Portugal:Ministerpräsident António Costa tritt überraschend zurück

Lesezeit: 2 Min.

António Costa kurz nach seiner Rücktrittserklärung am Dienstag in Lissabon. (Foto: Patricia De Melo Mareira/AFP)

Am Dienstag wurde bekannt: Der Regierungschef und weite Teile seiner Administration stehen im Fadenkreuz umfassender Korruptionsermittlungen. Costa erklärte am Nachmittag vor laufenden Kameras seinen Rücktritt.

Von Patrick Illinger, Madrid

Der seit 2015 regierende Ministerpräsident Portugals, António Costa, hat am Dienstagnachmittag überraschend seinen Rücktritt erklärt. Zweimal hatte er zuvor um die Mittagszeit den Staatspräsidenten Marcelo Rebelo de Sousa in dessen Residenz in Belém aufgesucht, um diesem seine Entscheidung mitzuteilen. Der Präsident nahm das Rücktrittsangebot umgehend an.

Kurz zuvor war bekannt geworden, dass die Staatsanwaltschaft nicht nur Machenschaften von Politikern und Mitarbeitenden im Umfeld des sozialistischen Regierungschefs untersucht, sondern dass zudem der dafür zuständige Oberste Gerichtshof gegen Costa selbst ermittelt. Es geht dabei um den Vorwurf der Korruption und Vorteilsnahme bei der Vergabe von Lizenzen für Lithium-Bergbau sowie die Herstellung von grünem Wasserstoff in Portugal.

Wenige Stunden bevor Costa, der das Land in den vergangenen Jahren mit einer absoluten Mehrheit im Parlament regierte, vor die Fernsehkameras trat, um seine Entscheidung zu verkünden, waren mehrere Festnahmen in seinem Umfeld bekannt geworden. Neben anderen waren Costas Kabinettschef und rechte Hand, Vítor Escária, sowie der einflussreiche Unternehmer und Costa-Freund Diogo Lacerda Machado am Nachmittag verhaftet worden, ebenso der Bürgermeister von Sines, einer Hafenstadt, in der eine gigantische Anlage zur Herstellung von Wasserstoff entstehen sollte, sowie ein Rechenzentrum, das ebenfalls im Fadenkreuz der Ermittler steht. Die Details der Vorwürfe gegen Costa und seine Vertrauten sind allerdings noch nicht bekannt geworden.

"Es ist ein Lebensabschnitt, der zu Ende ist."

"Ich werde mich nicht erneut für das Amt des Premierministers bewerben", beteuerte António Costa vor den TV-Kameras. "Es ist ein Lebensabschnitt, der zu Ende ist", sagte er. Strafverfahren seien selten schnell. Er werde mit Sicherheit nicht auf die Ergebnisse der Ermittlungen warten, um Konsequenzen zu ziehen.

Fehlverhalten im Amt leugnete er allerdings und äußerte sich "überrascht von den Handlungen der Staatsanwaltschaft". Costa sagte: "Ich möchte den Portugiesen von Angesicht zu Angesicht sagen, dass die Ausübung jeglicher illegaler oder sogar verwerflicher Handlungen mein Gewissen nicht belastet." Er sei bereit, mit der Justiz zusammenzuarbeiten, um die ganze Wahrheit herauszufinden, "was auch immer die Sache sein mag".

"In der portugiesischen Verfassungsgeschichte gibt es keine Situation mit solch großer institutioneller Diskreditierung", sagte der Verfassungsrechtler Paulo Otero der Zeitung Público. "Was auf dem Spiel steht, ist nicht der Verdacht gegen ehemalige Machthaber oder einen ehemaligen Premierminister, sondern gegen einen amtierenden Premierminister."

Die Staatsanwaltschaft ließ 42 Wohnungen und Büros durchsuchen

Die Staatsanwaltschaft ließ am Dienstagmorgen landesweit 42 Wohnungen und Büros durchsuchen, darunter die Residenz von Ministerpräsident António Costa sowie Büros im Ministerium für Umwelt und Klimaschutz, im Ministerium für Infrastruktur und im Staatssekretariat für Energie und Klima. An den Durchsuchungen beteiligten sich laut Zeitungsangaben 17 Staatsanwälte, drei Richter, zwei Vertreter der Anwaltskammer, rund 145 Beamte der zuständigen Polizeibehörde und neun Finanzbeamte. Die Verhafteten müssen nun binnen 48 Stunden einem Haftrichter vorgeführt werden.

Bei der Ermittlung, in der auch der Minister für Infrastruktur, João Galamba, und der Präsident der portugiesischen Umweltbehörde, Nuno Lacasta, beschuldigt werden, geht es um "Straftaten wie Amtsmissbrauch, aktive und passive Bestechung politischer Amtsträger und Einflussnahme" erklärte die Generalstaatsanwaltschaft.

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Der Skandal, dessen Ausmaße Portugals politische Klasse zutiefst erschüttern, rankt sich unter anderem um das mittlerweile gescheiterte Megaprojekt H2Sines, das zum Ziel hatte, Wasserstoff mit der Produktionsleistung von einem Gigawatt zu erzeugen, was zwei Kernkraftwerksreaktoren entspricht. Diese Stromleistung sollte mit Solarenergie erzeugt werden, um Wasserstoff per Elektrolyse herzustellen. Das Gas sollte für die einheimische Industrie sowie für den Export verwendet werden.

Offenbar geht es nun um den Vorwurf, dass bei den Auftragsvergaben rund um das Wasserstoffprojekt einzelne Firmen bevorzugt wurden. Womöglich steht auch Subventionsbetrug im Raum. Ähnlich lautet der Verdacht rund um Konzessionen zur Exploration von Lithium in Minen an zwei Standorten Portugals.

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