Auftakt der Protestwoche:Bauern drohen mit Autobahnblockaden

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"Ist der Bauer ruiniert, wird dein Essen importiert": Demonstration von Landwirten in Rangendingen in Baden-Württemberg. (Foto: IMAGO/Ulmer/IMAGO/ULMER Pressebildagentur)

Tausende Landwirte wollen bundesweit gegen die Agrarpolitik der Regierung protestieren. Ein versuchter Angriff auf Wirtschaftsminister Habeck schürt die Sorge vor einer Eskalation.

Von Christoph Koopmann

Die ganze Republik soll zu spüren bekommen, dass es den Landwirten reicht. Von Montag an wollen sie mit Straßenblockaden und Demonstrationen dagegen protestieren, dass die Bundesregierung Subventionen für ihre Betriebe kürzen möchte. In ganz Deutschland ist mit Verkehrsbehinderungen zu rechnen, Schwerpunkte der Blockaden sollen Ankündigungen zufolge unter anderem Autobahnauffahrten sein.

Zum Start der Protestwoche wachsen allerdings auch die Sorgen vor einer Eskalation der Aktionen, oder eher: einer weiteren Eskalation. Am Donnerstag hatten 250 bis 300 Menschen - unter ihnen wohl vorwiegend Landwirte -Robert Habeck (Grüne) an einem Anleger in Schlüttsiel in Schleswig-Holstein abgepasst, als der Bundeswirtschaftsminister mit einer Fähre von einem privaten Besuch auf der Hallig Hooge zurückkehren wollte. Die Polizei verhinderte nur mit Mühe, dass gut zwei Dutzend Protestierende die Fähre stürmen konnten.

Politikerinnen und Politiker von Grünen bis zur Union verurteilten den Vorfall. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier kritisierte die Blockade am Fähranleger: "Das dürfen wir nicht hinnehmen", sagte er der Bild. FDP-Chef Christian Lindner sagte beim Dreikönigstreffen seiner Partei, Aktionen wie die gegen Habeck seien "völlig inakzeptabel". Auch kritisierte er die angekündigten flächendeckenden Proteste und Blockaden als "unverhältnismäßig". Den Landwirten rief Lindner zu: "Sie haben sich verrannt, bitte kehren Sie um."

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Grund für die Aktionstage sind Pläne der Bundesregierung, vor dem Hintergrund der angespannten Haushaltslage Subventionen für Agrardiesel sowie eine Begünstigung bei der Kfz-Steuer für land- und forstwirtschaftliche Maschinen zu streichen. Nach andauerndem Protest der Landwirte nahm die Ampel am Donnerstag die Streichung der Kfz-Steuererleichterung zurück und kündigte an, die Dieselsubventionen schrittweise, nicht ad hoc abzubauen. Doch der Deutsche Bauernverband blieb bei seiner Protestankündigung.

CSU-Chef Markus Söder äußerte bei der Klausur der Bundestagsabgeordneten seiner Partei in Seeon "Verständnis und Solidarität" für die Proteste der Landwirte, distanzierte sich aber von "radikalen Attacken". Auch EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (CDU) sagte in Seeon, sie könne zwar "die Anliegen der Landwirte sehr gut verstehen", mahnte aber zugleich, Gewalt habe in der Demokratie keinen Platz.

Ein Aufruf, Habeck in Schlüttsiel abzupassen, hatte sich zuvor nicht nur unter aufgebrachten Landwirten in der Region verbreitet - auf Telegram wurde eine entsprechende Nachricht in den Stunden vor der Ankunft des Ministers in Kanälen aus der Querdenkerszene und dem "Reichsbürger"-Milieu geteilt. Verfassungsschutz und Bundeskriminalamt warnen, dass rechtsextreme und verschwörungsideologische Akteure die geplanten Proteste der Landwirte zu unterwandern versuchen.

Entsprechende Aufrufe kursieren in sozialen Medien bereits seit der Vorweihnachtszeit, in den vergangenen Tagen noch verstärkt. In reichweitenstarken Querdenker-Kanälen auf Telegram beispielsweise wurde zu einem "Generalstreik" von Landwirten, Spediteuren und Kraftfahrern, Handwerkern und anderen Gewerken aufgerufen. Funktionäre und Anhänger rechtsextremer Parteien wie der Freien Sachsen und anderer Vereinigungen aus der Szene haben Demonstrationen angemeldet, etwa in Dresden. Allerdings gilt es in Sicherheitskreisen als zweifelhaft, dass es den Agitatoren tatsächlich gelingt, Mitstreiter in nennenswerter Zahl auf die Straße zu bekommen.

Auch die AfD versucht, bei den Protesten mitzumischen. Der Landesverband Thüringen von Björn Höcke rief seine Anhänger auf, sich an Aktionen zu beteiligen, solange diese "gewaltlos und friedlich" stattfänden. Funktionäre der AfD haben sich bei Kundgebungen als Redner angekündigt. Am Sonntag teilte die Partei mit, sie unterstütze "die Proteste der Bauern und anderen Bürger gegen hohe Energiepreise und die Deindustrialisierung Deutschlands".

Der Deutsche Bauernverband stellte am Wochenende erneut klar, dass er eine Instrumentalisierung seiner Proteste nicht dulde. "Rechte und andere radikale Gruppierungen wollen wir auf unseren Demos nicht haben", sagte Verbandspräsident Joachim Rukwied der Bild am Sonntag. Er hatte zuvor schon Aktionen wie die gegen Robert Habeck als "No-Go" bezeichnet.

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) sagte der Rheinischen Post, diese Abgrenzung könne "nur ein Anfang" sein. "Jetzt ist es die Verantwortung der Organisatoren, bei den Protesten dafür zu sorgen, dass keine extremistischen Parolen gebrüllt und Transparente gezeigt werden." Höhepunkt der Proteste soll eine Großdemonstration am 15. Januar in Berlin werden.

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