Rechtsextremismus:Anklage gegen Polizisten aus rechter Chatgruppe nicht zugelassen

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Das 1. Polizeirevier in Frankfurts Innenstadt - Beamte des Reviers haben in einer Chatgruppe rechtsextreme Inhalte ausgetauscht. (Foto: Ralph Peters/Imago)

Frankfurter Polizeibeamte sollen in einer Chatgruppe rechtsextreme und rassistische Inhalte ausgetauscht haben. Das Frankfurter Landgericht hält das in diesem Fall nicht für strafbar.

Von Gianna Niewel, Frankfurt am Main

Das Frankfurter Landgericht hat die Anklage im Verfahren um rechtsextreme Chatgruppen gegen Polizeibeamte eines Frankfurter Reviers nicht zugelassen. Die Begründung: Die Chatgruppe sei geschlossen gewesen, Teile der Inhalte von der Kunstfreiheit gedeckt.

Konkret geht es um fünf Polizeibeamte aus dem 1. Polizeirevier in Frankfurt - darunter ein Dienstgruppenleiter - sowie die Lebensgefährtin eines der Beamten. In der Chatgruppe "Itiotentreff" sollen sie zwischen 2014 und 2018 rechtsextreme, rassistische und antisemitische Inhalte ausgetauscht haben, darunter Hakenkreuze, Hitlerbilder und Beleidigungen gegen Juden, Muslime, Homosexuelle.

Ein Bild zeigt zwei riesige schwarze Bluthunde, denen Sabber aus den Lefzen tropft. Darunter steht: "Wir fressen nur Mett! Achmett, Mohamett, Mehmett." Die Staatsanwaltschaft hatte mehr als 100 solcher Inhalte gezählt und im April 2022 Anklage erhoben.

Die Staatsanwaltschaft hat gegen den Beschluss Beschwerde eingelegt

Das Gericht schreibt in seinem Beschluss von Mitte Februar nun, dass sie Inhalte nicht strafbar seien, weil sie in einer geschlossenen Gruppe verschickt worden seien - und somit nicht verbreitet wurden. Ein Verbreiten im strafrechtlichen Sinne sei es erst, wenn der Inhalt einem "größeren Personenkreis zugänglich gemacht wird", so groß, "dass er für den Täter nicht mehr kontrollierbar ist". Im Fall der Chatgruppe sei das nicht erfüllt, sie hatte weniger als zehn Mitglieder.

Es sei eben nicht ersichtlich, dass diese die Inhalte außerhalb der Gruppe hätten teilen wollen. Das Gericht argumentiert aber auch mit dem Grundgesetz und dem Recht auf Meinungsfreiheit. Teile der Inhalte fielen unter Satire. Hierüber hatte zuerst die FAZ berichtet.

Die Staatsanwaltschaft hat gegen den Beschluss des Gerichts Beschwerde beim Oberlandesgericht eingelegt. Das Oberlandesgericht kann den Beschluss entweder bestätigen oder die Anklage doch noch zulassen und das Hauptverfahren eröffnen.

Auch aus dem Hessischen Landtag kamen schnell erste Reaktionen. Die Linke nannte die Argumentation des Gerichts "kurios", die Begründung durch die Kunstfreiheit "völlig inakzeptabel". "Der Rechtsstaat darf keinen Zweifel daran lassen, dass es keinen Ermessensspielraum gibt, wenn der gesellschaftliche Zusammenhalt angegriffen wird."

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Aufgefallen war die Chatgruppe erst im Sommer 2018, nachdem Polizisten des 1. Polizeireviers in Frankfurt private Daten der Anwältin Seda Başay-Yıldız illegal auf ihrem Dienstcomputer abgerufen hatten. Ein paar Stunden später wurden Başay-Yıldız und ihre Tochter auf einem Fax mit dem Tod bedroht, unter dem Kürzel "NSU 2.0". In der folgenden Zeit wurden dann immer wieder Daten der Anwältin auf Polizeicomputern abgerufen, weitere Drohschreiben wurden verschickt.

Im Rahmen der Ermittlungen hierzu flogen dann auch die Chatgruppe "Itiotentreff" sowie weitere rechte Chatgruppen in der hessischen Polizei auf.

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