Die Debatte über eine Neuauflage der großen Koalition droht die SPD vor eine Zerreißprobe zu stellen. Vor dem Gespräch von Parteichef Martin Schulz mit Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier an diesem Donnerstag meldeten sich aus den Reihen der Genossen sowohl Befürworter als auch Gegner von Schwarz-Rot zu Wort. Der Druck auf Schulz steigt.
Nachdem die Sondierungen für ein Jamaika-Bündnis geplatzt waren, hatte der SPD-Vorstand am Montag zunächst einen Beschluss gefasst, wonach die Sozialdemokraten weiterhin nicht für eine große Koalition zur Verfügung stünden und Neuwahlen nicht scheuten. Intern hatten sich daraufhin Bedenken gegen eine solch schnelle Festlegung geregt. Unter den Mahnern befanden sich einflussreiche Sozialdemokraten wie Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil, Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz und der geschäftsführende Justizminister Heiko Maas.
Münchens OB Reiter warnt vor Neuwahlen
Regierungsbildung:Die CDU hofft auf die Sozialdemokraten
Merkel hält sich mit Avancen an die SPD allerdings noch zurück. Sie will erst die Vermittlung des Bundespräsidenten und den Ausgang des Richtungsstreits innerhalb der SPD abwarten.
Intern mehrten sich am Mittwoch die Stimmen derer, die mindestens Offenheit für Gespräche mit der Union forderten. Auch öffentlich meldeten sich diverse Genossen zu Wort, darunter Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter, der vor Neuwahlen warnte: Er appelliere "an alle demokratischen Parteien, Gespräche zu führen und die Interessen für unser Land vor Parteiinteressen zu stellen", erklärte er. "Das gilt insbesondere auch für meine Partei, die SPD."
Allerdings gibt es in der SPD trotz des immensen öffentlichen Drucks nach wie vor mächtige Gegner einer Neuauflage von Schwarz-Rot. So hatte der nordrhein-westfälische Landeschef Michael Groschek bereits unmittelbar nach dem Jamaika-Aus erneut erklärt, die Bundes-SPD stehe für eine große Koalition nicht zur Verfügung. Der schleswig-holsteinische SPD-Landeschef Ralf Stegner betonte, ein Abrücken vom Nein würde die Glaubwürdigkeit der SPD beschädigen. Auch die Jusos forderten, beim Nein zu Schwarz-Rot zu bleiben.
Einige Sozialdemokraten bringen Minderheitsregierung ins Spiel
Bemerkenswert ist vor diesem Hintergrund eine am Mittwoch verschickte Erklärung der Parlamentarischen Linken in der SPD-Bundestagsfraktion. "Mit Forderungen nach Koalitionsgesprächen ohne inhaltliche Vorbedingungen wird der Glaubwürdigkeit der SPD geschadet", formulierte deren Sprecher Matthias Miersch. Statt aber das Nein der SPD nochmals zu bekräftigen, definierte er inhaltliche Kernpunkte der SPD, "die nun Gegenstand möglicher Gespräche sein müssen". Dazu zählte er "umfassende Steuerreformen" und die Einführung einer Bürgerversicherung.
Als weitere Möglichkeit brachten mehrere prominente Sozialdemokraten eine von der SPD tolerierte Minderheitsregierung ins Spiel - wobei dies vor allem ein Manöver sein dürfte, um den öffentlichen Druck etwas zu vermindern. Parteichef Schulz betonte über die Nachrichtenagentur dpa, die SPD sei sich ihrer Verantwortung "vollständig" bewusst. Es wird erwartet, dass Steinmeier ihn zu Gesprächen mit der Union auffordern wird. Der Bundespräsident will in der nächsten Woche auch mit den Fraktionschefs von Linkspartei und AfD zu Gesprächen zusammenkommen.