Extremismus in der Polizei:Reul will Gesetzeslücke schließen

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Nordrhein-Westfalens Innenminister Herbert Reul (CDU) plant, einen neuen Paragrafen ins Strafgesetzbuch schreiben. (Foto: Oliver Berg/DPA)

Wenn sich Polizisten in Chatgruppen rechtsextrem äußern, bleibt das oft folgenlos. Nordrhein-Westfalens Innenminister will das ändern.

Von Christoph Koopmann

Sie haben sich offenbar sehr sicher gefühlt in ihren Chatgruppen - diese waren schließlich geschlossen, nur für eingeladene Mitglieder. Die Gruppen hießen "React Clan" oder "Secret Hitler Crew", was schon ein Hinweis darauf ist, welche Art von Inhalten hier gepostet wurde. Wie die Mitglieder sich selbst wohl sahen, darauf lässt ein dritter Gruppenname schließen: "Vorzeigepolizisten". Acht junge Beamte aus den nordrhein-westfälischen Kreispolizeibehörden Borken, Kleve und Recklinghausen tauschten sich hier aus.

Und was sie da hin- und herschickten: Der Kölner Stadt-Anzeiger berichtet, in den Ermittlungsunterlagen sei von Hakenkreuzen, Hitlerbildern und Holocaust-Verherrlichung die Rede. Von einem Foto, das einen der Beamten zeige, wie er am Streifenwagen lehnt. Dazu soll er geschrieben haben: "Was ich beruflich mache?" Die Antwort habe gelautet: "Kanacken klatschen."

Als Volksverhetzung gilt nur, was öffentlich geäußert wurde

Polizisten in rechtsextremen Chatgruppen - solche Schlagzeilen gibt es sehr regelmäßig. Wegen des aktuellen Falls möchte sich die nordrhein-westfälische Landesregierung nun aber dafür einsetzen, dass solche Vorkommnisse nicht mehr folgenlos bleiben. Das war bisher oft der Fall. Im September 2020 etwa wurden eher durch Zufall zwei Whatsapp-Gruppen entdeckt, in denen Beamte des Polizeipräsidiums Essen rechtsradikale Inhalte posteten. Insgesamt 42 Polizisten gerieten in dem Komplex ins Visier. Nordrhein-Westfalens Innenminister Herbert Reul (CDU) kündigte damals null Toleranz an.

Drei Jahre später ist die Bilanz durchwachsen: 19 Beamte sind zwar noch des Dienstes enthoben, aber nur vorläufig, bis ihre Disziplinarverfahren abgeschlossen sind. Nur 23 Verfahren sind abgeschlossen, 20 davon ohne Konsequenzen. Strafrechtlich belangt wurden wegen der rechtsextremen Inhalte nur vier Beamte, wegen des Verwendens verfassungswidriger Symbole oder Volksverhetzung. Das aber nur, weil sie explizit zum Teilen der Inhalte aufgerufen hatten. Sie bekamen Strafbefehle zwischen 3000 und 4000 Euro.

In vielen Fällen hat die Polizei keine Handhabe, rechtsextremistisch ausfällig gewordene Beamte loszuwerden. Es ist nach Rechtsauffassung vieler Gerichte schlicht nicht illegal, in einer geschlossenen Chatgruppe beispielsweise gegen Muslime zu hetzen. Erst in diesem Frühjahr hat das Landgericht Frankfurt eine Anklage gegen fünf hessische Polizisten nicht zugelassen, weil der Tatbestand Volksverhetzung voraussetze, dass eine entsprechende Äußerung öffentlich getätigt worden ist. Das sei in ihrer privaten Gruppe nicht gegeben gewesen. Und selbst wenn mal jemand verurteilt wird: Das Beamtenrecht verlangte bisher für einen Verlust des Beamtenstatus eine Verurteilung zu mindestens einem Jahr Freiheitsstrafe. Für Volksverhetzung und ähnliche Delikte ist das eine recht hohe Hürde.

Auch extremistische Posts in Privatgruppen sollen als Straftat im Amt gelten

Dienstrechtlich ist es nicht minder kompliziert. Der Dienstherr muss einem Beamten fehlende Verfassungstreue vor einem Verwaltungsgericht nachweisen, um ihn entlassen zu können. Das dauert oft Jahre und die Anforderungen sind groß; auch ansonsten einwandfreier Dienst kann da eine Rolle spielen. Die Hürden sind auch höher, wenn ein Vergehen außerhalb des Dienstes stattgefunden hat - also zum Beispiel in Privatchats. Häufig enden Disziplinarverfahren deshalb ohne Entlassung. Betroffene Beamte werden womöglich nur versetzt oder zurückgestuft.

Innenminister Herbert Reul hat jetzt eine Initiative im Bundesrat gestartet. Konkret fordert er, einen neuen Paragrafen ins Strafgesetzbuch zu schreiben: Damit sollen auch extremistische Posts in Privatgruppen künftig als Straftat im Amt gelten. "Wenn Amtsträgerinnen und Amtsträger querschlagen, müssen wir auch in der Lage sein durchzugreifen", sagte Reul diese Woche.

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Bundesinnenministerin Nancy Faeser hatte in diesem Frühjahr bereits angekündigt, dass sie das Beamtenrecht verschärft: Künftig soll eine Verfügung des Dienstherrn reichen und keine Klage mehr nötig sein. Außerdem soll es bei Volksverhetzung für eine Entlassung künftig reichen, wenn ein Beamter zu sechs Monaten Freiheitsstrafe verurteilt wurde, nicht mehr zu einem Jahr.

Im Fall der acht Polizisten aus Borken, Kleve und Recklinghausen, deren Chats kürzlich aufgeflogen sind, dürfte es sowieso einfacher werden. Sie sind Beamte auf Probe und können schon jetzt wesentlich leichter entlassen werden als Beamte auf Lebenszeit.

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