten planen laut dem Forschungsinstitut GFS Bern, mit Ja zu stimmen.

Also doch kein "Ölbert"? Ganz so schnell wird Rösti seine Kritiker wohl nicht von sich überzeugen können. Auch, weil er an anderer Stelle durchaus an den Autolobbyisten von früher erinnert: Im Februar teilte die Regierung mit, dass sie sich für einen 4,3 Milliarden Franken schweren Autobahnausbau einsetzt. Verkehrsminister Rösti ermunterte das Parlament, dieses Programm noch um ein Projekt in der Westschweiz zu ergänzen - Kostenpunkt: eine weitere Milliarde. Und für alle überraschend stimmte der Bundesrat kürzlich auch einem Ausbau der A1 zwischen Bern und Zürich sowie Lausanne und Genf auf sechs Spuren zu. Ein Vertreter der Grünen bezeichnete Röstis Vorgehen als "historische Fahrlässigkeit".

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