Logistik:Personen und Pakete

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Eine S-Bahn fährt am Morgen am Bahnhof Berlin-Grünau ein. Wird sie in Zukunft auch Pakete und Europaletten voller Kisten transportieren? (Foto: Christoph Soeder/dpa)

Die S-Bahn kann viel mehr, als viele denken. Die Berliner Verkehrssenatorin hat nun in einer Machbarkeitsstudie evaluieren lassen, ob das Gleisnetz auch für den Güterverkehr taugt.

Von Tobias Bug

Was man nicht schon alles gesehen hat in der Berliner S-Bahn: Skateboardfahrer, Fahrradgangs, Kinderwagen, hier und da auch mal eine Bettgestell oder ein Tisch, gestapelte Umzugskartons auf Sackkarren. Man sieht Lieferanten, die mit ihrem Rucksack voller Essensbestellungen ihr E-Bike vom Bahnsteig in den Waggon hieven.

Was man bisher nicht sah: Europaletten voller Getränkekisten, Großpakete oder Rollwagen mit gekühlten Lebensmitteln. Aber das könnte sich nun ändern. Manja Schreiner, seit April Berliner Verkehrssenatorin, ließ in der Machbarkeitsstudie "City-Rail-Logistics" evaluieren, ob und wie sich Güter in der S-Bahn transportieren lassen. "Die Idee, mit der S-Bahn in Berlin auch Güter zu transportieren, ist zurzeit noch eine Vision", sagt Schreiner, die in Berlin auch zuständig für Klima und Umwelt ist. Solche Innovationen brauche es, sagt sie, "um die Herausforderungen beim Klimaschutz zu bewältigen". Nichts sei effizienter, als bestehende Infrastruktur zu nutzen.

Drei Möglichkeiten wären grundsätzlich denkbar. Eine sieht separate Waggons nur für Transporte vor, das sei aber nicht machbar, urteilten die Studienautoren. Es würde zu lange dauern, sie an- und abzukuppeln. Zweite Idee: reine Güter-S-Bahnen ohne Passagiere, die an den S-Bahn-Endstationen Spandau, Ahrensfelde oder Königs Wusterhausen mit 13 Lkw-Ladungen bepackt werden könnten. Das sei teuer und ebenfalls schwer machbar, so das Urteil.

Kleinere Umbaumaßnahmen wären im dritten Szenario notwendig, wenn Personen und Güter gemeinsam transportiert würden, im Mehrzweckbereich oder in für Menschen gesperrten Waggons. An den Stationen sollen die Behälter auf Rädern in die Züge und aus den Zügen gerollt werden, alles innerhalb von 30 Sekunden. Mit dem Lastenrad werden die Güter dann ans Ziel transportiert, zum Beispiel kleinere Pakete mit Maschinenteilen oder Schrauben. Wer aber schon mal morgens um acht Uhr mit der S5 in Berlin Friedrichstraße eingefahren ist, weiß, dass da nicht viel Platz zum Atmen bleibt. Schreiner bräuchte also noch mehr Fahrten und noch mehr Züge.

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Die Senatorin stellt klar: "Vorrang hat natürlich weiterhin der Personenverkehr." Und den will sie nicht warten lassen: Berliner S-Bahnen sind gemeinsam mit den Hamburger Zügen die pünktlichsten Deutschlands: 97,3 Prozent on time - wovon München nur träumen kann, dort herrscht eine Pünktlichkeit von nur 87,6 Prozent.

Einzelhandelsfirmen haben bei Schreiner Interesse angemeldet, produzierende und verarbeitende Firmen, Logistiker und Transportunternehmen. Einige Versuche in anderen Städten gab und gibt es bereits: In Zürich holt die Tram den Sperrmüll aus den Wohngebieten ab, in Dresden fuhren die Güterstraßenbahnen nur drei Jahre lang durch die Stadt. Frankfurt hat auch mal eine Transporttram getestet.

Grundsätzlich befürwortet es Martin Pogatzki vom Fahrgastverband Pro Bahn Berlin, Transporte von der Straße auf die Schiene zu verlagern. Doch er fragt sich, ob die Komplexität den Nutzen rechtfertigt. "Wo sollen die halten? Was sollen die transportieren?" Alles Fragen, die er Manja Schreiner kommende Woche in einem Gespräch stellen möchte.

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