USA:In der Griner-Zwickmühle

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Brittney Griner vor Gericht in Moskau. Russland hat keine Eile mit ihrem Austausch gegen einen oder zwei russische Häftlinge im Ausland. (Foto: Evgenia Novozhenina/Reuters)

Das harte Urteil gegen Basketball-Profi Brittney Griner in Russland dürfte die USA vor zwei gleichermaßen unbefriedigende Alternativen stellen, um sie heimzuholen. Zur Freude von Wladimir Putin.

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Eine treffende Analyse zur Verurteilung der US-Basketballspielerin Brittney Griner in Russland liefert wohl das kurze, gemeinsame Statement von Cathy Engelbert und Adam Silver: Die Chefs der beiden Basketball-Profiligen in den USA nennen das Urteil "ungerechtfertigt und bedauerlich, aber nicht überraschend". Ein Gericht in Moskau hatte Griner am Donnerstag zu neun Jahren Haft in einer Strafkolonie verurteilt, und nach allem, was über den Fall bekannt ist, entspricht das genau dem, was Moskau geplant hat.

Griners Anwälte kündigten an, gegen das Urteil Einspruch einzulegen; das übliche Strafmaß bei Vergehen wie diesem seien fünf Jahre, ein Drittel aller Strafen würde zur Bewährung ausgesprochen. Rein theoretisch hätte es einen Freispruch für Griner geben können, die Wahrscheinlichkeit dafür lag jedoch bei null Prozent. Beamte hatten im Februar bei einer Kontrolle am Flughafen Moskau-Scheremetjewo eine Kartusche mit Haschischöl im Gepäck gefunden, sie war wegen Drogenschmuggels angeklagt worden. Griner bekannte sich schuldig und nannte die Mitnahme ein Versehen. Die US-Regierung bezeichnete die Festnahme im Mai als "unrechtmäßig", Präsident Biden nannte das Urteil nun "inakzeptabel".

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Genau das - und das führt zur Zwickmühle für die Amerikaner in diesem Fall - behaupten die Russen auch über Festnahme und Verurteilung des russischen Waffenhändlers Wiktor But. Sie fordern seit Jahren seine Freilassung mit der Begründung, er sei ein politischer Gefangener. But, der auch "Merchant of Death" (Kaufmann des Todes) genannt wird, befindet sich seit 2008 in Haft; er käme im März 2033 frei - in knapp elf Jahren also, zwei Jahre später als Griner. Moskau brauchte die Verurteilung von Griner, um einen Gefangentausch herbeizuführen, doch nun wird es kompliziert.

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Die USA hatten übereinstimmenden Medienberichten zufolge angeboten, But freizulassen, um Griner und Paul Whelan zurück in die Heimat zu holen. Whelan, gebürtiger Kanadier, ist ehemaliger Soldat der US-Marines und nun Manager einer Sicherheitsfirma; er wurde 2020 wegen Verdachts auf Spionage zu 16 Jahren Haft verurteilt. Russland ging nicht auf dieses Angebot ein, ein Telefonat zwischen den beiden Außenministern Tony Blinken und Sergej Lawrow am vergangenen Freitag - das erste seit Russlands Angriff auf die Ukraine - blieb offenbar ohne Ergebnisse.

Aus dem Weißen Haus hieß es daraufhin, dass Russland ein Gegenangebot gemacht habe, das man für "böswillig" halte und deshalb nicht ernst nehmen könne. Es wird spekuliert, dass Russland die Freilassung von Wadim Krassikow erreichen will. Der ist im Dezember 2021 zu lebenslanger Haft wegen des sogenannten Tiergartenmordes verurteilt worden - in Deutschland, wo er inhaftiert ist. Adrienne Watson, eine Sprecherin des Nationalen Sicherheitsrates der USA, sagte: "Zwei zu Unrecht inhaftierte Amerikaner als Geiseln für die Freilassung eines russischen Mörders in Gewahrsam eines Drittlandes zu halten, ist kein ernsthaftes Gegenangebot."

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Die Zwickmühle für die Amerikaner: Der Druck, Griner nach Hause zu holen, wird immer größer in den USA, zumal Biden in seinem Statement nicht nur Russland aufgefordert hat, sie sofort freizulassen. Er hatte auch versprochen: "Meine Regierung wird weiterhin unermüdlich daran arbeiten und jede Möglichkeit ausschöpfen, Brittney und Paul Whelan so schnell wie möglich sicher nach Hause zu holen." Der Basketballstar Kyrie Irving etwa richtete sich auf Twitter danach direkt an Biden und dessen Stellvertreterin Kamala Harris: "Was passiert denn nun wirklich mit unserer Königin Brittney Griner, Präsident und Vizepräsidentin? Bitte gebt uns ein Update."

Im Grunde kann die US-Regierung nur zwischen zwei Alternativen wählen, die beide gleichermaßen unbefriedigend sind. Erstens: Sie beharrt auf dem ursprünglichen Angebot, Griner und Whelan im Tausch gegen But nach Hause zu holen, oder sie verhandelt hinter den Kulissen über weitere Möglichkeiten - und das erfordert Zeit. Es heißt, dass das erste Angebot bereits im Juni nach Moskau geschickt wurde.

Die Reaktion des stellvertretenden russischen Außenministers Sergej Rjabkow nach Bekanntwerden des amerikanischen Angebots im Juli: Die Amerikaner sollten mal nicht so einen Lärm veranstalten. Nach dem Urteil wird dieser Lärm allerdings immer lauter, zumal die Rede von "Strafkolonie" ist; es ist erstaunlich, wie einig sich die sonst so unversöhnlichen politischen Lager in den USA sind: Griner muss nach Hause geholt werden, und zwar so schnell wie möglich.

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Die zweite Alternative deshalb: Die USA akzeptieren ein russisches Angebot zur möglichst schnellen Freilassung von Griner und Whelan. Doch wie weit ist die Regierung bereit zu gehen - die einerseits einen außenpolitischen Erfolg vor den Zwischenwahlen ganz gut brauchen könnte, andererseits aber auch nicht als "von Russland abgezockt" dastehen will? Und wäre die Annahme eines unverschämten, womöglich gar böswilligen Angebots der Russen nicht eine Blaupause für andere Nationen, um Gefangene aus den USA nach Hause zu holen?

Die Russen verlangen nun Diskretion: "Wenn wir mit ihnen irgendwelche Nuancen diskutieren, die mit dem Thema Austausch zu tun haben, wird dieser Austausch nie zustande kommen", sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow am Freitag laut Agentur Interfax. "Diesen Fehler haben die Amerikaner schon begangen." Außenminister Sergej Lawrow äußerte sich ähnlich am Rande des Asean-Treffens des Verbands Südostasiatischer Nationen. Die prinzipielle Bereitschaft zum Austausch knüpfte er an die Bedingung, über die diplomatischen Kanäle zu gehen und nicht über Medien.

Müsste man ein Bild dieser Situation zeichnen, es würde einen US-Präsidenten zeigen, der über die Möglichkeiten grübelt, die er hat; während vor dem Fenster Landsleute protestieren, endlich eine Lösung zu präsentieren. Und im Hintergrund einen russischen Präsidenten, der sich diebisch freut darüber, in welch missliche Lage er den anderen da gebracht hat.

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