Was waren das für Zeiten, als Jarosław Kaczyński um drei Uhr nachts den Präsidenten der öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalt TVP anrief, um ihn zu fragen, warum sein Fernseher nicht läuft. Lang sind sie nicht her - es war tatsächlich erst im Dezember. Kaczyński hatte in einem Radiointerview selbst davon berichtet und wurde nun in dieser Woche bei einer Pressekonferenz danach gefragt. Er habe sich damals Sorgen gemacht, dass der Rundfunk abgeschaltet worden sei, erklärte er. Es habe sich aber herausgestellt, dass nur sein Decoder nicht funktionierte.
Der nächtliche Anruf geschah, bevor die neue Regierung unter Donald Tusk am 20. Dezember, eine Woche nach ihrer Vereidigung, die Aufsichtsräte und Vorsitzenden der öffentlich-rechtlichen Medien entließ. Eine Woche später wurden die Medienanstalten rechtlich in den Zustand der Auflösung versetzt. Was nicht bedeutet, dass sie aufhören zu arbeiten. Sie sollen aber neu aufgestellt werden.
Betroffen sind TVP, Polskie Radio und die Nachrichtenagentur PAP. Alle sind dem Kulturministerium unterstellt und werden von Steuergeld und Gebühren finanziert. Die PiS-Partei hatte sie in ihren acht Jahren in der Regierung zu ihrem Verlautbarungsorgan gemacht, vor allem im Fernsehen propagierte PiS die eigene rechtsnationalistische Politik. Politische Gegner, auch ganze Staaten wie etwa Deutschland wurden abgewertet, es wurde gehetzt oder sogar offen gelogen.
Die PiS erkennt die neuen Aufsichtsräte und Vorsitzenden nicht an
Seitdem die neue Regierung diesen Zustand beendet hat, ist der Umbau der öffentlich-rechtlichen Medien das beherrschende Thema in Polen. Noch immer halten sich nach polnischen Medienberichten einige PiS-Abgeordnete in der TVP-Zentrale in der Warschauer Innenstadt auf, um so, wie sie erklären, den Sender zu verteidigen. Deshalb wird die abendliche Hauptnachrichtensendung nun provisorisch am anderen TVP-Standort im Süden Warschaus produziert. Kurz vor Weihnachten hatten PiS-Abgeordnete auch dieses Gebäude öffentlichkeitswirksam besetzt.
Die PiS-Politiker erkennen die von der neuen Regierung eingesetzten Aufsichtsräte und Vorsitzenden nicht an. Aus ihrer Sicht gilt die Entscheidung des Nationalen Medienrates, der andere Chefs ernannt hat. Dieses Gremium wurde zu PiS-Zeiten gegründet und gilt auch aus Sicht des staatlichen Ombudsmanns für Bürgerrechte und aufgrund eines früheren Gerichtsurteils als nicht rechtmäßig. Eine Entscheidung des Registergerichts, das die Vorsitzenden des staatlichen Unternehmens offiziell ins Firmenregister eintragen muss, steht aus.
Täglich um 20 Uhr versammeln sich PiS-Abgeordnete und PiS-Anhänger vor dem TVP-Gebäude im Zentrum von Warschau. Auch am Freitagabend stehen wohl mehr als 100 Menschen im Schneeregen, schwenken polnische Flaggen, rufen "Polen ist nicht Belarus", Redner vergleichen die liberal-konservative Regierung von Donald Tusk, die Justiz und öffentliche Einrichtungen entpolitisieren und zum EU-Recht zurückkehren will, mit dem kommunistischen Regime oder werfen ihr faschistische Methoden vor.
Die Revolution bei den Öffentlich-Rechtlichen aber erscheint unaufhaltsam. Fast täglich werden neue Personalien vermeldet, wer kommt, wer geht. Inoffiziell wird berichtet, dass die neuen Mitarbeiter noch keine Verträge erhalten, nicht wissen, wie viel und wann sie Gehalt bekommen - aber das in Kauf nehmen, um am Aufbau der neuen Medien mitzuarbeiten. Bekannte Gesichter aus dem TVP der PiS-Zeit beschweren sich auf X, dass ihnen die Zugangskarten gesperrt oder Gehälter nicht gezahlt wurden, einige verließen freiwillig den Sender. Manche lassen sich beim privaten Kanal TV Republika sehen, der ganz auf Linie der PiS berichtet.
Polens neue Regierung machte die bisherigen horrenden TVP-Chefgehälter öffentlich
Die PiS-Partei und ihr Vorsitzender Jarosław Kaczyński stricken nun aus der Medienreform eine Geschichte des Unrechts. Am 11. Januar wollen sie protestieren. Sie rufen "alle Polen, denen die Ideale der Freiheit wichtig sind", auf mitzumachen. Vor dem Gebäude des Abgeordnetenhauses, des Sejm, in Warschau wollen sie sich versammeln. Ausgerechnet vor dem Sejm. Dort hatten die PiS-Leute, als sie selbst noch regierten, dauerhaft Absperrgitter aufstellen lassen - um sich vor Demonstranten zu schützen. Die jetzt regierenden Parteien ließen die Gitter entfernen, und zwar schon Mitte November, nachdem sie mit ihrer Mehrheit einen neuen Sejm-Vorsitzenden gewählt hatten.
Kaczyński warb auch in der Pressekonferenz am Mittwoch für die Demonstration. Man müsse die Freiheit der Medien verteidigen. Die Tusk-Regierung handle undemokratisch, erklärte er, es seien Zustände wie zu den schlimmsten Zeiten der kommunistischen Volksrepublik. Eingeladen waren in die Parteizentrale in Warschau auch Journalisten, die in den vergangenen Jahren von der PiS-Regierung ignoriert worden waren. Kaczyński ging jedoch kaum auf deren Fragen ein und erklärte ihnen schließlich, sie würden dafür bezahlt, das aus seiner Sicht rechtlose Vorgehen der neuen Regierung zu verteidigen. "Sie tun mir aufrichtig leid", sagte Kaczyński und verließ damit die Pressekonferenz.
Die neue Regierung machte nun auch öffentlich, was einige bekannte TVP-Chefs verdienten, nämlich umgerechnet bis zu 350 000 Euro im Jahr. In der Landeswährung Złoty sind sie damit Millionäre. Zudem erhielten sie offenbar steuerliche Vergünstigungen. Ministerpräsident Donald Tusk erklärte, diese Gehälter müssten teils zurückgezahlt werden. Es wird erwartet, dass es wegen der Verschwendung staatlicher Mittel auch zu Gerichtsprozessen kommen wird.
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Die neuen Mitarbeiter von TVP werden jedenfalls deutlich weniger verdienen, das stellte die Tusk-Regierung bereits klar. Und Anrufe von Regierungsmitgliedern bei Programmverantwortlichen wird es wohl auch nicht mehr geben. Bisher habe sich jedenfalls niemand gemeldet, und er könne sich das auch nicht vorstellen, sagte einer der neuen Senderchefs, Grzegorz Sajór, nun der Gazeta Wyborcza.