Der Rauch aus Sibirien ist bis zum Nordpol gezogen, die US-Raumfahrtbehörde Nasa hat davon berichtet. Sie veröffentlichte dazu ein Satellitenbild, das Russland unter einer dicken, gelblichen Decke zeigt, 3000 Kilometer breit und 4000 Kilometer lang. Die riesigen Waldbrände darunter sind nicht zu sehen, zu dicht ist diese Wolke. Solcher Rauch ist schon in früheren Jahren aus dem sibirischen Jakutien bis nach Grönland und Kanada gezogen, aber noch nie so weit in den Norden, noch nie bis zum Pol.
In Jakutien, das offiziell Republik Sacha heißt, brennt der Wald in den meisten Sommern. Seit drei Jahren in Folge aber werden diese Brände immer größer, aktuell stehen in der Region mehr als sechs Millionen Hektar in Flammen, eine Fläche so groß wie Lettland. Man muss das zwar ins Verhältnis rücken: Jakutien ist riesig, neunmal so groß wie Deutschland und mit nur einer Million Einwohnern sehr dünn besiedelt. Wald bedeckt fast drei Viertel der Fläche, Brände gehören da zur Normalität. Meistens werden sie in abgelegenen Regionen sich selbst überlassen.
Brände und ihre Folgen:Feuer mit Feuer bekämpfen?
Ganze Landstriche haben die Brände im Mittelmeerraum zerstört. Wie müssten Landschaften gestaltet sein, um aus dem Teufelskreis auszubrechen? Ein Gespräch mit dem Feuerökologen Alexander Held über Konzepte, die weitere Katastrophen verhindern könnten.
Nun aber frisst sich das Feuer näher als sonst an Siedlungen heran, mehrere Dörfer mussten bereits evakuiert werden. Es brennt an so vielen Orten gleichzeitig - Anfang der Woche zählten die jakutischen Behörden 168 einzelne Waldbrände -, dass sich die Einsatzkräfte auf die bedrohlichsten Feuer konzentrieren müssen. Dazu kommt der beißende Rauch, der Hunderte Dörfer und auch die Großstadt Jakutsk einhüllt. Die Region hat den Notstand ausgerufen.
Gouverneur Ajssen Nikolajew macht den Klimawandel verantwortlich: "Wir sehen, wie es in Jakutien jedes Jahr heißer wird", zitiert ihn die staatliche Nachrichtenagentur Interfax. "Dieses Jahr erleben wir den trockensten und heißesten Sommer in der Geschichte meteorologischer Beobachtungen in Jakutien, seit Ende des 19. Jahrhunderts." Den Klimawandel benennt der Kreml erst seit wenigen Jahren offen als Problem, seit Umweltkatastrophen, Brände, Überschwemmungen und Unfälle wegen des tauenden Permafrostbodens spürbar zunehmen.
Es fehlt der Feuerwehr an Material und Einsatzkräften
Schließlich brennt es nicht nur in Jakutien. Das landesweite Forstamt überwacht Brände in ganz Russland, seit Jahresanfang standen bereits mehr als 16 Millionen Hektar in Flammen. Vor allem in Jakutien, fast sieben Flugstunden von Moskau entfernt, fehlen der Feuerwehr nun Material und Einsatzkräfte. Etwa 4800 Menschen kämpfen den Behörden zufolge dort gegen das Feuer, viele Freiwillige helfen mit.
"Wir löschen eine Million Hektar mit Schaufeln!", schrieb Fedot Tumusow auf Facebook, er stammt aus Jakutien und sitzt in Moskau in der Staatsduma. Dabei gäbe es viele moderne Löschmethoden, etwa spezielle Pulvergeschosse für schwer erreichbare Brände, wo Löschflugzeuge mit Wasser nicht helfen - "aber wir haben Schaufeln". Tumusow warnt auch vor den Folgen des Rauchs; Menschen könnten daran sterben, schreibt er. Der Rauch sei "nicht weniger gefährlich als Feuer, und wir werden noch viele Jahre lang mit seinen Folgen konfrontiert sein".
Am Mittwoch schickte Präsident Wladimir Putin Katastrophenschutzminister Jewgenij Sinitschew persönlich nach Jakutien, um den Kampf gegen das Feuer zu koordinieren. Experten warnen schon lange, dass mehr für die Prävention von Bränden getan werden müsste, Wälder sollten besser überwacht und trockenes Unterholz an kritischen Stellen weggeschafft werden. Doch die Zahl der jakutischen Förster ist seit Sowjetzeiten um ein Vielfaches gesunken.
Die Folgen der Brände reichen weit über Russland hinaus. In diesem Jahr setzten sie bereits jetzt eine Rekordmenge an Kohlendioxid frei, meldete vergangene Woche der EU-Klimadienst Copernicus - mehr als 500 Megatonnen.
Jakutien hat nicht nur riesige Waldflächen, die große Besonderheit der Region ist der Permafrost. Es ist hier so kalt, dass der Boden ganzjährig gefroren bleibt. Wenn er wegen der Hitze aber doch taut, das Eis im Boden flüssig wird, sacken Häuser weg, tun sich manchmal metertiefe Krater auf. Wenn der Boden taut, setzt er zudem frei, was sonst im Eis eingeschlossen ist: große Mengen Methan. Forscher warnen, das Treibhausgas könnte den Klimawandel zusätzlich beschleunigen.
Der sibirische Wald schützt den gefrorenen Boden vor der Sonne. Verkohlte Flächen dagegen heizen sich durch die Sonnenstrahlen auf, dann weicht der Permafrostboden schneller auf. Wenn er dabei zu feucht wird, wachsen keine Bäume nach. Ein Teufelskreis mit globalen Auswirkungen.