Geopolitik im Pazifik:Der nettere Freund Chinas

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Jeremiah Manele (li.) regiert fortan die Salomonen, wo der Westen und China um Einfluss ringen. (Foto: ALARICS FUGUI/AFP)

Der Westen ist froh, dass der unberechenbare Manasseh Sogavare nicht mehr die Salomonen regiert. Was vom neuen Premier Jeremiah Manele in der strategisch wichtigen Region zu erwarten ist.

Von Thomas Hahn, Tokio

Jeremiah Manele war noch nicht lange der neue Premier der Salomonen, als sich Australiens Regierungschef Anthony Albanese über den Mikroblogging-Dienst X meldete. Er gratulierte Manele zur Wahl durch das neu formierte 50-köpfige Parlament des Pazifikstaats. 31 zu 18 Stimmen gegen Matthew Wale, den Kandidaten der chinakritischen Koalition. Ein klarer Sieg für Manele. "Ich freue mich darauf, eng mit ihm zusammenzuarbeiten", schrieb Albanese. Auf den ersten Blick sah seine Nachricht aus wie ein normaler Glückwunsch, aber weil sie so schnell kam, war sie wohl auch Ausdruck einer großen Erleichterung.

Manele löst den unberechenbaren, bisweilen zornigen Manasseh Sogavare an der Spitze der salomonischen Regierung ab, einen Freund Chinas. Sogavare teilt immer wieder gegen Australien aus. Manele gilt als umgänglicher. Und er bestätigte den Eindruck, als er kurz vor seiner Wahl im australischen Sender ABC sagte, dass Australien und China für ihn gleich wichtig seien.

China zahlte für die Sportstätten der Pazifikspiele

Australien, die USA und andere freiheitliche Staaten sind besonders aufmerksame Beobachter gewesen bei der Parlamentswahl auf den Salomonen am 17. April und bei der folgenden Regierungsbildung. Das kleine, schlecht begüterte Land im Meer mit seinen etwa 700 000 Einwohnern hat die demokratischen Industrienationen mit seinen stark verbesserten Beziehungen zu China nervös gemacht. 2019 kappte Sogavare die langjährigen diplomatischen Beziehungen zur demokratisch regierten Insel Taiwan und wandte sich dem großzügigen Helfer China zu, der Taiwan als Teil seines Staatsgebiets sieht.

2022 unterschrieb Sogavare ein Sicherheitsabkommen mit China, das Peking im Gerangel um mehr Macht im Pazifik einen strategisch wichtigen Stammplatz zwischen chinesischem Festland und Amerika einbringen könnte. 2023 folgten weitere Abkommen. China machte sich offensichtlich mit schnellem Geld beliebt. Zum Beispiel bezahlte die Regierung 80 Prozent der Sportstätten in Honiara, in denen im November die Pazifikspiele stattfanden, ein Herzensprojekt Sogavares.

Von den Wahlen erhofften sich die Partner des Westens eine Wende in der salomonischen China-Politik. Aber die wird es auch mit dem netten Jeremiah Manele nicht geben.

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Ein Votum gegen den bisherigen Premier

Der erfahrene Diplomat Manele, geboren 1968 im Dorf Samasodu, Provinz Isabel, ist zwar kein aufbrausender Charakter. Er ist auch nicht so wütend auf Australien wie Sogavare, der sich einst von australischen Vertretern der Hilfsmission Ramsi bevormundet fühlte. Aber Manele ist ein Mann Sogavares. Er ist Mitglied in dessen Partei für Eigentum, Einheit und Verantwortung, kurz OUR. Und er war bis zuletzt Sogavares Außenminister und als solcher ein dienstbarer Verhandlungspartner Chinas.

Als Sogavare am Montag erklärte, nicht mehr als Premier anzutreten, saß Manele neben ihm. Sogavare hatte nur knapp seinen Parlamentssitz verteidigt. OUR hatte zwar die Mehrheit in der Nationalversammlung behalten, aber über die Hälfte der Sitze verloren. Die Wahl war ein Votum gegen Sogavares Politik.

Sogavare schimpfte. Geopolitik sei im Spiel gewesen. "Ich hatte viel Druck von den USA und westlichen Alliierten." Er sei "andauernd verleumdet worden in den Medien". Und Manele? Gab ruhig und freundlich bekannt, dass er auf Sogavares Linie bleiben wird: "Die Grundlage der Außenpolitik bleibt gleich: befreundet mit allen, verfeindet mit niemandem."

Symbole staatlicher Misswirtschaft

Es war möglicherweise auch gar nicht die Nähe zu China, die Sogavare zum Wahlverlierer machte. Weltpolitik ist nicht unbedingt das wichtigste Thema in einem Land, das zu den am wenigsten entwickelten der Welt zählt. Sein Scheitern hat wohl eher etwas mit dem verbreiteten Gefühl der Salomoner zu tun, dass die Regierung trotz der Hilfe großer Länder wie China nicht wirklich ihr Leben verbessert; dass zum Beispiel Straßen, Stromversorgung oder Schulbildung schlecht bleiben.

In den Stadien der Pazifikspiele, die jetzt schön und leer am Kukum Highway liegen, sehen viele längst das Symbol für staatliche Misswirtschaft. "Niemand benutzt sie", schreibt die prominente Regierungskritikerin Ruth Liloqula auf Anfrage in einer Mail, "sie haben auch nicht die Wirtschaft angefacht, wie die Regierung immer behauptet hat."

Liloqula war mal Kabinettschefsekretärin und nervte Minister mit ihrer harten Haltung gegen heimliche Scheckbuch-Politik. Heute ist sie Chefin der Antikorruptionsorganisation Transparency Salomon Islands. In ihren Zeilen aus Honiara liest man das Bemühen, positiv zu denken, jetzt, da Sogavare seinen Thron verlassen hat. "Jeremiah Manele ist eine Person mit Integrität." Sie hofft, dass er eine Politik für die Leute auf den Weg bringt. "Viel hängt von den Abgeordneten ab, die ihn unterstützen, und warum sie im Parlament sitzen. Einige besitzen Unternehmen, die Probleme haben. Vielleicht sind sie nur wegen lukrativer Regierungsaufträge dort, wer weiß."

Dass Parlamentarier vor allem an sich denken, ist ein altes Problem auf den Salomonen. Und bei der Wahl merkte Liloqula, dass es nicht grundsätzlich fair zuging: "Großer unlauterer Einfluss auf Wähler von Kandidaten." Vor allem Sogavares OUR habe viel mit Geld geregelt. "Einen Wechsel im Premierministeramt muss man anerkennen und feiern", schreibt Liloqula. Sie fügt hinzu: "Denke ich." Sicher ist sie nicht.

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