Rücktritt von Trittin, Künast und Co.:Warum die Grünen vorbildlich handeln

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Die bisherige Grünenspitze: Claudia Roth (v.l.), Cem Özdemir (v.r.), Jürgen Trittin und Renate Künast (Archivbild). (Foto: dpa)

Keine andere Verlierer-Partei im Bundestag stellt so konsequent ihr politisches Spitzenpersonal zur Disposition wie die Grünen. Das ist vor allem eins: demokratisch. SPD und Linke sollten sich daran ein Beispiel nehmen. Denn nur weil jemand abgetreten ist, bedeutet dies ja nicht, dass der eine oder andere nicht wieder gewählt wird.

Ein Kommentar von Thorsten Denkler, Berlin

Die Grünen haben das gemacht, was nach einer solchen Niederlage auch angebracht ist: Tabula rasa. Die gesamte Parteispitze stellt ihre Ämter zur Verfügung. Am Ende musste zwar Jürgen Trittin ein wenig geschubst werden, aber dann hat auch er eingesehen, dass es nicht einfach weitergehen kann.

Die Grünen hatten eine reelle Chance, auf 13 plus X Prozent zu kommen. Am Wahltag erhielten sie deutlich unter zehn Prozent. Partei und Fraktion haben jetzt die Chance, ihre Führung komplett neu zu bestimmen.

Damit sind die Grünen bisher als einzige noch im Bundestag vertretene Partei auf die Idee gekommen, ihre Niederlage nicht zu beschönigen. Das erfordert Mut, denn Wahlergebnisse lassen sich immer schön reden.

Alles bleibt beim Alten bei Linken und SPD

Linken-Spitzenkandidat Gregor Gysi fand, dass es trotz eines dicken Minus super sei, jetzt dritte Kraft im Bundestag zu sein. In der SPD scheint sich die Haltung durchzusetzen, dass das mickrige Plus von 2,6 Prozent doch ganz schön toll sei. Interessant, dass die SPD jetzt die 23 Prozent von 2009 als Benchmark für die Interpretation ihres Wahlergebnisses 2013 hernimmt.

Grünen-Spitzenkandidat Jürgen Trittin
:Staatsschreck und Staatsmann

Unter seiner Führung sind die Grünen wieder einstellig geworden, das Ergebnis zwang ihn nun zum Rücktritt vom Fraktionsvorsitz: Jürgen Trittin, ehemaliger Grünen-Spitzenmann, macht schon seit drei Jahrzehnten Politik, konnte aber den Absturz seiner Partei kurz vor der Wahl nicht verhindern. Auch seine radikale Vergangenheit spielte dabei eine Rolle.

Von Carina Huppertz

In der SPD wird sich so schnell personell nichts ändern - es sei denn, sie geht eine große Koalition mit der Union ein. Dann aber sind ohnehin reichlich neue Posten zu besetzen. Und wie es durchklingt bei denen, die ein bisschen was zu sagen haben, dürfen sich Frank-Walter-Steinmeier, Sigmar Gabriel und Peer Steinbrück im Grunde aussuchen, was sie dann machen möchten. Für einen personellen Neubeginn an der einen oder anderen Stelle scheint es überraschenderweise keinen Bedarf zu geben.

In der Linken ist es nicht anders: Die Parteispitze bleibt, wie sie ist. Die Frage ist nur noch, ob Fraktionschef Gregor Gysi nur Stellvertreter bekommt oder etwa mit Sarah Wagenknecht eine Co-Vorsitzende. Das fände er nicht so lustig.

Die Grünen sind vorbildhaft an dieser Stelle. Es bleibt dann auch das gute Recht jedes Einzelnen aus der bisherigen Führung, erneut anzutreten. Wie etwa Cem Özdemir, der weiter Parteichef bleiben möchte. Es wird womöglich weitere Kandidaten geben, die gegen ihn antreten. Vielleicht auch nicht. Aber die Partei hat zumindest die Wahl. So geht Demokratie.

Linke und SPD dürfen sich daran ein Beispiel nehmen. Verantwortung übernehmen heißt in einer Demokratie, sich zur Wahl zu stellen und eben auch zu riskieren, dass es nicht für einen der Chefposten reicht.

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