Bundesregierung:Extremisten sollen schneller aus Staatsdienst entfernt werden

Bundesregierung: Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) während der Sitzung des Kabinetts in Berlin.

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) während der Sitzung des Kabinetts in Berlin.

(Foto: Annegret Hilse/Reuters)

Das Kabinett beschließt einen Gesetzentwurf zur Verschärfung des Disziplinarrechts für Beamtinnen und Beamte. Der Deutsche Beamtenbund kritisiert die Entscheidung.

Von Robert Roßmann, Berlin

Um Verfassungsfeinde schneller aus dem öffentlichen Dienst entfernen zu können, will die Bundesregierung das Disziplinarrecht verschärfen. Das Kabinett beschloss am Mittwoch einen entsprechenden Gesetzentwurf. Bisher vergehen bis zur rechtskräftigen Entlassung von Beamten aus dem Staatsdienst oft mehrere Jahre. Dies sei insbesondere bei Personen, die die Bundesrepublik Deutschland und deren freiheitliche demokratische Grundordnung ablehnen, nicht vermittelbar, heißt es in dem Gesetzentwurf.

Bundesinnenministerin Nancy Faeser formulierte es noch klarer. "Wir lassen nicht zu, dass unser demokratischer Rechtsstaat von innen heraus von Extremisten sabotiert wird - wer den Staat ablehnt, kann ihm nicht dienen", sagte die SPD-Politikerin. Künftig sollen Beamte deshalb per Disziplinarverfügung aus dem Staatsdienst entfernt werden können. Eine Verfügung ist eine Entscheidung der Verwaltung. Bisher müssen die zuständigen Behörden eine Disziplinarklage vor dem Verwaltungsgericht erheben.

Ein extremistischer Richter kann so schneller entlassen werden

SPD, Grüne und FDP hatten bereits in ihrem Koalitionsvertrag vereinbart: "Um die Integrität des öffentlichen Dienstes sicherzustellen, werden wir dafür sorgen, dass Verfassungsfeinde schneller als bisher aus dem Dienst entfernt werden können." Dies soll jetzt mit dem Gesetzentwurf aus Faesers Innenministerium umgesetzt werden. Damit kann in Zukunft zum Beispiel ein Extremist, der Richter ist, schneller aus dem Staatsdienst entlassen werden. Im Dezember war die Richterin und frühere AfD-Bundestagsabgeordnete Birgit Malsack-Winkemann im Rahmen einer Razzia in der Reichsbürger-Szene festgenommen worden.

Im Jahr 2021 wurden in der Bundesverwaltung mit ihren etwa 190 000 Beamtinnen und Beamten 373 Disziplinarmaßnahmen verhängt. Ganz überwiegend ging es dabei aber nicht um schwere, sondern nur um leichtere Dienstvergehen. Solche Fälle können dann mit einem Verweis, einer Geldbuße oder der Kürzung der Dienstbezüge oder des Ruhegehalts enden.

"Nur in wenigen Fällen wird das Vertrauen in die pflichtgemäße Amtsausübung und in die Integrität des öffentlichen Dienstes so nachhaltig gestört, dass statusrelevante Maßnahmen auszusprechen sind", heißt es in dem Gesetzentwurf. Diese reichten "von der Zurückstufung bis zu der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis oder der Aberkennung des Ruhegehalts". Besonders schwerwiegende Auswirkungen auf das Vertrauen des Dienstherrn und der Allgemeinheit hätten extremistische Handlungen. Beamtinnen und Beamte müssten sich durch "ihr gesamtes Verhalten zu der freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes bekennen und für deren Erhaltung eintreten". Beamtinnen und Beamte, "die sich mit ihrem Verhalten offen in Widerspruch zu den Grundwerten der parlamentarischen Demokratie stellen, die sie in ihrem Amt schützen und verteidigen sollen", seien deshalb im öffentlichen Dienst untragbar.

Beamtenbund gegen die Änderung

Gegen die Entfernung aus dem Dienst kann sich der betroffene Beamte wehren, indem er Klage erhebt. "Effektiver Rechtsschutz" für die Betroffenen werde "durch die Möglichkeit der nachgelagerten gerichtlichen Vollkontrolle der Disziplinarverfügung durch die Verwaltungsgerichte sichergestellt", heißt es in dem Gesetzentwurf. Dass die Disziplinarmaßnahmen künftig durch einen Verwaltungsakt ausgesprochen werden können, hält die Bundesregierung für verfassungskonform. Sie verweist dabei auf Regelungen, die bereits seit mehr als zehn Jahren in Baden-Württemberg gelten - und die bereits einer Überprüfung durch das Bundesverfassungsgericht standgehalten hätten.

Der Deutsche Beamtenbund (dbb) kritisiert den Gesetzentwurf jedoch vehement. Damit wolle "die Bundesregierung nicht weniger als eine komplette Kehrtwende im Disziplinarrecht". Für diesen umfassenden Ansatz gebe es aber überhaupt keinen sachlichen Grund, sagte Friedhelm Schäfer, der zweite Vorsitzende des dbb, bei einer Anhörung im Bundesinnenministerium. Es habe 2021 nur gegen 0,2 Prozent der Bundesbeamten Disziplinarmaßnahmen gegeben. Und nur in 25 Fällen habe es in diesem Jahr Disziplinarklagen gegeben.

"Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ging es dabei auch nicht ausschließlich um verfassungsfeindliche Positionen oder Handlungen, denen man grundsätzlich natürlich - da gibt es keinen Dissens - mit großer Entschiedenheit entgegentreten muss", sagte Schäfer. Der Gesetzentwurf tauge dazu aber nicht, sondern sende "lediglich eine Botschaft des Misstrauens sowohl an die Beschäftigten als auch an die Bürgerinnen und Bürger - obwohl es sich eben nur um Einzelfälle handelt".

Der Deutsche Beamtenbund schlägt deshalb vor, stattdessen eine zentrale Stelle einzurichten, die mit guter personeller Ausstattung die Ermittlungen gegen Beamte durchführt. Dort könnten Fachleute, die die Befähigung zum Richteramt haben, die Verfahren zügig bearbeiten - auf diese Weise könnten Verfassungsfeinde dann ebenfalls schneller aus dem Staatsdienst entfernt werden.

Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) teilte mit, dass sie Innenministerin Faeser darin unterstütze, extremistische Beamtinnen und Beamte konsequent aus dem Staatsdienst zu entfernen. Durch ihren Gesetzentwurf bestehe jedoch die Gefahr, dass "das Kind mit dem Bade ausgeschüttet" werde, sagte der GdP-Bundesvorsitzende Jochen Kopelke. Denn Faesers Reform greife "eben nicht nur beim zügigen Entfernen von Extremisten aus dem Dienst, sondern auch bei gewöhnlichen Dienstvergehen, die zu Zurückstufungen beziehungsweise Degradierungen führen sollen".

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