Reaktionen auf Münchner Prügelattacke:"Es geht auch um Sühne"

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Der tödliche Angriff auf Dominik B. am Münchner S-Bahnhof Solln hat die Debatte über den Umgang mit straffälligen Jugendlichen wieder angeheizt. Die CSU will den Fall zum Wahlkampfthema machen.

Nach der tödlichen Attacke zweier Jugendlicher auf einen S-Bahn-Fahrgast in München hat die SPD vor reflexhaften Forderungen nach Gesetzesverschärfungen gewarnt. "Der Ruf nach höheren Strafen ist keine Antwort", sagte der bayerische SPD-Chef Florian Pronold und warnte vor "politischen Schnellschüssen". Er verlangte stattdessen eine stärkere Polizeipräsenz in den S-Bahnen.

"Es ist mir klar, dass jetzt wieder die üblichen Reflexe kommen", sagte Pronold mit Blick auf Forderungen aus der CSU, die Höchststrafe für Jugendliche von zehn auf 15 Jahre zu erhöhen. Dies könne aber solche Taten nicht verhindern.

Wer sich von zehn Jahren Strafandrohung nicht abschrecken lasse, den werde auch eine Höchststrafe von 15 Jahren nicht abschrecken. Der SPD-Chef verurteilte die Attacke vom Samstag als "furchtbare Tat, die durch nichts zu entschuldigen ist".

Ramsauer will Attacke zum Wahlkampfthema machen

CSU-Landesgruppenchef Peter Ramsauer warf der SPD Untätigkeit beim Jugendstrafrecht vor. Schon nach dem Angriff auf einen Rentner in der Münchner U-Bahn Ende 2007 hätten CDU und CSU im Koalitionsausschuss Vorschläge zu Verschärfungen beim Jugendstrafrecht vorgebracht, denen sich die SPD aber verweigert habe.

Die Sozialdemokraten hätten damit "schwere Verantwortung" auf sich gezogen, sagte Ramsauer. Er kündigte an, den Fall in den verbleibenden knapp zwei Wochen zum Wahlkampfthema machen zu wollen.

Unionsfraktionsvize Wolfgang Bosbach sprach sich ebenfalls für Änderungen im Jugendstrafrecht aus. Die Union werde das nach der Bundestagswahl "mit Hochdruck weiterverfolgen", kündigte der innenpolitischer Sprecher der CDU an.

Zudem forderte er mehr Kontrollpersonal in öffentlichen Verkehrsmitteln. Der Neuen Osnabrücker Zeitung sagte Bosbach: "Es ist unverkennbar, dass sich Übergriffe im öffentlichen Nahverkehr häufen." In dem Maße, in dem hier Personal durch Technik ersetzt worden sei, bleibe der Schutz potentieller Opfer der Zivilcourage Einzelner überlassen. "Man kann sich bei der Gefahrenabwehr aber nicht allein auf Zivilcourage der Bürger verlassen", betonte Bosbach.

Das bayerische Kabinett wird sich am Mittwoch mit der tödlichen Attacke befassen. Ministerpräsident Horst Seehofer sagte, er habe Justizministerin Beate Merk und Innenminister Joachim Herrmann (alle CSU) gebeten, Vorschläge zu möglichen Konsequenzen aus der Gewalttat vorzulegen. Man müsse überlegen, wie man Menschen stärker schützen könne, die "in bewundernswerter Weise" Zivilcourage aufbringen. Seehofer betonte: "Das, glaube ich, sind wir auch dem Opfer schuldig."

Herrmann forderte die Deutsche Bahn auf, mehr für die Sicherheit auf den Bahnhöfen zu tun. Der CSU-Politiker sagte im RBB-Inforadio: "Ich fordere von der Deutschen Bahn klipp und klar, dass alle S-Bahn-Stationen ebenso wie die U-Bahnhöfe mit Video-Überwachungseinrichtungen ausgestattet werden." Von der Bundespolizei als Nachfolgerin der Bahnpolizei forderte der Innenminister eine konsequente Beteiligung an der Überwachung.

Der CSU-Politiker plädierte zudem erneut dafür, im Regelfall bereits für 18-Jährige das Erwachsenenstrafrecht anzuwenden. "Für so brutale Straftaten wie diesen Mord muss es auch eine höhere Höchststrafe für Jugendliche geben, nämlich 15 statt zehn Jahre", sagte Herrmann nach Angaben des Senders. Er forderte die Justiz zu konsequentem Handeln gegen gewalttätige Jugendliche auf.

Auch Kollegin Merk will die Höchststrafe im Jugendstrafrecht von zehn auf 15 Jahre erhöhen. Zwar wisse sie auch, so Merk, "dass härtere Strafen allein solche Taten nicht verhindern können". Allerdings gehe es ihr "auch um die Sühne in diesem Fall." CSU-Landesgruppenchef Peter Ramsauer warf der SPD vor, eine Verschärfung des Jugendstrafrechts blockiert zu haben. Er erhebe deswegen "schwere Vorwürfe". In Sachen Jugendkriminalität habe sie sich geweigert, "auch nur das Geringste zu tun".

"Null Toleranz für solche Angriffe"

Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) dagegen hält die 2005 von der großen Koalition bestätigte Abstufung im Strafrecht nach wie vor für richtig. Bei Straftätern in der Altersgruppe der 18- bis einschließlich 20-Jährigen sei die persönliche Reife sehr unterschiedlich ausgeprägt.

Auch die Berliner Justizsenatorin Gisela von der Aue (SPD) entgegnete, eine Verschärfung des Jugendstrafrechts bringe "nichts". Wichtig sei es vielmehr, gemeinsam mit Jugendämtern, Polizei und freien Trägern auf Gewaltvermeidung zu setzen. Bayerns SPD-Chef Florian Pronold sagte, die Bluttat sei "furchtbar".

Der Münchner SPD-Vorsitzende Hans-Ulrich Pfaffmann forderte eine "höhere Polizeipräsenz" in den Zügen. Dies sei Aufgabe des Freistaats. Zudem plädierte er für "null Toleranz für solche Angriffe." Münchens Oberbürgermeister Christian Ude sagte dem Münchner Merkur, er wolle gerne "mal erleben, dass die Justiz ihre Möglichkeiten beim Strafmaß ausschöpft. Zehn Jahre in Haft sind für einen 18-jährigen eine sehr lange Zeit."

In München hatten am Samstag zwei junge Männer im Alter von 17 und 18 Jahren einen 50-jährigen S-Bahn-Fahrgast zu Tode geprügelt und getreten. Dieser hatte sich zuvor schützend vor eine Gruppe Heranwachsender gestellt. Die Münchner Staatsanwaltschaft wertete den Angriff als Mord aus niedrigen Beweggründen.

© AFP/AP/dpa/ddp-bay/afis - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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