Neues Bündnis:Wagenknecht verlässt die Linke und gründet eigene Partei

Lesezeit: 3 min

Sahra Wagenknecht will mit ihrem Team eine neue Partei gründen. (Foto: Markus Schreiber/AP)

Die polarisierende Politikerin präsentiert ihr neues Bündnis, das 2024 zur Europawahl antreten will. Die Linksfraktion im Bundestag steht vor dem Aus.

Von Philipp Saul und Dimitri Taube, Berlin/München

Sahra Wagenknecht verlässt die Linke und gründet ihre eigene Partei. Das kündigte die Politikerin in Berlin an. Um die neue Partei vorzubereiten, sei der Verein "Bündnis Sahra Wagenknecht - Für Vernunft und Gerechtigkeit" gegründet worden.

Die Vorsitzende des Vereins und frühere Fraktionschefin der Linken im Bundestag, Amira Mohamed Ali, sagte, sie sei am Montagmorgen zusammen mit Wagenknecht und acht weiteren Mitgliedern der Linksfraktion aus der Partei ausgetreten. Die Gruppe wolle aber vorerst in der Fraktion bleiben.

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Die neue Partei solle im Januar 2024 gegründet werden und schon bei der Europawahl im Juni antreten, sagte Lukas Schön, der Geschäftsführer des Vereins. Man strebe auch an, bei den ostdeutschen Landtagswahlen im September in Sachsen, Thüringen und Brandenburg anzutreten, sagte Wagenknecht, "aber ob wir es wirklich in allen dreien schaffen, wird natürlich davon abhängen, wie sind die Landesverbände bis dahin aufgestellt, welche Kandidaten haben wir vor Ort".

Worum es inhaltlich gehen soll

Wagenknecht begründete ihren Schritt damit, es gelte eine politische Leerstelle zu füllen. Viele Menschen fühlten sich von keiner Partei mehr vertreten. Sie sei überzeugt, so wie es im Land laufe, dürfe es nicht weitergehen. "Denn sonst werden wir unser Land in zehn Jahren wahrscheinlich nicht wiedererkennen."

"Mehr sozialer Ausgleich, mehr soziale Gerechtigkeit - diese Themen gehören endlich wieder ganz oben auf die politische Agenda", sagte Wagenknecht über die wichtigsten Inhalte der neuen Partei. Entspannungspolitik müsse ebenfalls eine größere Rolle spielen. Konflikte ließen sich militärisch nicht lösen. Es brauche eine "starke politische Kraft, die konsequent für Frieden, Diplomatie und Verhandlungslösungen wirbt". Darüber hinaus sprach Wagenknecht von einem vierten "großen Thema", das man sich setzen werde: "Es ist unser großes Anliegen, dass der Meinungskorridor in unserem Land wieder breiter wird."

Die Linksfraktion ist in Gefahr

Für die Linke ist das neue Projekt eine Gefahr: nicht nur als Konkurrenz bei künftigen Wahlen, sondern schon sehr bald. Wenn die abtrünnigen Linken aus der Bundestagsfraktion ausscheiden, verliert diese ihren Fraktionsstatus und kann nur noch als Gruppe weitermachen. Sie bekommt weniger parlamentarische Rechte und auch weniger Geld.

Mohamed Ali und ihre Mitstreiter zeigten sich bereit, "bis zur tatsächlichen Gründung der neuen Partei in der Linksfraktion zu verbleiben". Man wünsche sich auch im Interesse der Mitarbeiter einen geordneten Übergang.

Fraktionschef Dietmar Bartsch bestätigte, dass zehn Abgeordnete aus der Partei ausgetreten seien. Er nannte den Schritt "unverantwortlich und inakzeptabel". Ob sie Mitglieder der Fraktion bleiben dürfen, werde diese "souverän und in großer Ruhe" entscheiden.

"Politisch keine andere Wahl" als eine neue Partei

In Richtung der Linken kamen von der Gruppe deutliche Worte: Parteien seien kein Selbstzweck, sie müssten eine Aufgabe erfüllen, sagte Christian Leye, stellvertretender Vorsitzender des neuen Vereins: "Unsere alte Partei hat dies nicht mehr getan." Die Gruppe habe sich zur Gründung einer neuen Partei entschlossen, weil "uns politisch keine andere Wahl bleibt", sagte Leye. "All unsere Versuche, den Kurs zu korrigieren, waren vergebens." Jedoch sei die Linke "nicht unser politischer Gegner", sagte Wagenknecht.

Ihr Mandat abgeben und Platz für einen Nachrücker aus der Linkspartei machen, will Wagenknecht nicht. Sie habe viele Nachrichten bekommen, dass die Linke auch ihretwegen gewählt worden sei, sagte sie, und dass ihre Positionen weiter im Bundestag vertreten bleiben sollten.

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Mit ihrem neuen Projekt will die Gruppe nicht nur bei der Linkspartei um Wähler werben, sondern auch auf der anderen Seite des politischen Spektrums. Dort erlebt die AfD einen Höhenflug und liegt bundesweit in Umfragen bei mehr als 20 Prozent. "Wir möchten uns der politischen Verantwortung stellen, uns dieser Entwicklung entgegenzustellen", sagte Leye. Das neue politische Projekt könnte der AfD in der Tat gefährlich werden: Zahlreiche Wähler der Rechten können sich offenbar vorstellen, für eine Wagenknecht-Partei zu stimmen. Mit der in Teilen rechtsextremen Partei zusammenarbeiten will sie nicht: "Selbstverständlich werden wir nicht gemeinsame Sache mit der AfD machen", sagte Wagenknecht.

Der Name soll nur eine Übergangslösung sein

Die Bezeichnung "Bündnis Sahra Wagenknecht" lässt vermuten, dass der Verein und die neue Partei ganz auf die polarisierende 54-Jährige zugeschnitten sein werden. Jedoch sei der Name lediglich eine Übergangslösung, sagte Wagenknecht. "Wenn man eine neue Partei startet, muss sie sich zunächst etablieren", sagte sie und verwies auf Wahlen. Bei der Bundestagswahl etwa könne sie selbst nur in einem Bundesland kandidieren, in den anderen Bundesländern nicht. "Die Menschen müssen aber identifizieren können, welche Partei das ist", sagte Wagenknecht, die mit ihren Mitstreitern immer wieder um Spenden warb.

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