Extremismus:Habeck warnt eindringlich vor AfD - Kanzler ruft zu Demos auf

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Vizekanzler Robert Habeck und Kanzler Olaf Scholz sind sich mit Blick auf die AfD einig. (Foto: IMAGO/Christian Spicker/IMAGO/Christian Spicker)

Der Umgang mit der AfD beschäftigt die deutsche Politik wohl mehr denn je. Der Vizekanzler sagt, den Rechtsautoritären gehe es "um einen Angriff auf das Wesen der Republik". Scholz begrüßt die Anti-Rassismus-Demonstrationen im Land.

Eine Woche nach Bekanntwerden eines Treffens rechter Politiker und Aktivisten in Potsdam reißt die Debatte über den Umgang mit der AfD nicht ab. Vizekanzler Robert Habeck warnt eindringlich vor der rechten Partei. "Es geht den Rechtsautoritären um einen Angriff auf das Wesen der Republik", sagte der Grünen-Politiker dem Magazin Stern . "Sie wollen aus Deutschland einen Staat wie Russland machen." Darauf bereiteten sie sich systematisch vor. Deshalb müssten auch die Sicherheitsbehörden systematisch vorgehen, "Beweise sammeln, Teilgliederungen, einzelne Personen, Veranstaltungen und Äußerungen genau beobachten". Zudem müssten Straftaten konsequent geahndet werden, und es brauche Härte "entlang unserer Gesetze und auf der Grundlage der Verfassung".

Auch andere Politiker finden klare Worte. Bundeskanzler Olaf Scholz begrüßte die Demonstrationen gegen "Rassismus und Hetze", die vielerorts in Deutschland stattfinden. "Ich bin dankbar, dass Zehntausende in diesen Tagen überall in Deutschland auf die Straße gehen - gegen Rassismus, Hetze und für unsere freiheitliche Demokratie", schrieb der SPD-Politiker auf der Plattform X. Das mache Mut und zeige: "Wir Demokratinnen und Demokraten sind viele - viel mehr als diejenigen, die spalten wollen." Scholz hatte am Samstag selbst an einer solchen Kundgebung in Potsdam teilgenommen.

Der SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND): "Alle Vernünftigen, die bisher noch leise waren, müssen jetzt auch laut werden."

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Von Wolfgang Janisch

Correctiv hatte ein Treffen von Rechtsradikalen aufgedeckt

Das Medienhaus Correctiv hatte vorige Woche über ein Treffen von Rechtsradikalen mit Politikern von AfD und CDU berichtet, das Ende November in einer Potsdamer Villa stattfand. Der frühere Kopf der rechtsextremen Identitären Bewegung in Österreich, Martin Sellner, hatte dort über die systematische Vertreibung von Menschen aus Deutschland gesprochen, in der extremen Rechten wird das beschönigend oft Remigration genannt. Diesen Mittwoch will Correctiv seine Recherche im Berliner Ensemble vorstellen. Bei der szenischen Lesung sollen auch einige neue Details bekannt werden.

Die Werteunion hat derweil die Teilnahme zweier ihrer Mitglieder an dem Treffen in Potsdam erstmals offiziell bestätigt. Die beiden Frauen "hielten sich dort als eingeladene Privatgäste und nicht als Vertreter der Werteunion auf", teilte der Verein mit. Die Werteunion ist ein Verein, der nach eigener Darstellung "loyal zu CDU und CSU steht" und Mitglieder beider Parteien in seinen Reihen hat.

Auf dem Kölner Heumarkt demonstriert ein breites Bündnis gegen die AfD. (Foto: Oliver Berg/dpa)

In den vergangenen Tagen gab es in deutschen Städten Großdemonstrationen gegen Rechtsextremismus. Am Dienstagabend gingen in Köln laut Polizei 30 000 Menschen auf die Straße. "Diese Menschen zeigen: Eine laute Minderheit am rechten Rand kann sich nicht darauf verlassen, dass die demokratische Mehrheit schweigt", sagte Grünen-Fraktionschefin Katharina Dröge.

"Das ist keine Frage der politischen Haltung, sondern des Rechts"

Nach der Correctiv-Recherche nimmt auch die Debatte über ein mögliches AfD-Verbot wieder Fahrt auf. Habeck sagte dem Stern auf die Frage, ob er für oder gegen ein AfD-Verbot sei: "Das ist keine Frage der politischen Haltung, sondern des Rechts." Über ein Verbot entscheide allein das Bundesverfassungsgericht, die Hürden seien zu Recht sehr hoch und der Schaden durch ein gescheitertes Verfahren wäre nach Ansicht Habecks massiv. "Sollte sicher nachgewiesen sein, dass eine Partei das Land in einen faschistischen Staat verwandeln will, gehört sie verboten, egal, wie stark sie ist", sagte Habeck.

Neben einem möglichen AfD-Verbotsantrag wird auch über einen Antrag auf Entzug der Grundrechte für herausragende Verfassungsfeinde diskutiert. Konkret richtet sich das gegen Thüringens AfD-Chef Björn Höcke.

Artikel 18 des Grundgesetzes schreibt fest, dass Einzelpersonen ihre Grundrechte, also zum Beispiel auch das Recht, als Abgeordnete wählbar zu sein, verlieren können, wenn sie eben dieses Grundrecht zum Kampf gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung einsetzen. Darüber entscheiden kann jedoch nur das Bundesverfassungsgericht.

Artikel 18 ist in der Geschichte der Bundesrepublik extrem selten angewendet worden, wird jedoch inzwischen unter einigen Verfassungsfachleuten und auch unter Politikern als Möglichkeit gesehen, um Rechtsextremisten entgegenzutreten. "Der Nazi Björn Höcke bewirbt sich seit Jahren initiativ darum, dass diese Paragrafen mal an ihm angewendet werden", sagte Juso-Chef Philipp Türmer im Tagesspiegel.

Eine Unterschriftensammlung, in der gefordert wird, Höcke sein passives Wahlrecht zu entziehen, verzeichnete bis zum späten Dienstagabend mehr als 1,1 Millionen Unterschriften. Wie die Rheinische Post berichtet, ist mittlerweile auch beim Petitionsausschuss des Bundestags eine entsprechende Petition eingereicht worden. Sie müsse allerdings noch geprüft werden, bevor sie veröffentlicht werde, sagte die Ausschussvorsitzende Martina Stamm-Fibich (SPD) der Zeitung. Hat die Petition mehr als 50 000 Unterstützer, muss sich der Ausschuss damit befassen und eine Anhörung ansetzen.

Die Linke bringt noch eine weitere Forderung auf: Sie plädiert dafür, zunächst die Jugendorganisation Junge Alternative (JA) ins Visier zu nehmen. Diese können wesentlich leichter verboten werden, als die AfD-Gesamtpartei, sagte die stellvertretende Parteivorsitzende Katina Schubert der Deutschen Presse-Agentur.

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