Klimaschutz:Deutschlands teuerste Baustelle

Lesezeit: 2 min

Was in Deutschland klimafreundlich umgebaut werden soll, geht zum großen Teil über den Schreibtisch von Wirtschaftsminister Robert Habeck. (Foto: Michele Tantussi/Reuters)

Mehr Erneuerbare, eine grüne Industrie, elektrische Mobilität und sparsame Häuser: Das Wirtschaftsministerium will von allen das größte Rad drehen. Das geht richtig ins Geld.

Von Michael Bauchmüller, Berlin

Gute Nachrichten aus dem Bundeswirtschaftsministerium: Der Rubel rollt wieder. Von diesem Dienstag an können Bauherren wieder Anträge für die Sanierung von Gebäuden einreichen. Der Haushaltsausschuss des Bundestages hatte zuvor rund 9,5 Milliarden Euro nachschießen müssen - die Nachfrage, vor allem nach Mitteln für effiziente Neubauten, war einfach zu hoch. So geht das zu, wenn der Bund mit Geld die Dinge verändern will.

Kein Ministerium betrifft das so sehr wie das Klimaministerium von Robert Habeck (Grüne). Was in diesem Land klimafreundlich umgebaut werden soll, das geht zum großen Teil über seinen Schreibtisch: der massiv gesteigerte Ausbau erneuerbarer Energien, die Förderung klimafreundlicher Industrieanlagen, der Ausstieg aus der Kohle und der Abschied von herkömmlichen Öl- und Gasheizungen. Überall soll Förderung die Bereitschaft erhöhen, auf saubere Alternativen umzusteigen. Nur: Ganz billig wird das nicht.

SZ PlusSteigende Energiepreise
:Was beim Energiesparen hilft

Licht im Flur aus, kein Kipplüften und elektronische Geräte abschalten statt Stand-by-Modus: An Tipps zum Energiesparen mangelt es nicht, gerade jetzt. Doch was bringt all das wirklich?

Von Marcel Laskus

Das Wirtschaftsministerium kann dazu aus einem Topf schöpfen, der regelmäßig aufgefüllt wird: dem Energie- und Klimafonds. Um 60 Milliarden Euro war er zuletzt aufgestockt worden - nicht abgerufene Corona-Hilfen hatte die Koalition per Nachtragshaushalt dorthin umgelenkt. Aber die Ampel hat auch viel vor mit dem Fonds, vielleicht zu viel. So soll er voraussichtlich schon zur Mitte des Jahres die Ökostrom-Umlage schultern. Das soll bei den Stromkunden, die derzeit einen Teil der Umlage über die Stromrechnung zahlen, nicht nur die hohen Stromkosten dämpfen. Sie sollen so auch einen Teil jener CO₂-Ausgaben erstattet bekommen, die sie seit dem vorigen Jahr fürs Tanken und Heizen zu zahlen haben. Aus dem Fonds lässt das mindestens zehn Milliarden Euro abfließen, wahrscheinlich mehr.

Bei so vielen Projekten schmelzen auch 60 Milliarden schnell zusammen

Damit allerdings werden auch Förderungen für neue Ökostrom-Projekte künftig über den Klimafonds laufen - und da schwebt Habeck eine Verdoppelung bei der Windkraft und eine Verdreifachung bei der Solarenergie vor. Das kostet. Auch die Industrie soll sich wandeln, mithilfe sogenannter "Differenzverträge": Der Staat übernimmt hier die Mehrkosten für neue Technologien abzüglich der Ersparnisse, die der Klimaschutz für die Unternehmen auch mit sich bringt. Doch je größer die Industrien, desto kostspieliger werden die Verträge für den Staat - in diesem Fall für den Fonds. Obendrauf kommen noch die Programme für energieeffiziente Gebäude, für saubere Heizungen, für Elektroautos, für neue Infrastruktur und, und, und. Selbst 60 Milliarden Euro sind da plötzlich nicht mehr viel.

Dabei kommt der Koalition der hohe Energiepreis derzeit sogar entgegen. Beispiel Strompreise: Je teurer sich der Strom am Markt verkaufen lässt, desto weniger muss der Staat für die Förderung von Ökoenergien drauflegen. Entsprechend weniger kostspielig fällt die Abschaffung der Umlage aus, jedenfalls derzeit. Beispiel Emissionshandel: Die Preise der Zertifikate für den CO₂-Ausstoß eilen von Rekord zu Rekord, auch das eine Folge hoher Strompreise. Versteigert werden sie vom Bund, und der bekommt dafür derzeit fast 90 Euro je Tonne Kohlendioxid - mehr als doppelt so viel wie vor einem Jahr. Geld, das direkt in den Klimafonds fließt.

Das alles muss nicht so bleiben, und nicht nur der Run auf die Milliarden für energieeffiziente Gebäude zeigt: Sind solche Programme erst einmal etabliert, geht es richtig ins Geld. Welche Nachfrage etwa die Differenzverträge für die Industrie auslösen, lässt sich noch gar nicht abschätzen. Angesichts vieler Haushalts-Anmeldungen sei der Klimafonds derzeit "deutlich überzeichnet gegenüber den Mitteln, die da sind", sagt Habecks Energie-Staatssekretär Patrick Graichen. Man stehe regierungsintern in Verhandlungen. Aber es gelte auch: "Je weniger wir beim Thema Förderungen machen, desto mehr müssen wir beim Ordnungsrecht machen." Er dürfte ahnen: Ordnungsrecht, also strikte Gebote und Verbote, sind für den Finanzminister Christian Lindner von der FDP nur das allerletzte Mittel.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Wohnungsbau
:Ein Fall für zwei

Beim ersten Treffen mit der gesamten Wohnungsbranche setzen Bauministerin Geywitz und Vizekanzler Habeck auf einen Krimi-Trick.

Von Stephan Radomsky

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: