Neuer Posten für Schröder bei Gazprom:"Unangenehm und geschmacklos"

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Soll in den Aufsichtsrat von Gazprom einziehen: der frühere Bundeskanzler Gerhard Schröder. (Foto: Sergei Savostyanov/Imago)

Der Ex-Kanzler soll Aufsichtsrat beim russischen Monopolkonzern Gazprom werden, der eng verbunden ist mit dem Kreml. Das löst scharfe Kritik bei CDU, FDP und Grünen aus.

Von Oliver Klasen und Roland Preuß, Berlin

Übertriebene Sensibilität im Umgang mit seiner eigenen Partei hat Gerhard Schröder selten an den Tag gelegt. Ende 2005, da war Schröder gerade einmal 17 Tage kein Kanzler mehr, kam die Nachricht, dass er Chef des Aufsichtsrates der Gas-Pipeline-Firma Nord Stream AG werden würde. Teile der SPD waren entsetzt. "Ich hätte das nicht gemacht", sagte Peter Struck, der damals neue Fraktionsvorsitzende. Und das war noch einer der freundlicheren Kommentare.

Dieses Mal hat Schröder immerhin 58 Tage gewartet. So lange ist die SPD-geführte Regierung unter Kanzler Olaf Scholz im Amt. Nun kommt die Nachricht, dass Schröder im Juli in den Aufsichtsrat von Gazprom einziehen soll. Gazprom, der größte und wichtigste russische Konzern überhaupt, der engstens mit der politischen Führung verquickt ist.

Nord Stream 2
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Ein früherer Spitzenbeamter beugt sich dem Veto des Auswärtigen Amtes: Er verzichtet auf seinen Job als Aufsichtsratschef bei einer Nord-Stream-2-Tochter. Annalena Baerbock hatte ihm die Übernahme des Postens untersagt, weil das Verbündete irritieren könnte. Er will nicht dagegen klagen.

Von Stefan Braun, Berlin

Schröder hatte zuletzt die Forderungen der Ukraine nach Waffenlieferungen als "Säbelrasseln" kritisiert. Zudem gab er der Nato eine Mitschuld am russischen Truppenaufmarsch an der ukrainischen Grenze. Beides Äußerungen, die geeignet waren, international Sorgen um die außenpolitische Verlässlichkeit der Regierung in Berlin auszulösen. Damit im ZDF-Interview konfrontiert, sah Scholz sich zur Klarstellung genötigt: "Wenn ich die Verfassungsordnung der Bundesrepublik Deutschland richtig verstehe, gibt es nur einen Bundeskanzler, und das bin ich", sagte er. Ein Satz, der fast nach Schröder klang, als der noch das Land führte.

Schaut man genauer hin, dann ist die Lage für Scholz und seine SPD heute sogar schlimmer als 2005. Damals war Schröders Wechsel vom Kanzler zum Lobbyisten vor allem ein innersozialdemokratisches, vielleicht auch ein innerdeutsches Problem. Die Angelegenheit bestimmte die Schlagezeilen ein paar Monate, Schröder bekam den Spitznamen "Gas-Gerd", aber als die Nord Stream AG erklärte, dass sie eine in den letzten Tagen von Schröders Kanzlerschaft gewährte deutsche Bürgschaft gar nicht benötige, ebbte die Diskussion langsam ab.

"Er schadet dem Land, dem er dienen soll"

Diesmal schaut die ganze Welt zu, wie die neue deutsche Regierung sich gibt. Für die SPD, die in ihrem Verhältnis zu Russland mit zwei mühsam zusammengehaltenen Lagern ringt, kommt die Nachricht von Schröders neuem Job zur Unzeit. Erst recht für den ohnehin in der Kritik stehenden Kanzler Scholz.

Wie die russische Nachrichtenagentur Interfax meldet, soll Schröder auf der Aufsichtsratssitzung Ende Juni bestätigt werden. Der Aufsichtsratssitz wäre bereits der vierte Posten, den Schröder im russischen Energiesektor annimmt. Der Ex-Kanzler ist Chef der Aktionärsversammlung der Nord Stream AG sowie Präsident des Verwaltungsrates der Nord Stream 2 AG. Die Nord Stream AG, an der neben Gazprom als Mehrheitsaktionär auch deutsche, niederländische und französische Unternehmen beteiligt sind, betreibt eine 2011 eingeweihte erste Gas-Pipeline durch die Ostsee.

Daneben fungiert Schröder als Aufsichtsratschef des russischen Ölkonzerns Rosneft, der ebenfalls engstens mit dem Kreml verbunden ist. Alle Aufsichtsratsposten sind gut dotiert. Frühere Schätzungen, gingen von 250 000 Euro für das Engagement bei Nord Stream AG und von 600 000 Euro für den Posten bei Rosneft aus.

Das neueste Engagement ruft parteiübergreifend scharfe Kritik hervor. "Gerhard Schröder hat leider Halt und Anstand verloren. Seine persönliche Abhängigkeit von Russland empfinde ich mittlerweile als unangenehm und geschmacklos", sagte CDU-Chef Friedrich Merz der Bild am Sonntag. Er verbaue damit auch "Gesprächskanäle, die man mit ihm für unser Land hätte nutzen können". Er erwarte von Kanzler Scholz und der SPD-Führung, "dass sie sich glasklar von den Aktivitäten Schröders distanzieren", sagte Merz.

Die Grünen-Bundestagsabgeordnete Claudia Müller sagte der Bild-Zeitung, es zeige sich einmal mehr, wessen Interessen Schröder vertrete - "die der russischen Oligarchie um Putin. Das sollte Konsequenzen haben". Und die FDP-Verteidigungspolitikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann schrieb auf Twitter: "Es wird Zeit, konkret darüber nachzudenken, Gerhard Schröder Ausstattung eines Altbundeskanzlers zu entziehen. Er schadet dem Land, dem er dienen soll".

In der SPD dagegen ist es bisher still. In den vergangenen Tagen hatten führende Sozialdemokraten Schröders Äußerungen zur Ukraine-Krise scharf kritisiert. Zum neuen Job des Ex-Kanzlers gibt es bisher keinen Kommentar.

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